Kommentar Eroberung Afrins: Moment des Triumphs
Viele Türken sehen Erdoğan als einen ihrer großen Sieger. Auch wenn er in Syrien kein Gebiet besetzen will, wird er dort doch die Fäden ziehen.
E s ist ein Triumph für Recep Tayyip Erdoğan. Ausgerechnet am 18. März, dem Tag, an dem in der Türkei der Sieg an den Dardanellen im Ersten Weltkrieg gefeiert wird, kann er jetzt die Einnahme von Afrin verkünden.
Für die Mehrheit seiner Landsleute steht er damit in der Tradition der großen türkischen Sieger und Eroberer. Als Mehmet II. 1453 Konstantinopel einnahm, erhielt er den Beinahmen „Fatih“, der Eroberer. Am liebsten würden seine Fans Erdoğan bereits jetzt mit diesem Beinamen schmücken.
Mit der weitgehenden Eroberung der Stadt Afrin dürfte der kurdische Widerstand im ganzen Kanton gebrochen sein. Die überlebenden Kämpfer der Kurdenmiliz YPG werden versuchen, sich in ihre verbleibenden Gebiete im Osten Syriens zurückzuziehen. Erdoğan wird nun als nächstes versuchen, Manbidsch zu erobern, den letzten Zipfel, den die YPG westlich des Euphrats noch kontrolliert. Gelänge ihm das, dann würde er den nördlichen Teil Syriens vom Euphrat bis einschließlich der Provinz Idlib beherrschen.
Auch wenn Erdoğan behauptet, die Türkei wolle kein syrisches Gebiet besetzen, so soll dies doch die Einflusszone werden, in die als nächstes so viele syrische Flüchtlinge wie möglich zurückkehren sollen. Auch wenn dort befreundete syrische Milizen die Verwaltung übernehmen, wird die Türkei letztlich die Fäden ziehen.
Damit zeichnen sich die Konturen der künftigen Teilung Syriens ab. Wenn Assads Truppen erst die Ost-Ghouta erobert haben und die letzten Dschihadisten nach Idlib abziehen, kontrolliert Assad wieder die Trümmer aller großen Städte des Landes. Für die Kurden bleibt dann das Gebiet östlich des Euphrats, falls die USA sie dort weiterhin unterstützen. Sollte Washington die Kurden fallen lassen, wird Erdoğan seinen Vormarsch entlang der Grenze fortsetzen und versuchen, die kurdischen Autonomieträume zu zerschlagen. Möglich, dass er sich damit übernimmt. Erst einmal aber triumphiert er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?