Kommentar Eskalation in der Ostukraine: Um eine Hoffnung ärmer
Vieles spricht dafür, dass der Angriff auf Mariupol auf das Konto der Aufständischen geht. Doch man sollte vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen.
M it dem Angriff auf Mariupol sind alle, die geglaubt hatten, die Konfliktparteien hätten die Waffenstillstandslinie als Trennlinie akzeptiert, einer Hoffnung beraubt. Angriff ist die beste Verteidigung, scheint nun das Motto zu sein. Möglicherweise werden bald weitere Orte im Gebiet Donezk nicht mehr von Kiew kontrolliert werden. Die derzeitige militärische Stärke der Aufständischen ist nicht nur auf eine die gesamte männliche Bevölkerung erfassende Rekrutierung zurückzuführen. Ohne russische Soldaten wären die Aufständischen in der Defensive.
Auch die Kiewer Zentralregierung greift an. Ihre Wut ist nachvollziehbar. Gnadenlos hatten die Aufständischen die ukrainische Öffentlichkeit gedemütigt. Nach der Einnahme des Flughafens von Donezk wurden die dort gefangen genommenen Soldaten entwürdigend in der Öffentlichkeit präsentiert. Jeder Ukrainer kann sich davon auf YouTube ein Bild machen.
Vieles spricht dafür, dass der Angriff auf Mariupol auf das Konto der Aufständischen geht. Doch wir sollten vorsichtig sein mit vorschnellen Urteilen. Zu viele Ungereimtheiten hatte es in der Vergangenheit bei ähnlichen Tragödien gegeben.
Noch immer ist nicht aufgeklärt, wer die Erschießung von hundert Maidan-Aktivisten in Kiew zu verantworten hat. Ähnlich ist es mit den Toten des Brandes des Gewerkschaftshauses in Odessa. Dort waren am 2. Mai des vergangenen Jahres einige Dutzend Anti-Maidan-Aktivisten bei einem Brand ums Leben gekommen. Und auch zum Angriff auf einen Bus in Wolnowacha gibt es widersprüchliche Erklärungen.
Inzwischen wollen sich die Donezker Separatisten nicht mehr an Friedensverhandlungen beteiligen. Aber auch Kiew scheint derzeit Verhandlungen nicht als erstrangige Option anzusehen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Gedenken an Hanau-Anschlag
SPD, CDU und FDP schikanieren Terror-Betroffene
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße