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Kommentar Neonazi-Gewalt in den USAEs wird einsam um Trump

Dorothea Hahn
Kommentar von Dorothea Hahn

Der US-Präsident kann hart und scharf verurteilen – aber gerade bei der Neonazi-Gewalt aus dem Inneren der USA tat er sich schwer. Das wird Folgen haben.

Niemand mehr da Foto: dpa

M ehr als zwei Tage nach der tödlichen Gewalttat von Charlottesville hat Donald Trump endlich einen Teleprompter gefunden, von dem er ablesen konnte, dass Nazis, der Ku-Klux-Klan und Rassismus böse sind.

Auf eine solche Erklärung hatten am Samstag, direkt nach der Tat, viele in den USA vergeblich gewartet. Eine solche Erklärung hätte der Tradition entsprochen, wäre präsidial gewesen, hätte den Schmerz und die Angst lindern und das Land möglicherweise ein wenig zusammenführen können. Doch am Montag kam sie viel zu spät, ging nicht annähernd weit genug und beeindruckte allenfalls dadurch, wie leidenschaftslos und unüberzeugend Trump sie vortrug.

Trump kann hart und scharf verurteilen. Das hat er unter anderem gegenüber Mexikanern – „Kriminelle und Vergewaltiger“ –, Journalisten – „Feinde“ – und Muslimen – „Sie hassen uns“ – bewiesen. Und es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wie er reagiert hätte, wenn der Täter von Charlottesville ein Ausländer gewesen wäre. Doch angesichts von Neonazi-Gewalt aus dem Inneren der USA tat er sich schwer, Ross und Reiter auch nur zu benennen, geschweige denn zu verurteilen. Als wollte er es nicht riskieren, die Unterstützung der radikal Rechten zu verlieren.

Der Präsident musste gedrängt werden. Erst nachdem an mehr als 800 Orten der USA Demonstrationen gegen rechte Gewalt stattgefunden hatten, nachdem die öffentlichen Debatte hitziger wurde, nachdem seine Tochter Ivanka, Sprecher der Republikanischen Partei und einige der einflussreichsten Industriebosse die Gewalt klar verurteilt hatten und nachdem Nazi-Gruppen seine Zurückhaltung als Unterstützung gefeiert hatten, erst dann lenkte Trump ein.

Aber er tat das am Montag vor dem Teleprompter so widerwillig, dass es ihm nicht einmal gelang, in seinem eigenen Lager zu überzeugen. Noch am selben Tag traten drei einflussreiche Industriebosse – die Chefs des Pharmakonzerns Merck, des Sportausstatters Under Armor und des weltweit größten Computerchipherstellers Intel – von ihrer Beratertätigkeit für den US-Präsidenten zurück. Weitere Industriebosse, die bei Trump Toleranz, Diversität und „amerikanische Werte“ vermissen, überlegen, ihnen zu folgen.

Schon zuvor waren drei andere Industriebosse unter Protest gegen Trumps Immigrations- und Klimapolitik gegangen. Die neuen Rücktritte wegen seiner verspäteten und unzureichenden Verurteilung der rassistischen Gewalt lassen die Einsamkeit um Trump noch größer werden. Zudem machten sie den Montag zu einem der misslungensten Tage seiner an Misslingen reichen Zeit im Weißen Haus.

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Dorothea Hahn
Korrespondentin
Kommt aus Köln. Ihre journalistischen Stationen waren Mexiko-Stadt, Berlin, Paris, Washington und New York.
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11 Kommentare

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  • Wer sich selbst ständig ausgrenzt,

    der muss einsam sein...

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Auf die immer wieder prophezeite Einsamkeit um Trump warten wir schon ein gutes halbes Jahr.

    Weitere dreieinhalb Jahre werden folgen...

  • Der arme D. Trump! Hilft ihm denn niemand (z.B. Selbsthilfegruppe vereinsamter Politiker)? ...

  • Wahrscheinlich bekam Trump von seinen eigenen Leuten vorgerechnet, dass sein Ansehensverlust in breiten Bevölkerungsschichten größer wäre, als der Gewinn am rechten Rand, wenn er bei seiner Weigerung bleibt, eindeutig Stellung gegen die Rechtsextremisten zu beziehen.

    Naja. Er wird Gelegenheit finden, letztere zu besänftigen!

  • Es wird nicht "passiv" einsam um Trump.

    Er macht sich das selbst einsam.

  • Warum wirkt es immer so, als sein Trump Opfer seiner Ahnungs- und Instinktlosigkeit? Weil wir uns nicht vorstellen können, dass der Präsident der Vereinigten Staaten des gleichen Geistes Kind ist, wie die Barbarenhorden von Charlottesville die ein Foto der getöteten Heather Heyer auf der rassistischen und antisemitischen Hetzseite The Daily Stormer mit "Nothing of value was lost" kommentieren? Machen wir uns nichts vor: Donald Trump und den Herausgeber des "Täglichen Stürmers" Andrew Anglin eint nicht nur die völlige Absenz jeglicher Empathie. Sie tragen auf ihrem Haupt nicht umsonst auch dieselbe ideologische Mütze.

    https://en.wikipedia.org/wiki/The_Daily_Stormer#/media/File:Andrew_Anglin.png

    • @Jakob Bauer:

      "dass der Präsident der Vereinigten Staaten des gleichen Geistes Kind ist, wie die Barbarenhorden von Charlottesville die ein Foto der getöteten Heather Heyer auf der rassistischen und antisemitischen Hetzseite The Daily Stormer..."

       

      Mit einer zum Judaismus konvertierten Tochter und jüdischem Schwiegersohn und Berater verlangt es schon jede Menge MPS (multiple Persönlichkeitsstörung) um Antisemit zu sein.

       

      Für WaPo dennoch kein Problem: https://www.washingtonpost.com/news/acts-of-faith/wp/2016/12/02/can-donald-trump-be-anti-semitic-if-his-daughter-is-jewish/?utm_term=.ffaafb51633b

      • @agerwiese:

        "Wer Jude ist und wer nicht, bestimme immer noch ich!" Hermann Göring.

        Vielleicht ist es die Liebe zu seiner Tochter, oder es hat ihm noch keiner gesagt dass sie "Rassenschande" betreibt wie es bei den Nazis so schön hieß.

        Oder aber sein Rechtsextremismus richtet sich schlicht "nur" gegen Andersfarbige und Muslime...

      • @agerwiese:

        Als wären persönliche Beziehungen je ein Grund gegen Rassismus oder Antisemitismus gewesen. Im Gegenteil! Die Auffassung, es gäbe einzelne Lichtgestalten in der Masse derer, die man ansonsten ablehnt, ist ja Rassismus in Reinkultur. Eien farbige Haushälterin, die man gut behandelt oder einen Juden im Beraterteam - wunderbare Instrumente, um sich vor jedem Verdacht und jedem Keim von Gewissen zu schützen.

         

        Ganz davon abgesehen erfordert es ohnehin "schon jede Menge MPS (multiple Persönlichkeitsstörung) um Antisemit zu sein". Da stimme ich Ihnen zu.

      • @agerwiese:

        Er hat ja auch keine Probleme, sich als Anführer der Arbeiter, Entrechteten und Armen zu generieren

        • @Thomas Elias:

          Und weil diese Aufgabe seit mindestens 30 Jahren nicht mehr von der politischen Linken übernommen wird sondern die sich lieber damit beschäftigt sich gegenseitig anzuschreien weil irgendwas nicht korrekt gegendert wurde fällt ihm das auch noch leicht.

          Es ist traurig wie leichtfertig politische Themen aufgegeben werden weil sie nicht dem Lifestyle der studentischen Mittelschicht entsprechen.

          Trump geht nicht auf Distanz zu dem Anschlag weil es ihn nicht stört, weil er die Gewalt wahrscheinlich still und heimlich gutheißt.

          Folgen wird das für den Präsidenten nicht haben, er wird ohnehin nicht wieder gewählt werden und der Rest der Republikaner ist politisch ebenso übel

          Angesichts dieser Punkte braucht man sich leider nicht zu wundern