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Kommentar Gaza-Resolution der LinkenTäter, Opfer und Opportunisten

Kommentar von Martin Reeh

Beschlüsse zu Israel werden in der Linkspartei zum taktischen Spielball. Das Bekenntnis zu Palästina ist für manche offenbar eine Strategie.

Ausschreitungen im Juli 2018 an der Grenze zu Israel Foto: dpa

Wer sich als Opfer begreift, hat oft keine Probleme damit, andere zum Opfer zu machen“, schreibt Herfried Münkler in seinem neuen Buch über den 30-jährigen Krieg und die Schlüsse, die die Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert daraus zogen. Es ist ein Satz, den viele Linke nicht mögen, weil sie Opfern uneingeschränkt vertrauen – auch wenn diese längst eigene Untaten begehen.

Vielleicht passt das Münkler-Zitat außenpolitisch in den letzten Jahrzehnten auf niemanden so gut wie die Palästinenser und insbesondere die Hamas. In den 1990er Jahren und während der Zweiten Intifada hat die Hamas den Friedensprozess durch Attentate auf Zivilisten kaputt gebombt. Als sich Israel aus Gaza zurückzog, schoss sie von dort Raketen.

Jetzt im Frühjahr unterstützte die Hamas den „Großen Rückkehrmarsch“, der schon deshalb politisch verheerend ist, weil es keinen Frieden geben wird, solange die palästinensische Seite darauf beharrt, dass die Nachkommen der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in das heutige Israel zurückkehren. Die Hamas wusste, wie die Israelis auf Angriffe an den Grenzzäunen reagieren würde. Sie brauchte aber Bilder von Opfern – und hat sie geliefert bekommen.

Das rechtfertigt nicht das überharte israelische Vorgehen, sollte aber davor bewahren, die Sichtweise der Hamas zu übernehmen. Schon aus Sympathie für Palästinenser: Je mehr uneingeschränkte Solidarität für die Aktionen am Zaun von Gaza eingeht, desto eher wird die Hamas bereit sein, noch mehr Jugendliche dort zu verheizen.

Mit Kalkül arbeitet aber nicht nur die Hamas, sondern auch der Bundesvorstand der Linkspartei. Nur für einige ist das Bekenntnis zu Palästina eine Herzensangelegenheit, für andere offenbar eine taktische Maßnahme, um das Bündnis des Parteivorstands mit dem linksradikalen Flügel zu sichern. Beschlüsse zu Israel werden zum taktischen Spielball. Das ist das fatale Signal, das von dem Gaza-Beschluss der Linkspartei ausgeht. In ihm wird nur Israel für sein Vorgehen am Zaun angegriffen – und der palästinensische Opfermythos bestärkt.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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8 Kommentare

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  • Woran erkennt man eine "antisemitisch motivierte" Israelkritik? Auf beiden Seiten gibt es tatsächlich viel Obsessives! Die Lehrformel "Existenzrecht Israels' gehört leider dazu. Warum nicht den Mund halten und erst mal Tom Segevs Ben Gurion-Biografie lesen. Ohne dıe Anerkennung der gewaltsamen Vertreibung der Palästinenser wird keine seriöse Diskussionsgrundlage zu finden sein.

  • "die Hamas sind einge wenige der Palästinenser, ihre Verbrechen sind also nur die Verbrehcen der Hamas im Namane der Hamas. Die Kriegsverbrechen Israels werden von einen angeblich legitimen Staat begannen im Namen seiner Bevölkerung also aller Israelis. "

    Danke für diese Darstellung. Für mich grenzt sie nicht nur an Volksverhetzung, sondern ist ein klassisches Beispiel für durch und durch antisemitisch motivierte Israelkritik, wie man sie im Netz immer häufiger findet und den Anstieg des Antisemitismus in Deutschland schön belegt.

    • @Nicky Arnstein:

      @HERRVONSINOPE

  • Wenn die palästinensische Seite darauf beharrt in die Gebiete von 1948 zurückzukehren, ist das nicht richtig. Als die zionistische Bewegung ab Ende des 19. Jhs. das Ziel hatte einen jüdischen Staat in Palästina zu gründen, war das richtig, obwohl ihre Mitglieder mehrheitlich nicht aus Palästina stammten. Wollen Sie das damit sagen? Man kann die Hamas beschuldigen, denn sie will den Frieden tatsächlich nicht, was man aber auch von der israelischen Regierung sagen kann. Beide wollen diesen Krieg, er dient dem Machterhalt. Aber eigentlich liegt die Verantwortung für diesen unlösbaren Konflikt in Europa. Die aufgeklärten, zivilisierten Europäer haben 6 Mio. Juden nicht vor den mordenden Nazis beschützt. Im Gegenteil sie machten mit oder schauten einfach weg. Auch die Alliierten schafften es nicht, Juden vor weiteren Progromen in der Nachkriegszeit zu retten, sie schlossen ihnen sogar noch die Fluchtroute. Was hätten die Überlebenden tun sollen, ausser nach Palästina zu flüchten? Aber diese Flucht war der Anfang der Vertreibung der ansässigen Palästinenser. Ich weiss nicht, wem man in dieser Situation ein Recht absprechen sollte. Aber ich weiss mit Sicherheit, dass wir Europäer uns die Situation sehr einfach machen. Entweder Israel kritisieren oder die Hamas oder sonst wer, aber einen ernsthaften Beitrag zur Lösung dieses Konfliktes leisten, der m. E. aus der europäischen Schuld heraus, ganz selbstverständlich sein müsste, das kriegen wir nicht auf die Reihe. Wir streiten uns nur darüber, welche der Kriegsparteien recht hat oder wer die Bösen sind und tun so als hätten wir weiter mit dieser Geschichte nichts zu tun. Ein denkwürdiges Beispiel dieser Haltung war ein Satz von Frau Merkel vor ein paar Jahren: "Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung". Mehr war da nicht.

    • @ecox lucius:

      Guter Kommentar. Die Lage ist festgefahren. Der Konflikt ist lösbar, doch nur dann, wenn beide Seiten bereit sind, Abstriche hinzunehmen und Kompromisse einzugehen. Grundsätzlich muss aber zunächst die Bereitschaft vorhanden sein, den Konflikt lösen zu wollen und sich auf Augenhöhe zu begegnen.

  • Israel kann ruhig Kritik vertragen, davon bekommen sie viel zu wenig ab.



    Wie hier richtig dargestellt wird ist es ja auch so: die Hamas sind einge wenige der Palästinenser, ihre Verbrechen sind also nur die Verbrehcen der Hamas im Namane der Hamas. Die Kriegsverbrechen Israels werden von einen angeblich legitimen Staat begannen im Namen seiner Bevölkerung also aller Israelis. Auch wenn mir klar ist, dass nicht alle Israelis das so wollen, besteht hier ein gewaltiger Unterscheid.



    Wie dieser Artikel betont sind beide Seiten im Unrecht, schlimmist einfach, dass eine Seite poltische Souveränittät besitzt und offziell mit Waffen unterstützt wird von Ländern in denen angeblich Menschenrechte wichtig sind

    • @HerrvonSinope:

      Sie vergessen zu erwähnen, dass die Hamas mit Geld aus dem Ausland unterstützt wird. Von der UNO, der EU und anderen Staaten.



      Somit stellt sich die Frage, ob nicht auch diese Unterstützung eingestellt werden müsste, da damit Menschenrechtsverletzungen gefördert werden.



      Zumal die Hamas nicht nur den Terror gegen Israel verübt sondern auch nach Innen Menschenrechtsverletzungen begeht.

      Gleichzeitig teile ich nicht Ihre Auffassung, bei der Hamas handele es sich um eine kleine Gruppe, die nichts mit den übrigen Palästinensern zu tun hat. Grade die Angriffe gegen Israel finden große Unterstützung in der breiten Bevölkerung.

  • Genau an solchen unverzeihlichen Schwachstellen werden die Linken letztendlich scheitern.