Kommentar Friedensbewegung: Der irrationale Rest
Das Bündnis, das am 13. Dezember vor Schloss Bellevue demonstrieren will, ist keine Friedensbewegung. Es ist eine Bewegung gegen den Westen.
N ur auf den ersten Blick ist es ein unwahrscheinliches Bündnis, das gemeinsam zur Demonstration vor Schloss Bellevue am 13. Dezember aufruft: Die Verschwörungstheoretiker der Montagsdemos und die traditionelle Friedensbewegung sammeln sich unter einem Dach.
Auf den zweiten Blick gibt es Gemeinsamkeiten: Die Neigungen zu wüsten Theorien über die Steuerung der deutschen Presse von oben teilt etwa der nach Antisemitismusvorwürfen entlassene frühere RBB-Moderator Ken Jebsen mit Albrecht Müller, dem Herausgeber des ansonsten durchaus lesenswerten Internetmagazins Nachdenkseiten. Manche der Unterzeichner hielten es schon zu Mauerzeiten mit der DDR-Führung gegen den angeblich imperialistischen Westen. Sie haben sich ihre alten Feindbilder erhalten, die von den Montagsdemonstranten erst jetzt neu entdeckt werden. Alle gemeinsam stehen unter einem Aufruf, in dem der Westen als Alleinschuldiger der Ukraine-Krise benannt wird und Russland nur als Opfer verkommt.
Viele Linke, die in innen- und wirtschaftspolitischen Fragen längst pragmatisch und rationalen Argumenten zugänglich geworden sind, haben den irrationalen Rest ihrer Ansichten in die Außenpolitik verbannt. Das macht Bündnisse von Attac-Vorkämpfern und Linkspartei-Abgeordneten mit den Wirrköpfen der Montagsdemos möglich; das befördert eine Weltsicht, in der Joachim Gauck als gefährlicher gilt als Assad oder der Islamische Staat.
Dabei hätte eine Friedensbewegung derzeit jede Existenzberechtigung. Sie könnte Flüchtlingen aus Syrien und den dortigen Kurden helfen oder eine gewaltfreie Lösung in der Ukraine unterstützen. Was am 13. Dezember vor Schloss Bellevue demonstriert, ist aber keine Friedensbewegung, sondern eine gegen den Westen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau