Kommentar Obamas Besuch in Hiroshima: Ein Amerikaner entschuldigt sich nicht
Obamas Trip nach Hiroshima ist gut. Doch seinem 2009 formulierten Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist er kein Stück nähergekommen.
B arack Obama will einen Platz in der Geschichte. Der soll nicht nur darin bestehen, erster schwarzer Präsident der USA gewesen zu sein, sondern am besten auch noch nachträglich den Friedensnobelpreis rechtfertigen. Und all das in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit.
Also hat Obama die Öffnung zu Kuba eingeleitet, den Nukleardeal mit dem Iran unter Dach und Fach gebracht, das Waffenembargo gegen Vietnam aufgehoben. An diesem Freitag wird er der erste US-Präsident sein, der im japanischen Hiroshima einen Kranz an der Gedenkstätte für die Opfer des US-Atombombenabwurfs am 6. August 1945 niederlegt.
Der Gang nach Hiroshima fällt dabei aus der Reihe, weil dieses Mal so wenig praktische Konsequenzen zu erwarten sind. Japan ist – anders als Vietnam, Kuba und Iran – schon ewig kein Gegner mehr, sondern enger Verbündeter.
Seinem in der Prager Rede 2009 formulierten Ziel einer atomwaffenfreien Welt ist Obama dagegen kein Stück nähergekommen. Er wird in seiner Rede darauf zurückkommen – Konsequenzen hat das nicht.
Kapitulation stand unmittelbar bevor
Neu wäre, wenn Obama sich entschuldigen würde. Doch das wird nicht passieren. Nicht nur, weil sich die USA ohnehin nur selten für irgendetwas entschuldigen. Ausgestattet mit dem Bewusstsein der Einzigartigkeit, gibt es nach Ansicht vieler US-Amerikaner keinen Grund, irgendjemanden um Verzeihung zu bitten. Erst recht nicht den Angreifer von Pearl Harbor.
Vor allem aber würde eine Entschuldigung die in der US-amerikanischen und der internationalen Öffentlichkeit verinnerlichte Geschichtsschreibung auf den Kopf stellen. Oder genauer gesagt: vom Kopf auf die Füße. Denn die Behauptung, dass die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki notwendig waren, um den Krieg zu verkürzen und Millionen Menschenleben zu retten, US-amerikanische wie japanische, stimmt ziemlich sicher nicht.
Die Bomben waren mehr ein Test für die Wirkung von Atombomben über Städten und gleichzeitig der Auftakt des Konfliktes mit der Sowjetunion. Die meisten damaligen US-Militärstrategen hielten eine japanische Kapitulation auch ohne Atombombe für unmittelbar bevorstehend. Aber dann wäre der Bombenabwurf ein Kriegsverbrechen.
Dieses Fass will Obama nicht aufmachen. Er will ja Geschichte schreiben, nicht umschreiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“