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Kommentar Martin Schulz' AtomwaffenSchade um die schönen Chancen

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Schulz' Vorstoß zum Abzug von US-Atomwaffen verpufft. In den vergangenen vier Jahren hat die SPD nichts dazu unternommen und ihr fehlen Partner.

Nicht erschrecken. Nur ein Symbolbild Foto: dpa

D er Wahlkampf könnte so spannend sein. Die Inhalte sind da, die Bruchlinien sind da, die Grundsatzfragen sind da. Der Vorstoß von SPD-Kandidat Martin Schulz, der als Kanzler die in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen loswerden will, ist da nur das jüngste Beispiel. Blöd allerdings, dass die Idee des Kandidaten bis zum Wochenende wohl längst verpufft sein wird. Aus dem Abzug wird nämlich auch unter der nächsten Bundesregierung nichts.

Seit knapp vier Jahren ist das Außenministerium jetzt in der Hand der SPD, gehandelt hat sie in der Sache nicht. Mit CDU und CSU hat sie sich stattdessen auf die Formel geeinigt, dass vor einem Abzug der Nuklearwaffen sich wiederum die USA auf ein Abrüstungsabkommen mit Russland einigen sollen. So hat sich die Bundesregierung geschickt vom Platz genommen: Die Atomwaffen in Deutschland sind Sache der anderen.

Gewährt man dem Quereinsteiger Schulz trotzdem einen Vertrauensvorschuss, bleibt die Frage, mit welchem Koalitionspartner er einen neuen Kurs umsetzen will. Die Union hätte den damaligen FDP-Außenminister Guido Westerwelle am liebsten in die Verbannung geschickt, als der es einst wagte, auf einen schnellen Abzug zu drängen.

Die FDP von heute hat das Ziel von damals längst aufgegeben und beschränkt sich in ihrem aktuellen Wahlprogramm auf die Forderung nach einem internationalen Abrüstungsabkommen. Bleiben Grüne und Linke, die sich im Wahlkampf für den „Abzug“ beziehungsweise für den „sofortigen Abzug“ einsetzen.

Mit Rot-Rot-Grün wäre der Atomwaffenabzug demnach möglich, mit der Perspektive eines Linksbündnisses würde Schulz’ Vorstoß tatsächlich eine neue Dynamik in den Wahlkampf bringen. Aber die Umfragewerte geben eine solche Koalition seit Monaten nicht her – und die drei Parteien haben die Option längst aufgegeben. Schlecht für ein atomwaffenfreies Land. Und schade um den schönen Wahlkampf.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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13 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Auch wenn die Umfragewerte ein Linksbündnisnicht hergeben, wäre ein zeitiges Bekennnis zu R2G richtig gewesen.

    Es ist schließlich nicht Aufgabe der Politik, einfach den Umfragen zu folgen. Dann könnte es auch einfach basisdemokratisch funktionieren und wir müßten für alles nur eine Umfrage machen.

    Politik muss das richtige oder gute Handeln auch mit wirksamen Argumenten und Aktionen den Wählern vermitteln und für Zustimmung zum eigenen Handeln sorgen.

    "Manufacturing consent" kann die politische Rechte gut. Da zerlegt man sich aber auch nicht gegenseitig und macht damit die Arbeit des politischen Gegners.

    Schulz' anfängliche Unentschiedenheit (euphemistisch: Offenheit) und die wenig später erfolgte Absage an die Linkspartei treibt die Grünen in Richtung CDU und die Linke an den linken Rand. Durch den fehlenden Willen zum Wechsel (zur Macht) wird nicht nur die SPD noch unglaubwürder, es werden auch die Grünen bei der gesellschaftlichen Linken unbeliebt und die Linkspartei für die Mitte noch weniger wählbar.

    Besser könnte es kein Stratege der CDU/CSU wollen. Warum tritt nicht bei der nächsten Wahl einfach gleich eine CDU/CSU/SPD-Einheitspartei an? Eine "Deutsche Demokratische Bundesrepublik" hätte zumindest noch Nostalgiecharakter.

  • Eigentlich können SPD und ihr Kandidat machen was sie wollen - TAZ Schreiber/innen und die Mehrzahl der kommentierenden Leser/innen sind sich beim dauernden Nörgeln einig. So steht eine Koalition schon vor der Wahl fest. Die Koalition der CDU/FDP Unterstützer - und das in der TAZ... Toll.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Bürger L.:

      "Eigentlich können SPD und ihr Kandidat machen was sie wollen ..."

       

      Ja, was denn?

      Die SPD liegt seit der BTW 2013 mit der Union im Bett und hat in dieser Zeit unzählige Chancen der Politikgestaltung und -vermarktung verspielt, indem sie schlicht unglaubwürdig i. S. der Sozialdemokratie agierte.

      Die SPD ist immer noch AN DER REGIERUNG beteiligt!

      • @571 (Profil gelöscht):

        Auch ich beklage, dass die SPD schon so lanfe "mit der CDU im Bett liegt"... anstatt die schwache linke Mehrheit im Bundestag zu unterstützen. Frage ist nur wie kommt die SPD aus dem kuschligen GroKo-Bett raus? Durch ständige Wiederholung der durchaus berechtigten Vorwürfe sicher nicht - das stärkt zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausschließlich konservative und neoliberale Kräfte.

        Auch oder gerade in linken und linksliberalen Kreisen scheinen die Sozialdemokraten eher als Feindbild zu taugen als alle Parteien rechts der SPD. Ich bin weder Mitglied noch Wähler der SPD - auf eine Änderung der Regierungspolitik ohne Beteiligung der SPD zu hoffen, halte ich allerdings für eine Illusion.

        Was bleibt also.....?

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Bürger L.:

          "Was bleibt also.....?"

           

          Klarheit und Wahrheit.

           

          In den Reihen dieser Partei tummeln sich unbehelligt Figuren wie Thilo Sarrazin, eigentlich ein Totalversagen der Parteiführung. Bei Edathy war man da schon etwas forscher...

      • @571 (Profil gelöscht):

        Richtig!

        Die SPD hat viele rot-rot-grüne Mehrheiten auf Länderebene nicht realisiert und somit verabsäumt, reale Modelle für den Bund zu präsentieren.

         

        Letztendlich ist sie an der eigenen Feigheit gescheitert

        • 5G
          571 (Profil gelöscht)
          @Thomas Elias:

          "eigene Feigheit" und Anpassungsfähigkeit bis zur Unkenntlichkeit.

          Mit Schulz dann plötzlich in höchster Not Konturen schaffen wollen? Sind eh nur Lüftlmalerei...

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Vertrauensvorschuss hin oder her: Man darf dieser SPD nirgends den Wunsch nach einem Politikwechsel unterstellen, auch und gerade nicht mit eventuellen politischen Mehrheiten.

    Klingt alles ein wenig wie der von den Genossen 20 Jahre propagierte "sofortige" Atomausstieg.

    Den haben dann bekanntlich andere durchgezogen.

    Aber schde ist es trotzdem um die vertane Chance, das stimmt.

  • Ich glaube, M. Schulz ärgert sich inzwischen selbst, dass er seinem inneren Drängen nach Luftveränderung nachgegeben hat und in die deutsche Tagespolitik eingestiegen ist. Wäre er doch in Brüssel geblieben! Dort hätte er bis zum Erreichen des Rentenalters seine Ruhe gehabt (mal abgesehen vom Brexit und anderen Unwägbarkeiten)!

  • "Chulz" und seine SPD haben die einzige Chance auf eine Abwendung von Merkel IV gnadenlos in die Grütze gehauen.

     

    Sein Outing als Kanzlerkandidat hätte nicht Ausgeburt der Kungelrunde von 4 alten Männer (Sigmar + Gabriel + Steinmeier + Chulz) und deren Anschlussverwendung sein dürfen, sondern zeitgleicher Outcome eines Kanzlerkandidaten mit einem Programm, welches eine echte Alternative zur selbsterklärten "bürgerlichen Fraktion" darstellt.

     

    Das neue Programm hätte ein paar skandalös innovative Punkte zur Rentengerechtigkeit, gesetzlichen Sozialversicherung (Maschinensteuer), Finanztransaktionssteuer + Abschaffung des Soli und radikale atomare Abrüstung enthalten müssen.

     

    Ein solcher Auftritt eines Kanzlerkandidaten hätte die Republik aufhorchen lassen und Lust auf eine neue Machtoption machen können.

     

    So stehen Popeline-Jacket gegen Raute, Zausel gegen Mutti, "Weiter so" gegen "Keine Experimente".

     

    Welchen Grund kann es also geben, sich für kleinkarierte Popeline und Gesichtszausel zu entscheiden, wenn man Muttis gähnende Raute bekommen kann?

    • 6G
      64938 (Profil gelöscht)
      @Thomas Elias:

      Finde ich auch.

      Aber in der SPD haben offensichtlich immer noch die Neoliberalen à la Seeheimer Kreis das Sagen.

      Und man dachte, die Wähler lassen sich wieder mit halbgaren, zurücknehmbaren Versprechen ködern ...

  • "Aber die Umfragewerte geben eine solche Koalition seit Monaten nicht her – und die drei Parteien haben die Option längst aufgegeben."

     

    Die SPD hat diese Option nie ernsthaft auch nur in Betracht gezogen. Unabhängig von der rechnerischen Möglichkeit.

    Dazu nur zwei Sätze aus dem heutigen Interview mit dem Thomas Fischer vom Bundesgerichtshof:

     

    "Ich habe nicht die geringste Veranlassung, irgendjemandes Leistung als Sozialdemokrat zu beurteilen oder die Leistung der Sozialdemokratie insgesamt. Diese politische Organisation hat ihren Löffel bereits vor langer Zeit abgegeben."

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Der Wahlkampf hat sich schon vor Wochen für Schulz erledigt.

    Es bleibt beim Nullpunkteprogramm der SPD, allein schon mangels Glaubwürdigkeit.