Kommentar Geplatzte Pkw-Maut: Wie man richtig diskriminiert
Nach dem Stopp der Maut könnte das Verkehrsministerium aufhören, Ausländer diskriminieren zu wollen. Mit Steuererhöhungen kann man beginnen.
V ielleicht könnte in Deutschland jetzt mal jemand Verkehrspolitik machen. Vermutlich sitzen im Verkehrsministerium kluge Leute, die Lust darauf hätten, aber seit 2014 ihre intellektuellen Kapazitäten darauf verschwenden mussten, einen Gedankenfurz von Exverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) umzusetzen: Der wollte unbedingt Rache für die Deutschen, die im Ausland ständig Autobahnvignetten an die Windschutzscheibe kleben müssen, während die verflixten Ausländer kostenfrei über unsere heiligen Verkehrswege brettern.
Freilich hätte man einfach eine Maut einführen können, die alle zahlen. Aber in Deutschland gilt eben, dass du als Verkehrsminister den letzten Mist machen darfst, nur eines darfst du nicht: die Autofahrenden mehrbelasten. Es sei denn, sie sind Ausländer. So haben Dobrindt und sein Nachfolger Andreas Scheuer ihre Maut gestaltet, weshalb jetzt der Europäische Gerichtshof zu Recht geurteilt hat, dass damit Ausländer diskriminiert werden.
Vor allem aber hat das Gericht eines geschrieben: dass die Diskriminierung nicht durch andere Aspekte gerechtfertigt sei, etwa durch Umwelterwägungen. Und hier wird es interessant. Deutschland hatte argumentiert, mit der Maut wolle man Autofahrer nach dem Verursacherprinzip besteuern. Das hat der EuGH als vorgeschoben entlarvt, wäre aber eine echte Revolution, würde man es ernst nehmen. Dann müsste, wer viel fährt und viel CO2 oder Feinstaub ausstößt, auch die Kosten tragen, die er für die Gesellschaft verursacht. Genau das braucht es in Sachen Klimaschutz.
Dafür müsste man nicht einmal ein kompliziertes Mautsystem auf allen Straßen einführen. Man könnte auch schnörkellos die Steuern auf Benzin und Diesel allmählich erhöhen. Und die Einnahmen den Bürger*innen über eine Senkung der Stromsteuer zurückgeben. Uralte Idee. Würde nebenbei Elektroautos wirtschaftlicher machen und könnte man sogar am CSU-Stammtisch verkaufen: Die höheren Steuern würden ja auch Ausländer an der Zapfsäule zahlen. Und nur die Deutschen durch Steuersenkungen davon profitieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers