Kommentar Eskalation in der Ostukraine: Um eine Hoffnung ärmer

Vieles spricht dafür, dass der Angriff auf Mariupol auf das Konto der Aufständischen geht. Doch man sollte vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen.

Sonntag in Mariupol: vom Raketenbeschuss zerstörte Autos. Bild: ap

Mit dem Angriff auf Mariupol sind alle, die geglaubt hatten, die Konfliktparteien hätten die Waffenstillstandslinie als Trennlinie akzeptiert, einer Hoffnung beraubt. Angriff ist die beste Verteidigung, scheint nun das Motto zu sein. Möglicherweise werden bald weitere Orte im Gebiet Donezk nicht mehr von Kiew kontrolliert werden. Die derzeitige militärische Stärke der Aufständischen ist nicht nur auf eine die gesamte männliche Bevölkerung erfassende Rekrutierung zurückzuführen. Ohne russische Soldaten wären die Aufständischen in der Defensive.

Auch die Kiewer Zentralregierung greift an. Ihre Wut ist nachvollziehbar. Gnadenlos hatten die Aufständischen die ukrainische Öffentlichkeit gedemütigt. Nach der Einnahme des Flughafens von Donezk wurden die dort gefangen genommenen Soldaten entwürdigend in der Öffentlichkeit präsentiert. Jeder Ukrainer kann sich davon auf YouTube ein Bild machen.

Vieles spricht dafür, dass der Angriff auf Mariupol auf das Konto der Aufständischen geht. Doch wir sollten vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen. Zu viele Ungereimtheiten hatte es in der Vergangenheit bei ähnlichen Tragödien gegeben.

Noch immer ist nicht aufgeklärt, wer die Erschießung von hundert Maidan-Aktivisten in Kiew zu verantworten hat. Ähnlich ist es mit den Toten des Brandes des Gewerkschaftshauses in Odessa. Dort waren am 2. Mai des vergangenen Jahres einige Dutzend Anti-Maidan-Aktivisten bei einem Brand ums Leben gekommen. Und auch zum Angriff auf einen Bus in Wolnowacha gibt es widersprüchliche Erklärungen.

Inzwischen wollen sich die Donezker Separatisten nicht mehr an Friedensverhandlungen beteiligen. Aber auch Kiew scheint derzeit Verhandlungen nicht als erstrangige Option anzusehen.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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