Kommentar Fleischkonsum und Klima: Ran an die Buletten!
Tiere essen ist böse für’s Klima, und deshalb soll Fleischkonsum höher besteuert werden. Das ist doch Quatsch.
N a, heute schon in ein Salamibrötchen gebissen oder Schinken auf die Stulle gelegt? Schämen Sie sich! Dafür mussten Tiere sterben, und schlecht für’s Klima und Ihre Gesundheit ist es auch. Macht Ihnen nix? Die Bundesumweltministerin wird Ihnen die Hammelbeine schon lang ziehen; sie will den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Fleischprodukte abschaffen. Ernährungserziehung mit dem Steuerknüppel, prost Mahlzeit.
Sicher wäre es sinnvoll, wenn die Deutschen weniger Fleisch essen würden. Aber der Vorschlag ist daneben, aus prinzipiellen Gründen. Den ermäßigten Mehrwertsteuersatz gibt es ja, weil Fleisch ein Grundnahrungsmittel ist. Eine fleischlose Ernährung ist, zumindest für Kinder, nicht empfehlenswert; schon deshalb darf steuersystematisch nicht bestraft werden, wer sich und seine Kinder ausgewogen ernährt. Dass viele viel zu viel Fleisch mampfen, tut dabei nichts zur Sache.
Klar, Fleischmahlzeiten sind klimaschädlicher als vegetarische. Aber: Auch Käse und Milch sind klimaschädlicher als vegetarische Pastete und Pfefferminztee – und Vegi-Paste und Pfefferminztee sind klimaschädlicher als Nüsse aus dem Garten und Leitungswasser. Mit dem Klimaschutz ließe sich fast jede Steuererhöhung beim Essen begründen – aber irgendetwas muss der Mensch verspeisen. Die Alltagsnahrungsmittel sollte er daher zum ermäßigten Steuersatz bekommen, weil Essen ein Grundrecht ist und kein Luxus.
Im Mehrwertsteuersystem gibt es viele Kuriositäten und Ungerechtigkeiten, die abgeschafft gehörten. Zum Beispiel die Ermäßigung auf Tierfutter, aber den vollen Satz auf Strom und Medikamente. Dennoch: Jetzt eine weitere Unstimmigkeit hinzuzufügen, das ergibt keinen Sinn.
Was aber tun gegen zu viel Fleischkonsum? Ganz einfach, das Image der Alternativen muss aufgewertet werden, vor allem für Männer: Tofu statt Hähnchen im asiatischen Restaurant, Champignoncreme statt Leberwurst zum Abendbrot, Kartoffeln mit Quark statt mit Schweinebraten. Und schon die Schulen dürfen Aufklärung leisten, wo die Buletten herkommen: Exkursionen im Bio-Unterricht könnten nicht nur zum Blümchen zählen auf die Wiese führen, sondern auch in Massenställe, Schlachthöfe und Fleischereien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?