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Kommentar Gewalt in der UkraineZweite Front in Kiew

Kommentar von Barbara Oertel

Mit der jüngsten Gewalt hat der Konflikt in der Ukraine eine neue Qualität erreicht. Dem Minsker Abkommen droht die Bedeutungslosigkeit.

Mit den gewalttätigen Protesten von Ultranationalisten am Montag vor dem Parlament in Kiew hat der Konflikt eine neue Qualität erreicht. Foto: ap

A ls ob der ukrainische Präsident Petro Poroschenko nicht schon genug Probleme hätte! Im Donbass wird – dem Minsker Abkommen vom Februar zum Trotz – weiter gekämpft, und fast täglich sind neue Opfer zu vermelden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich die ukrainische Armee und die prorussischen Kämpfer jetzt gnädigerweise auf eine Waffenruhe verständigt haben, um den Kindern ihren Schulanfang am 1. September nicht zu „verderben“.

Doch mit den gewalttätigen Protesten von Ultranationalisten am Montag vor dem Parlament in Kiew, bei denen zwei Menschen getötet und über 100 verletzt wurden, hat der Konflikt um die Regionen Donezk und Lugansk eine neue Qualität erreicht.

Denn mit ihnen könnte eine zweite Front eröffnet worden sein, die mitten durch die ukrainische Hauptstadt verläuft. Es ist schon bemerkenswert, wenn Regierungschef Arseni Jazenjuk in einer ersten Reaktion auf die Ausschreitungen zu Protokoll gibt, dass die Demonstranten „schlimmer“ seien als die „von Russland unterstützten Kämpfer“ in der Ostukraine. Er hätte schon vorher wissen können, dass radikale Nationalisten wie Oleg Ljaschko nicht kleinlich sind, wenn es darum geht, ihre politischen Ziele durchzusetzen.

Für sie ist jeder Versuch, mittels einer Änderung der Verfassung eine Dezentralisierung des Landes herbeizuführen, die nolens volens auch den Status quo in den umkämpften Gebieten festschreibt, nichts anderes als Verrat. Dass jedoch auch einige von Poroschenkos sogenannten proeuropäischen Koalitionspartnern das so zu sehen scheinen, sollte nicht nur dem Präsidenten zu denken geben.

Um die Verfassungsreform zu verabschieden, braucht es bei der nächsten Abstimmung eine Zweidrittelmehrheit. Im Moment deutet alles darauf hin, dass dieses Quorum nicht zustande kommt. Und was dann? Dann wäre das Minsker Abkommen endgültig tot.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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4 Kommentare

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  • Einer der seltenen Artikel über die Ukraine, die man nicht unbedingt kritisch kommentieren muss. Geht doch! Vielen Dank.

  • Überraschung: Nazis sind, naja, nun eben:

     

    Nazis.

     

    Wer hätte das gedacht?

  • Tja , jetzt müssten "Die Guten der neuen Friedensordnung" , also BigBrotherNatoEU , nach dem gelungenen regime change nur noch das Volk in der Ukraine auswechseln . Am besten mit den Millionen Flüchtlingen aus den regime change Ländern des Nahen Ostens .

  • Katrin hat gesagt es wird ein schwieriger Weg mit der Demokratie in der Ukraine aber Faschisten werden niemals unterstützt. Basta.