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Kommentar Hajo Seppelt sagt WM abDas System Putin funktioniert

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Der ARD-Journalist Hajo Seppelt reist nicht nach Russland – aus Sicherheitsgründen. Denn er gilt dort als Staatsfeind. Aber was hat er denn getan?

Auch ein Erfolg Seppelts: Die Doping-Proben der Spieler bei der Fußball-WM werden nicht in Russland, sondern in der Schweiz untersucht Foto: dpa

J ournalisten müssen keine Helden sein. Die Entscheidung des ARD-Reporters Hajo Seppelt, nicht zur Fußball-WM nach Russland zu reisen, ist kein Einknicken, keine Unterwerfung, keine Kapitulation vor den Schlächtern der Pressefreiheit. Sie ist absolut nachvollziehbar. Seppelt ist von russischen Medien zu einem Staatsfeind hochgeschrieben worden, zu einem Russen-Hasser, zu einem CIA-Agenten, zu einem Propagandisten im Krieg gegen Putins Reich. Deshalb ist er in Gefahr.

Die Worte der Chefs des russischen Journalistenverbands, Wladimir Solowjow, klingen bis heute nach. Für Seppelt müsse man Personenschutz bereitstellen, sagte er, nachdem bekannt wurde, dass Russland den Investigativreporter das Visum für die WM verweigert hat. „Damit Kenner seines ‚journalistischen Talents‘ ihn nicht zufällig verprügeln.“

Der Einreisebann wurde zwar aufgehoben, als Staatsfeind gilt Seppelt aber immer noch. Nach all dem, was passiert ist, muss der Mann, der das Dopingsystem in Russland als erster beschrieben hat, um seine körperliche Unversehrtheit fürchten. Kein Wunder also, dass er sich entschieden hat, nicht nach Russland zu reisen.

Das System Putin funktioniert

Mit Seppelts Entscheidung, so richtig sie ist, hat das System Putin den ersten Erfolg dieser WM gefeiert. Die unverhohlen geäußerten Verunglimpfungen und Bedrohungen waren letztlich erfolgreich. Die Denunziationskampagne hat sich ausgezahlt. Gespenstisch mutet dieser traurige Sieg an. Er sagt viel über die politische Stimmung im WM-Land. Ein unliebsamer Journalist ist fürs Erste in die Knie gezwungen worden, ein Sportreporter, der über Doping berichtet hat. Was hat der Mann eigentlich gemacht? Seppelt hat nichts weiter getan, als zu checken, ob der russische Sport sich an die Anti-Doping-Regeln hält, denen er sich selbst verpflichtet hat. Er hat getan, was ein Journalist tun sollte.

Auch weil er nicht aufhören konnte, immer tiefer nachzubohren, galt er als vielen als Nervensäge. Er sollte das als Kompliment verstehen. Dopingberichterstattung war schon immer eine Art Stiefkind des Sportjournalismus. Wer nachsieht, was gespritzt und geschluckt wird, gilt vielen als Spielverderber. Den Reportern, die nachfragen, bleiben oft viele Türen verschlossen. Doch der Druck, der in Russland auf Seppelt ausgeübt wird, ist ohne Beispiel.

Der Reporter hat es geschafft, dass ihm Whistleblower beinahe auf der ganzen Welt vertrauen. Seine Enthüllungen haben die Sportwelt erschüttert. Dass ein Sportreporter nun wie ein Kriegsberichterstatter, der den Frontlinien zu nahe gekommen ist, um sein Leben fürchtet, zeigt, wie wenig Pressefreiheit in Russland gilt.

Seppelt hat die Entscheidung getroffen, Russland erst einmal fernzubleiben. Russische Journalisten, die sich kritisch mit den Zuständen in ihrem Land beschäftigen, haben dagegen keine Wahl. Sie werden regelrecht in die Heldenrolle gezwungen. Wenn über Seppelt gesprochen wird, sollte man immer auch an diese mutigen Menschen denken.

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Andreas Rüttenauer
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16 Kommentare

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  • Für mowgli ist nur der kein Opprtunist, der sich nicht als Zielscheibe in Russland anbietet.

     

    Was sollen die Beschreibungen als "Studienabbrecher", "frühere Schachverbands-Leiter" und "Unternehmersohn"? Was hat das mit dem Thema zu tun??? NICHTS! Nur sinnfreie Polemik - ohne Sinn und Verstand! Thema verfehlt! Setzen! 6!

  • Zitat: „Seppelt ist von russischen Medien zu einem Staatsfeind hochgeschrieben worden, zu einem Russen-Hasser, zu einem CIA-Agenten, zu einem Propagandisten im Krieg gegen Putins Reich. Deshalb ist er in Gefahr.“

     

    Wie jetzt? In Russland haben „die Medien“ die Macht über Leben und Tod? Whow! Da ist mancher Journalisten-Kollege aus Deutschland bestimmt ganz schön neidisch!

     

    Nein, Journalisten müssen keine Helden sein. Seppelts Entscheidung ist tatsächlich „absolut nachvollziehbar“. Ein „Einknicken“, eine „Unterwerfung“ und eine „Kapitulation“ ist sie trotzdem. Schließlich: Es war Seppelts Entscheidung, das Thema „Staatsdoping“ aufzumachen. Der Studienabbrecher und frühere Schachverbands-Leiter hätte sich nicht verlassen dürfen darauf, dass die „Schlächter[] der Pressefreiheit“ es auf Dauer tolerieren werden, wenn er ihnen ans Bein pinkelt. Vorbereitet zu sein, wäre er „der Sache“ schuldig gewesen, der er sich angeblich verpflichtet fühlt.

     

    So lange das Einreiseverbot bestanden hat, war alles gut für den Unternehmersohn Seppelt. Er konnte der Held sein, der er sein wollte. Nun, wo das Verbot aufgehoben, die Reise aber mit gewissen Risiken verbunden ist, ist es nicht mehr so leicht, strahlend zu glänzen. Jetzt zeigt sich, was Seppelts Entschiedenheit wirklich ist: Opportunismus.

     

    Das „System Putin“ hat funktioniert, ja. Putin war nicht umsonst im ersten Leben Geheimdienstler. Er kennt seine Gegner. Besser, als die sich selber kennen. Er weiß, wo ihre Schwächen liegen, und nutzt diese ziemlich geschickt. Was aber machen die Bürgersöhne? Sie machen sich ins Hemd, wenn Papa (Staat) sie nicht schützt.

     

    Ehrlichkeit ist nicht die aller größte Stärke der Wessis. Ihr Ego ist oft sehr viel größer als ihre Persönlichkeit. Wäre Seppelt ein paar Kilometer weiter östlich sozialisiert worden, würde er sich über Putins „Sieg“ nicht wundern. Ist ja nicht wirklich so, dass die DDR 40 Jahre alt geworden ist, weil alle Ossis dumm, faul und feige waren.

  • Herr Seppelt giert nach Aufmerksamkeit, damals und heute.

     

    Fassen wir mal zusammen:

    Seine Story ist Anlass Russland die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu vermasseln. Inzwischen sind die meisten Athleten freigesprochen vom Vorwurf des Dopings. Der Kronzeuge von Herrn Seppelt hat zugeben müssen die berichteten "Tatsachen" bezüglich systematischen Statsdopings gar nicht gesehen zu haben. Es handelt sich also um Hörensagen.

     

    Das war damals. Heute beklagt sich Herr Seppelt vehement in den Medien, dass ihm das Visum verweigert würde. Nachdem ihm dann nach politischer Intervention ein Visum erteilt wurde kommt jetzt die propagandistische Kampagne, dass er wegen Gefahr für Leib und Leben nicht fahren könne. Alles um mal wieder im Rampenlicht zu stehen.

     

    Ich kann das ja verstehen, aber ist das ein Grund jetzt die Grossse Keule von Unterdrückung auszukramen und zu behaupten: "Die Denunziationskampagne hat sich ausgezahlt". Haben wir wirklich nichts besseres zu tun, um Herrn Seppelt jetzt einen Heiligenschein zu verpassen, oder ihn als Opfer auf dem Altar eines verwerflichen Staates zu betrachten.

     

    Auch in D gibt es Gesetze gegen Verleumdung und üble Nachrede, aber in Russland ist ja alles korrupt, politikgesteuert, und Gericht urteilen grundsätzlich nur nach Gefälligkeit. Es lebe die 'Schwarz/Weiß Berichterstattung.

    • @Martin_25:

      Die russischen Trollfabriken langweilen mit ihren tollen Lügenmärchen, an die sie vermutlich selbst nicht einmal mehr glauben.

       

      Völlig ignoriert wird natürlich, dass Seppelt nicht Schuld an dem Ausschluss Russlands war. Schuld war das russische Dopingsystem und nicht der Überbringer der schlechten Nachricht. Außerdem wird völlig ignoriert, dass die Rechercheergebnisse von Seppelt von anderen überprüft und bestätigt wurden. Desweiteren wird ignoriert, dass Russland das Doping zum Teil eingestanden hat. Aber das interessiert Putin-Trolle natürlich nicht. Guter Journalismus ist pro Putin und nicht kritisch. Die Wahrheit und echter Journalismus bleiben da auf der Strecke - oder landen zu früh auf einem Friedhof oder im Gefängnis.

       

      Die Putin-Trolle merken nicht, dass ihre plumpe Art sofort auffällt und die russische Regierung nur noch weiter diskreditiert.

  • ... "Doch der Druck, der in Russland auf Seppelt ausgeübt wird, ist ohne Beispiel."

    Na ja so ganz stimmt ja nicht. In anderen wichtigeren Bereichen sind auch Denuntiationen und Druck sehr erfolgreich gewesen. Zum bedauern von manchen nicht von Russland, sondern von der Speerspitze der Demokratie... nur ein Paar Namen dazu: Snowden, Assange, Manning. Also sollten wir zuerst vor unserer eigenen Tür kehren.

  • ach der liebe Genosse Putin würde doch niemand was antun. Wie sagen die Genossen doch gerne: Wir lieben euch doch alle !

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Der Verbandschef repräsentiert keine Journalisten, sondern patriotische Befehlsempfänger, die ausführen, was ihnen vorgegeben wird.

    Die echten Jourmnalisten sind entweder tot, sitzen im Gefängnis, sind emigriert (ins Ausland oder nach innen). Einige wenige mögen tapfer ausharren (stets eine Schere im Kopf und stets der Gefahr gewärtig, in der sie und ihre Angehörigen schweben).

    Statt dankbar zu sein, dass ein (echter) Journalist unglaubliche Missstände in seiner Heimat aufdeckt (was eigentlich dessen Pflicht gewesen wäre), droht Solowjew ihm und verunglimpft seine Arbeit. Als würde der Beruf des Journalisten jegliche Art von Patriotismus nicht ausschliessen, nehme man jenen ernst ...

    Es gibt in Russland auch keine Richter und Staatsanwälte mehr, sondern Befehlsempfänger, die ermitteln, anklagen und aburteilen, was ihnen vorgegeben wurde.

    Das gesamte System ist völlig pervertiert.

    Die Ungeheuerlkichkeiten werden immer größer und die Russlandversteher, die mittels fake news, Denunziationen und völligen Verdrehungen von Sachverhalten ein beständiges Paralleluniversum schaffen, werden en passant auch immer lauter.

    Leid müssen einem die Menschen tun, die unter Willkür, Korruption, Rechtlosigkeit und allgemeiner Menschenverachtung schwer zu leiden haben.

  • Die Entscheidung von Herrn Seppelt kann ich nur als vernünftig bezeichnen. Ohnehin wird er davon ausgehen müssen, dass er keine neuen Erkenntnisse mehr sammeln kann. Whistleblower werden sich nicht auch noch unnötig in Gefahr begeben. Also würde es überhaupt nichts bringen, sich hier auch noch - zudem unnötig - vermeidbaren Risiken auszusetzen. Seien wir froh über seine bisher erbrachte Leistung, ins Dunkel des Dopingdschungels zumindest hinein geleuchtet zu haben. Ich bin sicher, er wird dennoch weiter am Ball bleiben. Dafür muss er in erster Linie gesund bleiben. Dann kann er immer noch mit seiner Expertise überaus wertvoll sein.

    • @anyhow:

      Wie Publikumszentriert Herr Seppelt arbeitet kann man an seiner großen Kampagne wegen der Nichterteilung eines Visa ablesen. Erst groß tönen, die lassen mich nicht, und dann nach Erteilung eine Gefahr für Leib und leben konstruieren. Da kann man sich so schön als Opfer des Systems in Russland darstellen.

       

      Das beste ist, bei der Propaganda gegen Russland wird das auch brav geschluckt. Die Heldenehrung von D hat Herr Seppelt ja schon bekommen.

  • "Die Worte der Chefs des russischen Journalistenverbands, Wladimir Solowjow, klingen bis heute nach."

     

    Stimmt, Solowjow hätte seine Einschätzung für sich behalten sollen :)

    • @jhwh:

      Ich sehe das weniger als Einschätzung; eher als Drohung.

      • @Lapa:

        Drohung ? Glauben Sie, der russische Journalistenverband würde einen Schlägertrupp anheuern ? Hm...

         

        Ich denke, daß so ein knallharter Investigativjournalist wie Seppelt wegen dieser Lappalie nicht kneifen sollte.

        • @jhwh:

          Ihren Zynismus können Sie sich sonstwo hinstecken. Gewalt gegen Journalisten scheinen Sie also für gut zu halten, so als wäre es ein Abenteuer für harte Leute?