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Kommentar Jordanien und IsraelKalter Ostwind in Jerusalem

Kommentar von Susanne Knaul

Formal hat Israel im Friedensprozess mit Jordanien dem Nachbarn Land überlassen und anschließend gepachtet. Nun will Amman das Abkommen kündigen.

14. November: König Abdullah II. nimmt die Ehrenwache ab Foto: dpa

E igentlich hätte der Zusatzartikel, der im israelisch-jordanischen Friedensvertrag von 1994 die Pacht zweier Ländereien festlegt, richtungsweisend für eine Lösung mit den Palästinensern und vielleicht eines Tages sogar mit Syrien sein sollen. Um Frieden zu erreichen, muss erobertes Gebiet nicht zwingend zurückgegeben werden. Da gibt es die Möglichkeit eines „Land-Swaps“, dem Austausch zweier vergleichbarer Regionen, und eben die einer Pacht.

Israel gab im Zuge des Friedens mit der benachbarten Monarchie rund 380 Quadratkilometer Land an Jordanien zurück. Trotzdem durften die israelischen Bauern weiter auf ihre dort angelegten Plantagen zum alleinigen Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung. Einziger Haken: Die Einigung ist formal auf 25 Jahre befristet, würde sich zwar automatisch verlängern, aber nur, wenn keiner der beiden Vertragspartner die Zusatzvereinbarung aufheben will. Genau das kündigte König Abdullah II. sehr zur Verblüffung der Regierung in Jerusalem nun an.

Auch die rund drei Dutzend israelischer Bauern, die auf halbem Weg zwischen dem Toten und dem Roten Meer Tomaten und Paprika anbauen, dürften die düstere Botschaft aus Jordanien nicht erwartet haben. Bis sie jedoch mit ihrem Gemüse nach einem Ausweichquartier Ausschau halten müssen, dürfte es noch dauern: So einfach lässt die Regierung in Jerusalem die strategisch wichtigen Ansiedlungen, die sie über die Jahre massiv subventionierte, nicht im Stich.

König Abdullah gab aktuell dem Druck aus dem Parlament in Amman nach, das mehrheitlich anti-israelisch eingestellt ist und deshalb jede Art der Zuwendungen an Israel ablehnt. Abdullah hingegen hat akut genug Probleme, als dass er auf ein stabiles Verhältnis zum Nachbarn verzichten könnte.

Sein kleines Land beherbergt rund 1,5 Millionen syrischer Flüchtlinge. Und das Volk zürnt angesichts steigender Preise sogar für Grundnahrungsmittel. Einen Streit mit Jerusalem zu riskieren für ein kleines Stück Land, das vermutlich doch niemand nutzen würde, macht für den König wenig Sinn. Noch genau ein Jahr bleibt bis der Pachtvertrag abläuft. Bis dahin sollte sich eine Lösung finden lassen.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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11 Kommentare

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  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ob nun 'Jordanien eine militärische Chance gegen Israel' hat oder nicht, weiß ich nicht und steht auch in dem taz-Artikel nicht zur Debatte. Bieten Sie doch der taz einmal Ihr reiches Wissen über die wirtschaftliche Situation von Jordanien an.



    Ich wollte in meinen dreieinhalb Zeilen auf was Anderes hinweisen.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @91672 (Profil gelöscht):

      An Sven Günther.

      • @91672 (Profil gelöscht):

        Seit dem Sturz von Reza Pahlavi planen die USA angeblich einen Krieg gegen den Iran, rausgekommen ist da bisher nichts, aber behauptet wird es immer wieder.

  • Bei der Entscheidung Jordaniens spielen sicher auch innenpolitische Probleme eine Rolle, aber es einfach unter Israelfeindlichkeit des Parlaments abzubuchen und abzuhacken, greift deutlich zu kurz. Die Analysen anderer Zeitungen legen den Schwerpunkt deutlich auf die jahrelange Unzufriedenheit der Jordanier, von der Bevölkerung bis zum König, mit der Palästinenserpolitik Israels und des mangelnden Willens Netanjahus den Konflikt zu einem Abschluss zu führen, das ist kein Geheimnis, der König hat sich in der Vergangenheit deutlich dazu geäußert. Die israelische Seite lässt dagegen häufiger durchblicken, die Jordanier seien ohnehin von Israel abhängig , wirtschaftlich, in der Wasserversorgung usw.(da muss man nicht auf die hören), ich kann mir lebhaft vorstellen, dass die allbekannte netanjahusche Arroganz bei seinen Auftritten auch den Jordaniern sauer aufstößt. Zusammengenommen wird wohl zutreffend in den anderen Zeitungen die Entscheidung als deutliche Warnung an Israel interpretiert, es war einfach nicht die Zeit Geschenke zu verteilen, aus eigenen innenpolitischen Interessen heraus, aber auch weil das Verhalten der Regierung Netanyahu keinerlei Anlass dazu gibt.

    • @ingrid werner:

      Jordanien hat im Juli mit Israel einen Deal über 10 Milliarden Dollar geschlossen, es wird eine Gaspipeline gebaut und Jordanien wird israelisches Erdgas kaufen.

      jordantimes.com/ne...ed-2020-—-official

      Wenn man seinen Unmut kundtun möchte, dann kündigt man nicht ein paar israelischen Paprikabauern den Pachtvertrag, sondern unterschreibt einfach solche Verträge nur unter den Bedingungen, die man fordert.

      • @Sven Günther:

        Ach, das wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Die Aussage "kündigt die Pacht" hört sich härter an, als sie in Wahrheit ist. Ein Blick in den Friedensvertrag (Annex 1 b/c) sagt klipp und klar: Die Vereinbahrung gilt für 25 Jahre und verlängert sich automatisch um den selben Zeitraum. sofern keine der beiden Parteien 1 Jahr vor Ablauf kündigt.In diesem Fall treten - auf Forderung einer der Parteien - Konsultationen ein. Also kurz: Irgendwann demnächst wird darüber gequatscht, wie es weiter gehen soll und dann sehn wir mal. (Und ja, ein Jahr is schon noch ein bissel Zeit)

      • @Sven Günther:

        Wenn es stimmt, dass die Wichtigkeit der beiden Gebiete nur auf dem Paprikasektor liegt, wie Frau Knaul meint. Aber selbst wenn sie gar keinen materiellen oder strategischen Nutzen haben, symbolisch ist der Schritt wohl, zumal das Abkommen mit dem Friedensvertrag verbunden war. Um symbol. Handlungen lesen zu können sollte man allerdings nicht politisch blind und taub sein wie die Rechte (auch wenn ich glaube dass sie sehr wohl wissen was sie tun, aber glauben sie kommen damit durch). Meinten Sie mit dem Schlusssatz, das Abkommen über die Landverteilung oder das Gasabkommen? Meinten Sie, die Jordanier hätten die Unterzeichnung des Gasabkommens mit der Palästinenserpolitik oder mit der Verpachtung verbinden sollen? Vielleicht wäre ersteres geschickter gewesen. Aber klingt noch nicht wirklich überzeugend in meinen Ohren. Israel hat auch noch ein paar andere Druckmittel in der Hand, z.B. die Aufkündigung des gemeinsamen Kanalprojekts zw. Rotem u Totem Meer, die es auch schon mal vorgezeigt hat. Jordanien ist vllcht ein hochabhängiger und schwacher Staat, aber letztlich ist Israel auf gute Beziehungen u Frieden angewiesen, und es wird immer von arabischen Staaten umgeben sein, ob es auf Dauer gut ist diese Beziehungen nur auf der eigenen militärischen Stärke und Kosten- Nutzen Beziehungen aufzubauen, muss Israel selbst wissen. Pragmatisches Handeln steht aber nicht prinzipiell im Widerspruch zu den politischen Positionen Jordaniens u Israels: Jordanien möchte mehr Auswahl bei seinen Gasanbietern haben ( bisher nur Saudi- Arabien vermute ich ) und darüber dir Preise etwas drücken und Israel möchte Gas verkaufen u ganz nebenbei den Frieden mit seinen Nachbarn absichern durch höhere wirtschaftliche Verflechtung. Aber der Palästinenser- Konflikt wird darüber nicht vergessen werden, auch wenn Netanjahu das glauben sollte, wie immer wieder zu lesen ist. Besser ist, Israel bringt ein für die Palästinenser annehmbaren Friedensplatz auf den Tisch, dann kann echter Frieden kommen.

        • @ingrid werner:

          "Annehmbarer Friedensvertrag"...Soso, was schwebt Ihnen denn so vor? a) Das freiwillige Verschwinden der Juden aus Israel oder b) die völlige Unterwerfung der jüdischen Israelis unter islamisch-arabische Herrschaft (natürlich mit Dhimmirechten) ? Hier endet mehr oder weniger die Kategorie "Annehmbare Friedensbedingungen" für sogennante "Palästinenser".

        • @ingrid werner:

          * Friedensvertrag

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Israel wird das mit seinem Freund Amerika schon regeln. Amerika plant ja sowieso einen Krieg gegen den Libanon und auch gegen Iran, also da wird das bißchen Landnahme in Jordanien als kleines Nebenproblem schon geregelt werden.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Jordanien hat militärisch gegen Israel keine Chance, außerdem steht das hier überhaupt nicht zur Debatte. Pachten ist Gebrauchsüberlassung auf Zeit, wenn die Zeit um ist und man etwas anderes damit machen will, ist das Jordaniens Recht.

      Übrigens ist Jordanien ebenfalls ein enger Freund der USA, es erhält 1 Milliarde USD Wirtschaftshilfe, nur aus den USA.

      Und der Schritt ist vor allem ein innenpolitischer. Das Königshaus steht derart unter Druck, wie zuletzt beim Schwarzen September 1970 als die PLO versuchte die Macht in Jordanien zu übernehmen. Die Wirtschaft wächst mit 2,2 % weniger als die Bevölkerung, die Arbeitslosigkeit liegt offiziell bei 20%, es leben geschätzt 1,27 Millionen syrische Flüchtlinge im Land. Als der König im Sommer versucht hat, ein Sparprogramm aufzulegen um Gelder des IWF zu erhalten, musste er nach Protesten den Ministerpräsidenten entlassen.



      Die Verschuldung des Staates liegt inzwischen bei 97% des BIP und die Verwaltung ist ziemlich ineffizient. Nachdem die Beamten und Renten bezahlt wurden, ist die Entwicklungshilfe praktisch ausgegeben.

      Es gibt inzwischen Gruppen in Jordanien, auf die der König sich früher praktisch blind verlassen konnte, die offen seine Position infragestellen. Also musste der König ein Zeichen setzen.