piwik no script img

Kommentar GrundsteuerkompromissArme Bayern zahlen für reiche

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der Streit um die Grundsteuer war albern, da keine Steuererhöhung geplant war. Von Söders aktueller Regelung profitieren nur Millionäre.

Ob Mieter in München oder Villa Starnberger See – alle Bayern zahlen dieselbe Grundsteuer Foto: dpa

D er gesamte Streit um die Grundsteuer war völlig albern. Vor allem CSU und Unternehmen verbreiteten den Eindruck, als würde demnächst der Untergang des Standorts Deutschland drohen. Doch tatsächlich ging es nur darum, 14 Milliarden Euro ein wenig umzuschichten, weil das Bundesverfassungsgericht die alte Berechnungsmethode verworfen hatte. Eine Steuererhöhung war nicht geplant.

Mit dem jetzigen Kompromiss kann man leben, denn Steuerdumping wird es nicht geben. Durch die „Öffnungsklausel“ darf zwar künftig jedes Bundesland selbst entscheiden, wie es seine Grundsteuer gestalten will. Aber ein „Standortwettbewerb“ zwischen den Ländern ist verhindert worden, weil das Gesamtaufkommen der Grundsteuer in jedem Land so hoch bleiben muss, wie es bisher war.

Bitter dürfte es allerdings ausgerechnet für die Bayern werden. Ministerpräsident Söder lässt sich jetzt zwar als Held feiern, weil er gegen „Berlin“ und gegen SPD-Finanzminister Scholz die Öffnungsklausel für die Länder durchgesetzt hat. Doch das Scholz-Modell ist viel gerechter als der Söder-Plan, der künftig in Bayern gelten soll.

Scholz wollte nämlich erreichen, dass die Grundsteuer nach dem heutigen Wert der Grundstücke und Bauten berechnet wird. Ein Villenbesitzer am Starnberger See hätte also mehr gezahlt als ein Hausbesitzer in der abgehängten Oberpfalz.

Söders Modell hingegen sieht vor, dass nur die Quadratmeter zählen sollen. Die relativ armen Oberpfälzer zahlen also demnächst genauso viel Grundsteuer wie die Millionäre vom Starnberger See.

Dieses Steuergeschenk für die Reichen in Bayern wurde geschickt verbrämt, indem die Mieter instrumentalisiert wurden. Wahr ist, dass die Grundsteuer auf die Miete aufgeschlagen werden kann. Falsch ist, so zu tun, als wäre jeder Bayer ein armer Mieter in München. Es hätte auch andere Modelle gegeben, um die Mieter in München zu schützen. Unter Söder profitieren vor allem die Millionäre.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Das ist eine Gemeindesteuer mit gemeindlichem Hebesatz.



    Der wird in Starnberg unabhängig vom Hebesatz einer Kommune in der Oberpfalz festgesetzt.

  • Naja, nicht jeder, der ein Grundstück am Starnberger See besitzt, ist flüssiger Millionär oder Einkommenskrösus. Insofern ist die Argumentation hier in der TAZ Schrott.

    Ein Modell bei welchem nach Grundstückswert abgerechnet wird, kann zu weiterer Segregation führen. Soziale Gerechtigkeit kann man nur sehr bedingt über die Grundsteuer herstellen.

    • @Hanno Homie:

      Habe mal "Grundstück am Starnberger See" in die Suchmaschine eingegeben. Menschen mit geringen Einkommen werden da wohl eher nicht leben.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Andreas J:

        Die ein oder andere Oma mit kleinem Häuschen aus viel früheren Tagen und kleiner Rente könnte aber schon auch dabei sein, oder?

      • @Andreas J:

        Am Starnberger See findet m. W. mensch die größte Millionärs-Dichte in ganz Deutschland…

  • Oha.

    1) Das.es zu keinen Steuererhöhungen kommt, wird zwar gerne von den Finanzministern betont, ist jedoch weder vom Verfassungsgericht noch sonstwie gesichert. Da das Ganze von den Kommunen abhängt, welche die Hebesetze festlegen und niemand diese Hebesätze kennt, handelt es sich hierbei um eine sehr steile These der Autorin

    2) Auch nach dem bayerischen Entwurf wird es unterschiedliche Besteuerungen geben, da stets der Flächenwert zu multiplizieren ist. Es wäre schon verwunderlich, wenn der für Starnberg zuständige Gutachterausschuss den gleichen Wert feststellt, wie der Gutachterausschuss in der Oberpfalz.

  • Die Bayern kämpfen als Substitut für Merkel und Co.



    Eine Grundsteuer, die auf einer recht aktuellen Bewertung von Immobilienwert beruht, schließt die Lücke für eine verfassungsgemäße Vermögenssteuer.



    Das fürchtet das oberste Prozent wie der Teufel das Weihwasser, da kommt Söder als Kämpfer üfr die in die Not geratenen Reichen recht.



    Dafür wird allerhand unfug behauptet, dass die Grundsteuer für die Mieter teuer wird, obwohl es wenn überhapt durch die kommunale Bewertung für die sehr teueren Lagen marginale Verschiebungen geben wird. Mit en wenig mathematischem Verständnis wird das offensichtlich.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Blödsinn, über die letztlich tatsächlich zu entrichtenden Steuern entscheiden die kommunalen Hebesätze. Was das Oberpfälzer Dorf bzw Starnberg daraus machen, ist entscheidend.

  • "Unter Söder profitieren vor allem die Millionäre."



    Ach.



    ^^Was für eine Überraschung aber auch?!^^

  • ... das jetzt das nächste Projekt, das vom Verfassungsgericht einkassiert wird?

  • mal eine Frage. Bisher waren ja die Grundsteuern für ansonsten gleiche Immobilien je nach Hebesatz von Kommune zu Kommune mal mehr oder wenig verschieden. Wird der kommunale Hebesatz, der letztendlich über die Höhe der Steuer entscheidet, beibehalten oder soll es einen landesweit einheitlichen geben? Das hätte nämlich auch erheblichste Auswirkungen, nämlich, dass Kommunen mit bisher unterdurchschnittlichem Hebesatz dann auch entsprechende Einnahmeausfälle hätten.



    Man glaube nicht, dass dieser Aspekt "selbsverständlich" im Hinterkopf der beteiligten Akteure wäre.

    • @Chefideologe:

      "Wird der kommunale Hebesatz, der letztendlich über die Höhe der Steuer entscheidet, beibehalten oder soll es einen landesweit einheitlichen geben? "

      Der Hebesatz wird weiterhin von der jeweiligen Kommune festgelegt und die Grundsteuer, als Gemeindesteuer, fließt weiter der Gemeinde zu, in der das Grundstück liegt.

      Darum ist mir der Kommentar, ehrlich gesagt unverständlich.

      Der Münchner hat erstmal überhaupt nichts davon, wenn die Millionäre am Starnberger See mehr Grundsteuer zahlen, die zahlen an ihre Gemeinde. Auch haben reiche Gemeinden überhaupt kein Problem diese Mehreinnahmen zu vermeiden, sollte die Grundsteuereinnahmen steigen, senken die einfach den Hebesatz.

      Natürlich gibt es landeseigene Ausgleichsverfahren, die dort wieder wirksamen Mehreinnahmen verändern die zu leistende Zahlungen, aber das meint die Autorin wahrscheinlich nicht.

      Der Hammer ist eigentlich der Satz, "Eine Steuererhöhung war nicht geplant."

      Die Grundsteuer ist eine Gemeindesteuer, der Bund und Olaf Scholz setzen den gesetzlichen Rahmen, mehr nicht. Sie haben keinen Einfluss darauf, ob die Kommunen den Hebesatz anpassen oder nicht. Der Bund hat gar keine Möglichkeit, außer die Kommunen freundlich zu bitten, eine Erhöhung zu verhindern, das haben die Kommunen über den Städtetag aber bereits zugesagt.

      Grundsätzlich haben sie aber die Möglichkeit, eine Steuererhöhung durch die Reform zu vollziehen.

      "Unter Söder profitieren vor allem die Millionäre." Ja, die in München wohnen, nicht die am Starnberger See.

    • @Chefideologe:

      Nach dem, was ich las, wird der Hebesatz beibehalten.

  • Da sehe ich als negativ Betroffener etwas anders.



    Meine Familie und ich sind die klassischen Normalverdiener.



    Vor Jahren habe ich in einem begehrten Wohngebiet mit viel Glück ein Haus sehr günstig, also weit unter den üblichen Preisen erwerben können.



    Die komplette Renovierung habe ich als Handwerker in Eigenleistung durch geführt.



    Mittlerweile sind die Hauspreise rundum buchstäblich explodiert und mein Haus hat dadurch stark an Wert gewonnen. Davon habe ich aber erst mal gar nichts, schließlich will ich ja darin wohnen und nicht mit Gewinn verkaufen.



    Wäre die ursprüngliche Grundsteuerreform gekommen hätte ich dann aber gemäß den neuen Wohnwerten sehr hohe Grundsteuern entrichten müssen. Und da wäre ich dann schnell an meine finanziellen Möglichkeiten gekommen. Die Folge wäre der Verkauf des Hauses an Besserverdienende gewesen.



    Und So etwas nennt die TAZ dann gerne Gentrifizierung.

    • @sb123:

      Auch Sie müssen nichts befürchten. Da das allgemeine Wertniveau gestiegen ist, wird in einer aufkommensneutralen Reform lediglich eine marginale Verschiebung in ihrer Gegend erfolgen.



      Die Hysterie, die allgemein gepredigt wird, ist einfach auf mathematische Unkenntnis zurückzuführen

    • @sb123:

      Sie verdienen als Familie also etwa 34000 Euro pro Jahre (www.oecdbetterlife...ountries/germany/) oder in anderen Worten, etwa 2800 Euro pro Monat. U.U. meinten Sie mit Familie "kinderloses Paar", denn ansonsten wär ich doch eher überrascht, dass Sie sich ein Haus in einer Stadt leisten können.

      Die Bemerkung bzgl. Mieten verstehe ich allerdings - die TAZ hat vor einiger Zeit darüber geschrieben, dass man in München schlechtergestellt ist, wenn man die Mieten zu niedrig ansetzt (www.taz.de/Politik...-Mieten/!5555133/).

      • @BigRed:

        Nix mit kinderlos, wir haben zwei Kinder.



        Und Arbeit heißt für mich mit den ganzen Eigenleistungen am Haus 50 Stunden die Woche als Regel.



        Es gibt dann halt keinen dicken SUV vor der Tür oder vier Wochen Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff. So etwas brauchen wir aber auch nicht.

        • @sb123:

          Immer diese Voruteile. Was ist einem dicken SUV und vier Wochen Kreuzfahrt (wo macht man so etwas?) so schlimm?



          Wir haben einen Kombi, der genauso viel Platz braucht wie ein großer SUV, mehr kostet als die meisten SUV, und machen acht Wochen Urlaub im Jahr. Nicht auf dem Kreuzfahrtschiff, nicht im Hotel, aber es ist nicht im Dorf nebenan. Klingt alles besser als SUV und Schiff, ist es das auch? Ich glaube nicht.

          • @schwarzwaldtib:

            Ein SUV wäre höher als Ihr Kombi, hat damit einen größen Luftwiderstand und verbraucht daher - anderes gleich gelassen - ca. 20% mehr als ihr Kombi-Fahrzeug, bei weitgehend gleichem Nutzen. Durch die Höhe versperrt es dien Autos dahinter die Sicht und abgestellten den leineren Fuggängern, häufig Kindern-



            Das ist schon schlimm.