piwik no script img

Kommentar EU im Konflikt USA-IranDie Koalition der Unwilligen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die Möglichkeiten der EU, auf Trump im Atomstreit einzuwirken, sind beklagenswert begrenzt. Doch in Teheran muss offensiv vermittelt werden.

Bei DemonstrantInnen in Teheran unbeliebt: US-Präsident Donald Trump Foto: ap

U S-Flugzeugträger im Golf, aufgekündigte Abkommen, eine zusehends aggressive Rhetorik aus Washington – all das erinnert an den Überfall von Georg W. Bush auf den Irak 2003. Damals ebneten die USA mit Fake News über Saddam Husseins Biowaffen dem illegalen Angriffskrieg gegen den Irak den Weg. 2019 arbeitet Trump, unterstützt von Netanjahu, mit dem gleichen Mittel – der durch nichts belegten Unterstellung, dass Iran trotz Atomabkommen sich klandestin Atomwaffen beschafft.

Wie 2003 dienen die Fake News dem gleichen Ziel: Stimmung machen für einen Militärschlag, der irgendwann unausweichlich erscheinen soll. Bush gelang es 2003, so die EU zu spalten und Großbritannien, Polen und die Niederlande als Verbündete in der Koalition der Willigen zu rekrutieren.

Die Möglichkeiten der EU und die Chancen Deutschlands, auf Trump einzuwirken, sind beklagenswert begrenzt. Die EU wirkt wie ein Zuschauer in einem Spiel mit fataler Eigendynamik. Denn Trumps unverblümte Aggression stärkt in Teheran die Falken. Doch Europa hat ein vitales Eigeninteressen an einer Deeskalation. Ein Krieg würde Migrationsströme in Gang setzten, Chaos und failed states hinterlassen, wie 2003. Die EU darf sich keinesfalls spalten lassen oder ins scheinbar Unausweichliche fügen. Sie muss, wenn sie bei Trump auf taube Ohren stößt, dämpfend auf Saudi-Arabien und Israel einwirken, denen ein Krieg gegen Iran gelegen käme.

Berlin hat ein recht gutes Verhältnis zu Teheran. Diese Regierung sollte nun endlich ihre seltsam ambitionslose, diffuse Außenpolitik beenden. Das heißt: in Teheran offensiv, gemeinsam mit Paris und London, vermitteln, trotz der Erpressung der USA weiter versuchen, Handelsbeziehungen mit dem Iran zu halten (und damit Einfluss) – und in Washington die Kosten eines Krieges klar machen. Trump ist wohl noch irrer als Bush und desinteressiert an Multipolarem. Das Mindeste für die EU ist – sich nicht auseinander dividieren lassen. Die EU muss die Koalition der Unwilligen sein. Es wäre was Neues.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    Da eine Militärische Intervention der USA im Iran gegen das Völkerrecht verstoßen würde , welches ausschließlich Interventionen zu Humanitären Zwecken oder zur Selbstveteidigung zulässt - welches beides auf eine Militär. Intervention im Iran nicht zutrifft da dieser weder die USA angegriffen hat noch damit drohte - sind die Chancen sehr groß das die USA u.a. vor dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte & dessen Kriegsverbrechertribunal wiederfinden & verurteilt werden sobald sie einen Angriffskrieg - wie z.Bsp. den Völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Irak - gegen den Iran beginnen .

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Den Kommentar von Herrn Reinecke und die Hinweise auf das Desaster von 2003 im Irak finde ich sehr wichtig und gut.



    Nur, wenn ich lese: 'beklagenswert begrenzt', habe ich den Eindruck, daß entweder Wirtschaft und Geld Europa leider nicht ermöglichen, moralisch sauber zu bleiben oder, daß Europa doch einfach ein Sklave der USA ist.



    In beiden Fällen sollte sich Europa schämen und sich schnellstens auf Eigenständigkeit und Moral besinnen.

  • Alles schön und richtig und theoretisch wären die EU-Staaten bevölkerungsmäßig 1,5x so groß wie die USA, da müssten wir eigentlich ein Gegengewicht sein können.



    Der deutlich größere EU-Wirtschaftsraum erwirtschaftet aber eben nur ein ganz klein wenig mehr als die USA, militärisch gesehen sind wir eine Gruppe Klein- und Kleinststaaten, so dass wir politisch weder für Israel noch den Iran eine ernstzunehmende Rolle spielen.



    Daran wird sich in den nächsten Jahren nichts ändern. Eher das Gegenteil: Durch den Brexit und den gleichzeitigen Aufstieg Chinas wird die EU wirtschaftlich, militärisch und damit auch politisch weiter an Bedeutung verlieren.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Martin74:

      Das stimmt alles. Was empfehlen Sie?



      Soll Europa militärisch aufrüsten, um wieder eine Rolle zu spielen? Soll Europa eine zurückgenommene und ökologische Wirtschaftspolitik anstreben, ohne die Allmachtsfantasien der Amerikaner zu bedienen?

  • Info.- Empfehlung:

    "Die große Heuchelei" — Diskussion mit Jürgen Todenhöfer & Sahra Wagenknecht



    www.youtube.com/watch?v=BlKrBoPFioQ