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Kommentar Neuwahl in NiedersachsenLoser im Verlieren

Andrea Maestro
Kommentar von Andrea Maestro

Eine Grüne in Niedersachsen stürzt die Landesregierung, weil sie von ihrer Partei gefrustet ist. Profitieren wird davon die ansonsten mittelmäßige CDU.

Ihre Gründe sind schwer nachzuvollziehen: Elke Twesten wechselte von den Grünen zur CDU Foto: dpa

I n Niedersachsen hat eine Abgeordnete die ganze Regierung gestürzt und das offenbar aus Wut. Die Grünen-Politikerin Elke Twesten wurde in ihrem Wahlkreis Rotenburg/Wümme nicht wieder als Bundestags-Direktkandidatin aufgestellt. Sie hat mit 17 zu zehn Stimmen gegen ihre Konkurrentin Birgit Brennecke verloren. Das war nicht einmal besonders knapp und passiert halt in einer Demokratie. Abgeordnete müssen damit leben, dass sie in demokratischen Verfahren auch mal den Kürzeren ziehen.

Elke Twesten kann das nicht. Sie wechselt stattdessen zur oppositionellen CDU und rächt sich damit nicht nur an den Grünen, sondern gleich an der ganzen Regierung. In Niedersachsen haben Rot-Grün nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Das ist dünn und Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) musste immer damit rechnen, dass das Regieren mit nur einer Stimme knapp wird. Für den Austritt Twestens scheint es aber keine Vorwarnung gegeben zu haben.

Twesten nennt auch keine inhaltlichen Differenzen mit den Grünen. Sie schiebt lediglich vor, dass ihre Rotenburger Konkurrentin sich angeblich nicht um eine Bewerbung für die Landesliste gekümmert habe. Sie, Twesten, habe deshalb befürchtet, dass Rotenburg/Wümme gar nicht auf der Landesliste vertreten sei. Ganz davon abgesehen, dass Brennecke noch bis zum Landesparteitag Mitte August dafür Zeit gehabt hätte, ist die Bewerbung um einen Listenplatz an diesem Freitag auch bei den Landesgrünen eingegangen. Alles fristgerecht. Kein Grund für ein feindliches Überlaufen.

Es bleibt nur der Frust einer Abgeordneten, die nicht verlieren kann. Klar, dass die CDU sie mit Kusshand in ihren Reihen aufnimmt. Die Christdemokraten sind der große Gewinner der grünen Streiterei. Sie könnten nun, da der Wahltermin eventuell mit der Bundestagswahl zusammen fällt, von Merkels Beliebtheit profitieren. Mit Althusmann allein, einem mittelmäßig beliebten Ex-Kultusminister, der mit der Forderung nach einer Pause für die Inklusion in den Wahlkampf zog, wäre das schwieriger geworden.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hingegen trifft die Neuwahl in einer Phase, in der er sowieso schon in der Kritik steht. Nicht nur als VW-Aufsichtsrat, sondern auch als Chef einer Regierung, die sich gerade mit einem Skandal über Manipulationen und Schlampereien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge herumschlagen muss.

Aber auch die Grünen, die ihren eigenen Laden offensichtlich nicht unter Kontrolle haben, wirken vor der Bundestagswahl mit solchem Ex-Personal sehr unglücklich. Jetzt heißt es, dass ganze schnell hinter sich zu bringen.

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Andrea Maestro
Redaktionsleiterin taz.nord
War bis Dezember 2022 Redaktionsleiterin der taz nord. Davor Niedersachsen Korrespondentin der taz. Schwerpunkte sind Themen wie Asyl und Integration, Landwirtschaft und Tierschutz.
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26 Kommentare

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  • Aktionen aus dem Hinterhalt.

    Gerade überrascht die BILD mit einer Rede Weils von 2015 zu Beginn des Dieselskandals, die angeblich von VW redigiert wurde. Da wird gerade im Norden die Bastion Niedersachsen sturmreif geschossen.

  • Scheisse... Denn: wenn solcherart politische Praxis mehr populär wird- dann wird dadurch die Demokratie leiden! Zum anderen: Abgeordnete sind nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet... daraus die Konsequenz wäre, wenn das Gewissen nicht mehr mit der Politik der Partei in Harmonie ist, das Amt zu verlassen ! .. oder, wie im Falle des `Seitenwechsels´von Frau Elke Twesten... leidet das allgemeine Vertrauen in die Politik!

  • „Schaun mer mal, dann sehn mer scho.“ (Der Suppenkasper)

  • Das zeigt, wie richtig die Griechen durch Aristoteles die Demokratie als beste denkbare Regierungsform begründet haben. Unter folgenden Bedingungen:

    Zur Bundes - Republik (lat. res publica d.h. öffentliche Sache) gehört Öffentlichkeit!

    Demokratie (griech. demos Volk kratein herrschen) "Denn in den Demokratien, wo es nach dem Gesetze zugeht,

    ist kein Aufkommen für die Demagogen,

    weil daselbst die Besten aus den Bürgern die Stimmführer

    sind.“

    (Aristoteles Politik, 4. Buch. 4. Kapitel 1292a7)

    In der Bundes-Republik mit der "Marktkonformen Demokratie" zugunsten der Banken und Industrie, ist der Beweis erbracht: Automobil Industrie quod erat demonstrantum d.h. was zu beweisen war! Wir haben nicht die Besten gewählt und es geht nicht nach dem Gesetz zu!

  • Ich kann mich nicht erinnern, dass es ähnliche Artikel in der taz gegeben hätte als der thüringische Abgeordnete Helmerich bei der AfD ausgetreten und von der SPD-Fraktion aufgenommen wurde.

    • @Eichet:

      Ach so, das war die Zeit, als die AfD noch an der thür. Landesregierung beteiligt war. Ja das ist dann wohl die gleiche Situation.

  • Es geht nicht darum, dass und ob die Grünen "ihren Laden nicht unter Kontrolle haben", vielmehr zeigt der Vorfall, welche Leute heute bei den Grünen Vorne stehen. Klar, Mimosen und Egozentriker gab's immer in dem Verein, aber das jetzt, gibt schon zu denken. Die Wahlen werden eine GroKo ergeben, denn letztes mal trat die AfD nicht an und die werden sicherlich heftig in den bräunlichen Ecken NIedersachsens einsacken.....

    • @Philippe Ressing:

      Keine Sorge, die bräunlichen Ecken Niedersachsens wollen mit der AfD gar nix zu tun haben. Die mögen schon die NPD nicht wirklich ("Wer am System teilnimmt ist Teil des Systems"). Die sind GANZ anders drauf...

    • @Philippe Ressing:

      Die AfD hat bei den Kommunalwahlen im Herbst letzten Jahres 7,8% bekommen. Niedersachsen liegt im Norden, nicht im Osten der BRD.

       

      Allerdings sind Kommunalwahlen nur bedingt vergleichbar, weil da weniger wählen gehen und auch noch die unabhängigen Wählergruppen existieren. Außerdem kann man bei den Kommunalwahlen auch direkt Kandidaten aus verschiedenen Listen auswählen. Wenn die Wahlen ähnlich ausgehen wie die Kommunalwahlen würde es auch knapp für schwarzgrün reichen.

  • Ich verstehe die Aufregung ehrlich nicht, nur weil eine - aus welchen Gründen auch immer - die Partei wechselt. Und das ist ja nicht verboten. Und die Mehrheit war bekanntermaßen sehr dünn. Es sind ja nun nicht 10 übergewechselt.

    Dass das nun ausgerechnet "schlimm" oder unfair gegenüber einem sehr zweifelhaften SPD-Ministerpräsidenten und der Mitregierungspartei die GRÜNEN, von der sie kommt, sein soll, da sehe ich keinen Zusammenhang.

     

    Wenn Rot-Grün super gute Arbeit gemacht hätte und es sich tatsächlich "nur" um einen Trotzwechsel handeln würde, könnte man das vielleicht als Vorsatz der Zerstörung bezeichnen, aber so? Es wechseln sich von außen gesehen lediglich die Verhältnisse und vielleicht wird nun einfach mal genauer überall hingeschaut, wer so was in Niedersachsen am Stecken hängen hat. Und dann können sich Wähler_innen auch wieder besser entscheiden.

     

    Diese Absolution für Rot-Grün ist auch mit Blick auf die gemeinsame Zeit in der Bundesregierung mit Schröder mehr als fraglich.

     

    Die deprimierenden Erfahrungen vieler Menschen sind doch: Rot-Grün muss nicht automatisch die bessere Regierung sein und schon gar nicht gibt es in diesen Parteien die "besseren" Menschen.

     

    Rheinland-Pfalz mag da mit Malu Dreyer (noch) eine kleine Ausnahme sein.

     

    Eine Bundesregierung mit Martin Schulz und Katrin Göhring-Eckardt ist aber sicher auch so für viele eine Gruselkombination, auch wenn sie tendenziell eher rot/grün wählen.

    • @Hanne:

      Rotgrün hatte in Niedersachsen nicht mal eine Mehrheit unter den Wählern. Da wegen 5%-Hürde massig Stimmen unter den Tisch fallen, war das auch wieder so eine Koalition, die eigentlich nur eine Minderheit der Wähler wiedergab.

       

      Das gleiche gilt aber auch für die Koalitionen in Thüringen oder jetzt in NRW.

       

      Wenn Parteien sich auf so einen Mist einlassen, dann dürfen Sie sich nicht wundern, dass irgendwann mal eine/r unter ihnen ist, der/die das ausnutzen will.

  • Da hilft nur noch ein Ausschlussverfahren gegen Winfried Kretschmann. Vertreter der Autolobby als Sargnagel der Grünen.

    • @Pele :

      Dann wechselt der auch wieder die Partei und geht zurück zum KBW.

       

      Muss dann aber, weil Pol Pot nicht mehr lebt, wohl bei Kim Jong-Un seine Solidaritätsbesuche abstatten. (Und da wär ihm die deutsche Autoindustrie schon wieder dankbar, wenn sie ihre Stinkstiefel dann auch mal dahin exportieren kann.)

  • Mag sein, dass die taz bzw. autor/in mit dem parteiwechsel von frau twesten nicht einverstanden ist -- aber muss deshalb ein derart übles bild über den artikel? das finde ich -- unabhängig vom inhalt des artikels -- journalistisch höchst unseriös. hat so was von "jetzt sind wir beleidigt und zahlen es ihr ganz fies heim..."

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Lupo:

      Wenn sie so aussieht wie sie aussieht, ist daran nichts zu bemängeln.

      Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte :-)

      Dei Dame wollte einfach weiter mitmischen und die CDU bietet da nun mal mehr Chancen. Die GRÜnen hätten sie nicht mehr auf Platz 1 gesetzt.

      Wer solche (Partei) Freunde hat braucht keine Feinde mehr.

    • @Lupo:

      Hallo Lupo,

      Was gibt es an dem Bild auszusetzen? So sieht sie nun mal aus, die Dame, in echt und unverfälscht. Übrigens, willkommen bei der TAZ, war wohl etwas langweilig beim Regionalblatt vom Untermain.

    • @Lupo:

      Ja nu, wenn die so aussieht.

       

      Und dann auch noch ausgesprochen doof guckt. Das ist dann nun mal abgebildete Realität.

       

      Wenn man sonderbar aussehende Menschen mit noch sonderbareren Blicken nicht mehr abbilden dürfte, dann könnte man ja nie ein Merkel-Foto z.B. irgendwo veröffentlichen. Von Menschen wie Trump mal ganz abgesehen.

    • @Lupo:

      "beleidigt und zahlen es ihr ganz fies heim" ist ziemlich genau die Begründung der in einer Wahl unterlegenen Verräterin.

       

      ("Verräterin", ist das nicht ein wenig hart? - Nein: Ihre WählerInnen wollten GRÜNE Politik, sonst hätten sie ja gleich CDU gewählt. Was erlauben diese Frau, eine demokratische Wahl komplett ins Gegenteil zu fälschen? Und ihr "Gewissen"? Darauf hätte sich auch Honecker berufen, wenn man ihn zur manipulierten Volkskammerwahl gefragt hätte. Blöde Ausrede, wenn das Gewissen offensichtlich nicht funktioniert und auch kein Charakter da es, es zu ersetzen.)

       

      Und das Foto? Ein gelungenes Foto legt die Seele der Abgebildeten offen. Perfekt getroffen.

  • Den Verräter liebt keiner, auch nicht die CDU. Das wird sie aber erst nach einer evtl. Neuwahl merken.

    • @finches:

      Wohl war, nach den Überläufern in BaWü kräht kein Hahn mehr....

  • Das ist vielleicht eine doofe Frage, aber, wenn man "Loser im Verlieren" ist, was heißt das dann eigentlich? Dass man schlecht verlieren kann oder könnte es auch heißen, dass man gewinnt? Gibt es denn einen Loser im Gewinnen?

  • Das Gerede von Verrat und Rache usw. ist absurd. Das wissen die Parteien auch ...

     

    RRG in Thüringen hat ja übrigens auch kein Problem damit, mittels des Ex- AfD-Mann O. Helmerich die eigene 1-Stimmen-Mehrheit zu erhalten ... da gibt es auch keine Neuwahlen.

  • Abwendung

     

    Die Vorgänge zeigen die offenbar unsolidarische und unkollegiale Atmosphäre bei der grünen Landtagsfraktion in Niedersachsen. Das ist leider bezeichnend für Politik. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen sich davon abwenden.

    ...

    Es gibt auch die schöne Steigerungsform von Feind "Feind-Todfeind-Parteifreund". Da ist was dran!

  • Ob das jetzt ein Racheakt oder nur eine Entscheidung für die eigene Karriere war, ist mir persönlich egal.

    Es bleibt eine zerstrittene Partei mit vielen Meinungen. Aber wofür alle in dieser Partei kämpfen kann ich als einfacher Wähler einfach nicht mehr erkennen. Unabhängig von Twestens Wechsel fällt auf, dass in der Partei Abweichler in einer unverschämten Art behandelt werden. Der politische Diskurs bei den Grünen wirkt auf mich wie eine Kneipenschlägerei. In diesem Punkt hat die Partei leider mehr mit der AfD gemein als ihr lieb ist. Das ist einfach nur peinlich.

    • @FrankUnderwood:

      Es geht vorwiegend um persönliche Machtsicherung - weiter nix.

    • @FrankUnderwood:

      In der CDU bekommen Sie gar nicht mit, was mit Abweichlern gemacht wird. Deswegen fällt Ihnen das im Vergleich so auf.