Kommentar Dieselgipfel: Das Staatsversagen geht weiter
Der Dieselgipfel wird keine wirksame Lösung bringen, solange die Politik sich weiter den Willen der Autoindustrie aufzwingen lässt.
S chon jetzt steht fest: Der groß angekündigte „Dieselgipfel“, der an diesem Mittwoch im Verkehrsministerium stattfindet, wird keine wirksame Lösung für die giftigen Abgase bringen. Denn helfen würde allein, alle Dieselmotoren, die die Grenzwerte nicht einhalten, zwangsweise nachzurüsten oder die Fahrzeuge zu verschrotten und den Kunden sauberen Ersatz anzubieten.
Doch die Kosten für diese Lösung will die Politik der Industrie nicht zumuten. Darum geht es beim Treffen von Politik und Industrie vor allem um eine Änderung der Software in den Autos. Das erweckt den Anschein von Aktivität, löst das Problem aber nicht einmal ansatzweise. Das Staatsversagen, das den Dieselskandal ermöglicht hat, geht damit in eine neue Runde.
Mit hohen Parteispenden, der Einstellung ehemaliger Spitzenpolitiker und der Drohung mit Arbeitsplatzverlust zwingt die Autoindustrie bisher jeder Regierung ihren Willen auf: CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt erklärt es zu einer legalen „Ausnahme“, wenn die Abgasreinigung zu mehr als der Hälfte der Zeit abgeschaltet wird.
SPD-Ministerpräsident Stephan Weil findet nichts dabei, im VW-Aufsichtsrat zu sitzen und beim Gipfel neue Subventionen für sein Betrugsunternehmen zu fordern. Und selbst in Stuttgart, wo die Grünen den Ministerpräsidenten und den Bürgermeister stellen, müssen Fahrverbote – gegen den erbitterten Widerstand der Politik – vor Gericht erzwungen werden.
Erst durch den Druck, den Umweltverbände mit ihren erfolgreichen Klagen gegen die Überschreitung der Grenzwerte erzeugt haben, ist der Dieselgipfel überhaupt zustande gekommen. Doch mitreden dürfen Umwelt- und Verbraucherschützer heute nicht – das Autokartell aus Politik und Industrie bleibt lieber unter sich. Besser können Regierung und Konzerne kaum demonstrieren, dass sie aus dem Skandal nichts gelernt haben. Fortschritte werden also weiterhin vor Gericht erkämpft werden müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr