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Kommentar Bundeswehr gegen den ISGar nicht!

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Deutschland sollte sich aus dem Krieg in Syrien heraushalten. Den „Islamischen Staat“ bekämpft man, indem man seine Geldströme austrocknet.

So gefällt es dem Kalifen: Flugzeuge aus dem Westen werfen Bomben auf Syrien. Foto: dpa

W as wollte der IS mit seiner Anschlagsserie erreichen? Er hat ja nicht nur in Paris zugeschlagen, sondern auch in Ankara, Beirut und zuletzt in Tunis, und er hat ein russisches Flugzeug über dem Sinai zum Absturz gebracht. Der IS setzt schon lange alles daran, die ganze Welt gegen sich aufzubringen.

Nun will er mit seinem Terror offenbar die Regierungen all der betroffenen Länder zum gemeinsamen Gegenschlag provozieren und sie zum Kampf herausfordern. Eine Entscheidungsschlacht in Syrien, das entspricht der apokalyptischen Endzeit-Ideologie dieser Terrorsekte.

Frankreich tappt reflexhaft in diese Falle und wiederholt den Kardinalfehler der westlichen Außenpolitik nach 9/11: zu glauben, eine Demonstration militärischer Stärke würde die Dinge zum Besseren wenden. Dabei zeigt die Außenpolitik der vergangenen Jahre genau das Gegenteil: Jede westliche Militärintervention im neuen Jahrtausend hat die Zustände in den Ländern, deren Bevölkerungen eigentlich „befreit“ werden sollten, zum Teil dramatisch verschlimmert. Das gilt vor allem für Libyen und den Irak, wo die militärische Einmischung des Westens die Entstehung und Ausbreitung des IS erst ermöglicht hat. Es ist erschreckend, wie der Dschihadismus seit dem 11. September 2001 an Terrain gewonnen hat.

Der Westen steht vor dem Scherbenhaufen seiner Außenpolitik. Er ist in Afghanistan und Mali gescheitert und hat die Zerstörung des Iraks und Libyens befördert. In Syrien hat er etwas vorschnell die Parole „Assad muss weg!“ ausgerufen. Nun muss er zähneknirschend zusehen, wie Wladimir Putin dem syrischen Diktator aktiv zur Seite springt. Die Bombardements Russlands, aber auch Frankreichs und der USA, tragen jedoch dazu bei, die Zahl der zivilen Opfer zu erhöhen und die Bevölkerung zusammenzuschweißen – hinter dem IS, ausgerechnet.

Nicht noch mehr Unheil anrichten

Dass Deutschland sich nicht am Krieg in Libyen beteiligen wollte, hat sich im Rückblick als richtige Entscheidung herausgestellt. Es sollte sich auch aus dem Krieg in Syrien heraushalten und Frankreich davon abhalten, dort nur noch mehr Unheil zu stiften.

So unbefriedigend es klingt: Wir werden mit dem IS wohl noch eine ganze Weile leben müssen – so wie mit Syriens Diktator Assad auch. Bekämpfen muss man sie, indem man sie isoliert, ihre Geldströme austrocknet und einen langen Atem beweist. Die UNO sollte dabei eine größere Rolle spielen. Mit Bomben und Bodentruppen wird man kurzfristig wenig ausrichten können, zumal ja noch völlig unklar ist, wer die Region regieren könnte, sollte der IS einmal geschlagen werden.

Statt sich an einem militärischen Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu beteiligen, sollte der Westen mehr Flüchtlinge aus der Region aufnehmen. Das Geld für die Rettung dieser Menschen ist jedenfalls besser angelegt als in den Kassen der Waffenindustrie. Deutschland sollte deshalb mit gutem Beispiel vorangehen und großzügig Flüchtlinge aufnehmen, statt sich jetzt auch noch selbst am Blutvergießen in Syrien zu beteiligen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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32 Kommentare

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  • Der Einsatz der Bundeswehr über und vor Syrien wird zum nächsten teuren Desaster führen. Was ist aus „unserem“ Kundus geworden? Die Taliban beherrschen die Region und bedrohen ständig die Stadt. Demokratie, Entwicklung der Infrastruktur, Bildungseinrichtungen auch für Mädchen, alles ist unmöglich geworden – nach wie vielen Toten und Verwundeten? Wer übernimmt die Verantwortung für diese ungeheure Fehlinvestition?

    Ergänzend zu der von Daniel Bax geforderten Alternative, im Westen mehr Flüchtlinge aufzunehmen, sollte sich „der Westen“ dringend um die Flüchtlingslager in der Türkei, im Libanon, in Jordanien kümmern. Eine Dokumentation des ZDF zeigte kürzlich die dortigen Zustände auf. Wer eine Beschreibung für die Hölle sucht, sollte sich diesen Film ansehen: bedrückende Enge, bei weitem nicht genügend Nahrungsmittel, kein wenigstens halbwegs sauberes Trinkasser, Leben in den eigenen Fäkalien, nicht der geringste Schutz vor dem Winter, Krankheiten vor allem unter Kindern, Seuchengefahr. Jeder, der gesunde Beine hat, wird dieser Hölle entfliehen, um zu überleben. Kriegsfähige junge Menschen werden den Werbern des IS folgen, um regelmäßig Nahrung, einen hygienischen Unterschlupf und – wie scheinbar auch immer – eine soziale Bindung zu haben.

    Wer ernsthaft weniger Flüchtlinge und weniger Zulauf zum IS will, muss mit erster Priorität diese Lager bewohnbar machen. Das viele Geld für den Einsatz der Bundeswehr würde hier der Bekämpfung des IS dienen und ihm nicht weiteren Nachwuchs zuführen.

  • Ihre Stimme gegen ein militärisches Eingreifen Deutschalnds in Syrien: https://www.openpetition.de/petition/online/kein-militaerisches-eingreifen-deutschlands-in-syrien

  • Solange der Westen die Schuld am entstehen von Terrorismus, dafür ANDERE verantwortlich macht, braucht sich niemand im Westen wundern, dass es nicht aufhören wird. Alleine seit 911 sind mindestens 1 Mio. Zivilisten getötet worden. Infrastrukturen auf Jahrzehnte hinaus zerstört, 60 Mio. Flüchtlinge weltweit, und der Westen mit seinen gerade einmal 10% der Weltbevölkerung, wusste und weiß nichts davon, warum? Der Westen sollte Ursachen und Wirkung nicht verwechseln. Völkerrechtswidrige Kriege, Drohnen Einsätze UND VIELES MEHR werden nur noch mehr Hass, gegenüber den Westen erzeugen. Solange der Westen den Rest der Welt als seine Kolonien betrachtet und auch so behandelt, braucht sich niemand im Westen über Flüchtlinge und Terroristen beschweren. Die Ursachen liegen in erster Linie, in der aggressiven imperialen und Kolonialen Außenpolitik des Westens. Für mich ist der Westen wie es Jean Ziegler in seinem Buch richtig beschreibt: "EIN IMPERIUM DER SCHANDE"

  • Hmm? Ein U.N.O. Mandat für Krieg gegen den IS? Na denn.. Besser wäre es, die Syrienkonferenz mit allen Teilnehmern weiterwirken zu lassen!

    Erstmal n´Waffenstillstand, Friede mit internationaler Kontrolle..

    Daniel Cohn Bendit (Im Interview: "Wir müssen die Angst überwinden",TAZ) bemerkte die Kultur von Apartheid und Ausgrenzung gegen Muslime in Paris´s und in Brüssels Vorstädten als Brutstätte für IS Krieger..

    Im Dunkel sozialer Hoffnungslosigkeit erschien die ideologisch/religiöse Rhetorik des IS als art Vision von Lebenserfüllung..

    Es gilt m.E. die dumme Kultur der Apartheid und Ausgrenzung zu überwinden. Das braucht Zeit!

    Zudem hat der IS in Syrien/Iraq eigene Strukturen erschaffen, die durch Luftkrieg kaum zu überwinden sind!

    Das Leben all der Menschen, die `immer noch´ im Gebiet des syrischen Bürgerkriegs, oder in IS Arealen, quasi gefangen sind, wird noch höllischer werden!

    Und ohne Assad (der faktisch der legale Souverän Syriens ist !) und dessen Bodentruppen, lässt sich der IS und etc. barbarische Sekten, nicht überwinden!

    Frieden liegt m.E. nur in der Hand erfolgreicher Syrienkonferenzen..(mit Hilfe der U.N.O.)

    ...wo auch alle die, die den IS klammheimlich akzeptieren, Zugeständnisse für den Frieden machen müssen!

  • „Deutschland sollte deshalb mit gutem Beispiel vorangehen und großzügig Flüchtlinge aufnehmen, statt sich jetzt auch noch selbst am Blutvergießen in Syrien zu beteiligen.“ heißt im letzten Satz.

     

    Beides tut Deutschland schon viel zu viel und viel zu lange!

  • Ich empehle als Lektüre:

    Christoph Reuter, 2015, , Die schwarze Macht: der „Islamische Staat“ und die Strategen des Terrors, DVA München.

    Nun in der Lizenzausgabe bei der bpb bestellbar für 4,50€

     

    In letzten Drittel des Buchs geht es um die Frage ob und wie sich die EinwohnerInnen im Zweistromland, die Geiseln des Daish, werden wehren können gegen die Schikanen und den Terror. - (v.a. Sunniten dort)

    Es gab unter Kurden Aufstände im Irak 1965-74, immer wieder neu, und sie sind immer wieder an den Terrorregimes Saddam Husseins gescheitert.

     

    Was Herr Bax formuliert ist unterlassene Hilfeleistung.

  • "AutofahrerInnen enteignen! Ein Kilometer zu Fuß erzeugt 21 mal weniger CO2 als ein Kilometer mit einem Golf II TDI."

     

    Und 2 Kilometer?

  • "…Der Westen steht vor dem Scherbenhaufen seiner Außenpolitik. (*)Er ist in Afghanistan und Mali gescheitert und hat die Zerstörung des Iraks und Libyens befördert. In Syrien hat er etwas vorschnell die Parole „Assad muss weg!“ ausgerufen. …"

     

    Zieltreffender kann man es nicht formulieren! Danke!

  • "…Der Westen steht vor dem Scherbenhaufen seiner Außenpolitik. (*)Er ist in Afghanistan und Mali gescheitert und hat die Zerstörung des Iraks und Libyens befördert. In Syrien hat er etwas vorschnell die Parole „Assad muss weg!“ ausgerufen. …"

     

    (*) & die Russland/Ukraine-Einkreisungspolitik bitte mit dazupacken.

    Wie die exUS-Botschafter von Berlin&Moskau ohne diplomatische Rücksichtnahme öffentlich deutlich gemacht haben.

    • @Lowandorder:

      Frauman könnte via 'schland -

      Fast - von einer Wiederholung ja Transformation der Kolonialgeschichte sprechen -

       

      Deutschland - fett con Schröder/Fischer

      Wir sind wieder wer - & doch ->

      Mal wieder- Verspätet/Achteran -

      Aber - Großkotzig - Dabei!! -

      Ja - aber eben nur -> Fast -

      Weil´s blutiger Ernst & eben grad -

      Keine Farce ist.

  • Auf jeden Fall sollte Deutschland ein klares UN-Mandat für Syrien (auch für die Zeit nach dem IS) zur Vorbedingung machen. Nur das sichert, dass wichtige Hauptakteure (USA und ihre "Verbündeten" Türkei und Saudi-Arabien, Russland, Frankreich) wirklich an einem Strang ziehen, so dass das Unternehmen kalkulierbar wird.

  • ..., zumal ja noch völlig unklar ist, wer die Region regieren könnte, sollte der IS einmal geschlagen werden."

    Was für eine Frage.

    Der IS breitet sich zur Zeit auf dem Territorium zweier völkerrechtlich anerkannter Staaten aus. Syrien und Irak. Beide Staaten verfügen über, wenn auch vom Westen im Falle Syriens unbeliebte, Regierungen. Das beantwortet diese Frage mehr als eindeutig. Nach Zerschlagung des IS werden die Menschen dieser befreiten Gebiete wieder von den jeweiligen Regierungen vertreten.

    Das mag bitter klingen. Doch hier wie überall auch in der jüngeren Geschichte wird sich der Grundsatz bestätigen, dass Stabilität vor der Möglichkeit von Entwicklung steht. Der Balkan, der Irak und auch Afghanistan sind dafür beredte Beispiele.

  • "... das entspricht der apokalyptischen Endzeit-Ideologie dieser Terrorsekte." Und die lassen sich durch das Austrocknen von Finanzströmen aufhalten?

     

    "...und die Bevölkerung zusammenzuschweißen – hinter dem IS, ausgerechnet." Eine sehr gewagte These.

     

    "zumal ja noch völlig unklar ist, wer die Region regieren könnte, sollte der IS einmal geschlagen werden." Und aus Angst, es könnte noch schlimmer werden (wie viel denn noch?), unternehmen wir gar nichts? Äußerst feige, meine ich.

     

    "...militärischen Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu beteiligen, sollte der Westen mehr Flüchtlinge aus der Region aufnehmen." Natürlich. Wir müssen lernen, mehr abzugeben. Ungewiss ist aber auch dieser Ausgang. Gewiss ist nun mal nur der Tod.

     

    "statt sich jetzt auch noch selbst am Blutvergießen in Syrien zu beteiligen." Richtig erkannt. Selbst. Denn solange wir Öl importieren und Ingenieurskunst exportieren, sind wir an allem beteiligt, nur dass andere für uns das Blut vergießen. Da können wir noch so versuchen, uns in Deutschland eine Seifenblase zu machen.

  • Ein UN-Mandat zu bekommen, das wird wohl das kleinste Problem sein. Die USA, die Russen, die Chinesen, die Engländer, die Franzosen reden darüber! Einigkeit herrscht bei diesen Akteuren, der IS-Terrorzwangsstaat (Kalifat) und die satanischen Is-Terrortruppen müssen ausgeschaltet werden. Da kann Deutschland als europäische treibende Nation nicht außen vor bleiben? Uneinigkeit besteht bei der Assad-Frage, obwohl da auch schon Russland signalisiert hat, dass Assad nicht auf Dauer zu halten sein wird! Der einzig richtige Weg für eine politische Lösung war/ist weiterhin die "Wiener Syrien Konferenz"! (Vertreter von 17 Ländern der EU und der Vereinten Nationen! Auch die Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien saßen mit am Tisch.) Die Teilnehmer der Konferenz einigten sich auf ein Mehrpunkte-Programm zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien. Ziel ist ein landesweiter Waffenstillstand und international überwachte freie Wahlen.

    Darüber hinaus geht es um folgende Punkte: "Die Versammlung war sich einig, dass die staatlichen Institutionen Syriens erhalten bleiben sollen. Sie waren sich einig, dass die Rechte aller Menschen in Syrien geschützt werden müssen, egal, welcher Religion oder Abstammung sie angehören. Sie waren sich einig, dass es nötig ist, alle diplomatischen Anstrengungen zu verstärken, die den Krieg beenden." Einig waren sie auch, den "Islamischen Staat" und andere "Terrorgruppen" zu bekämpfen. Ich hoffe, dass noch viele solche gemeinsamen Treffen stattfinden und das bitte sehr rasch!

  • Sie schreiben hier, @Daniel Bax, wie über ein Fußballturnier. Oder über ein paar ungezogene Jungs, die nächtens ein bisschen randalieren, Mülleimer umkippen und sicher irgendwann zur Vernunft kommen werden. Menschen kommen in Ihrem Geschreibsel nicht vor - Menschen, die zu zigtausenden massakriert, verkauft und vergewaltigt werden. "Wir werden mit dem IS wohl noch eine ganze Weile leben müssen". Das ist zynisch.

     

    Es stimmt: Der Westen hat beim bisherigen "Kampf gegen den Terror" ziemlichen Mist gebaut. Das lag aber nicht an der Unbesiegbarkeit des Gegners, sondern an fehlender Strategie und mangelnder Konsequenz. Man darf nicht auf halber Strecke haltmachen, weil die Kosten zu hoch werden und die Wählerschaft "kriegsmüde" wird. Man muss das Terroristenpack ausrotten. Und man darf das nicht "lokalen Kräften" überlassen, die man zu dem Zweck großzügig bewaffnet - Waffen gibt es dort schon zu viele, und zu viele landen in falschen Händen. Man muss die Waffen mit denen, die sie bedienen (also Bodentruppen), in die Region bringen, und man muss sie am Ende auch wieder mitnehmen.

     

    Dass wir derweil die Flüchtlinge aufnehmen, versteht sich von selbst.

    • @Bitbändiger:

      Was Bodentruppen erreichen, kann man im Irak und in Afghanistan besichtigen: Beide Länder sind instabiler denn je und es radikalisieren sich zahllose Verlierer dieser Zustände. Dass man den IS "ausrotten" muss, hätte ich zwar so nicht geschrieben, sehe es aber genauso. Es ist aber eine Frage der Vernunft und nicht der Ablehnung falschen Idealismus, die Sache umfassend, längerfristig und weniger kriegerisch anzugehen. Wir müssen endlich neue Strategien suchen, denn Krieg hat nachweislich alles nur verschlimmert. Es ist nicht naiv, derartige Überlegungen anzustellen, sondern blanker Realismus. Über den Satz, dass wir mit dem IS noch länger leben müssen, bin ich allerdings auch gestolpert. Dennoch ist er leider wahr. Und je mehr Gegenkrieg als einziger Idee, desto länger, auch wenn in ein paar Jahren der IS dann anders heißt.

      • @Karl Kraus:

        Der Einsatz von Bodentruppen ist in Afghanistan und dem Irak (nicht zu vergessen: DIESER Einsatz war völkerrechtswidrig!) gescheitert, weil nach alter Cowboymanier erst mal drauflosbekriegt wurde, ohne konkretes Ziel (außer zu "gewinnen"), ohne durchdachtes Endszenario und Zukunftsperspektive. Nicht zu vergessen: Anderthalb Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes haben die USA ihre Kräfte verzettelt, indem sie ohne realen Grund über den Irak hergefallen sind. Und als die Wählerschaft zu maulen anfing über Opfer und Kosten, kam der überstürzte Ausstieg: Die Taliban waren "vertrieben" (ist dummerweise was anderes als "weg"), und eine recht dubiose Regierung in Kabul glaubte großspurig, die Sache jetzt im Griff zu haben. Fast schlimmer noch im Irak, wo die USA neben einer unfähigen und weithin verhassten Regierung und einer lächerlichen "Armee", die ihre moderne Bewaffnung brav beim IS abgeliefert hat, auch noch eine tiefe, hasserfüllte Spaltung der Bevölkerung hinterlassen haben.

         

        So darf man es in der Tat nicht machen. Aber deswegen muss man die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Akteure dazugelernt haben.

  • Endlich einmal ein pazifistischer Kommentar - nicht aus Ideologie sondern aus Vernunft!

    Es gibt zwei Politiker, die außenpolitisch gegen Widerstände die richtige Friedenspolitik betrieben haben: Schroeder und Westerwelle. Sie haben sich der Propaganda entgegen gestellt und sich gegen den Krieg entschieden. Leider beweist Frau Merkel gerade, dass sie trotz ihrer Leistungen bei der Flüchtlingspolitik hier diese Charakterstärke nicht hat.

    Ein Krieg gegen den IS lässt sich nicht gewinnen. In Syrien kämpft alle gegeneinander aber fast niemand gegen den IS. Bombenabwürfe werden nicht dazu führen dass Franzosen in Frankreich keine Bomben mehr werfen. Eine andauernde Bombardierung wird vielmehr dazu führen, dass sich immer mehr Menschen radikalisieren - ob in Syrien oder in Frankreich. Für die Geheimdienste, die auf einmal Macht und Geld wie nie erhalten, die Rüstungsindustrie, die auf Hochtouren produzieren kann und Präsidenten, die sicher wie nie im Sattel sitzen lohnt sich die Eskalation. Auch die Kritik an Frau Merkel nimmt ab.

  • Ist doch komisch. Genau da, wo sich die Tankstelle der Weltwirtschaft (Aussage Bellizist Joschka Fischer) befindet, drücken sich Mobster rum. Man kämpft auch gegen Syrien (Assad), damit nicht noch andere an der Tankstelle herumlungern (Putin). Der IS will Radikalisierung der Muslime, dem Junkie Weltwirtschaft/Imperium kommt es zupass, kann er doch auch mit seinen Flugzeugträgern rumlungern an der Tankstelle und ein bisschen bombardieren. Wenn man jeden Tag 90 Millionen Fässer Öl saufen muss, dann ist ja eh alles egal. Dann ist man froh, wenn es Halbstarke gibt, die man bombardieren kann. Dann fällt der Zugriff nicht so auf, auf den Stoff, den sich der Abhängige sichern muss.

     

    Warum aber sagt man nicht den Saudis: also Sportsfreunde, sorgt mal dafür, das der IS aus eurem Land keine Geldspenden mehr bekommt, sonst machen wir keine Ölgeschäfte mehr mit Euch. Ja was? Spuckt der Junkie dem Dealer in die Tüte?

     

    Ich warte deshalb noch auf das Drehbuch, das geschrieben wird, um den Saudis die Tankstelle abzunehmen. Zugegeben, etwas schwierig, aber Frauenrechte, Demokratie, Menschenrechte, dass sind doch prima Zutaten für den Anfang.

    • @higonefive:

      :( Gar nicht so abwegig. Vielleicht nach dem IS-Debakel, das kommen wird. Der sogenannte Westen verhält sich manchmal ein bisschen wie die Mafia: Erst Geschäfte machen, dann abknallen.

  • Ja, dem kann ich nur zustimmen. Es sind immer diese alten, verknöcherten Denkmodelle, in denen sich die Regierung dieses Staates bewegt. Eine aktive Friedenspolitik ist mit dieser Regierung nicht machbar. Das Volk in Deutschland hat diese Kriegstreiber aber gewählt. Wat Nu ?

    Hans-Ulrich Grefe

  • Ich teile ja äußerst selten die Meinung der taz, aber diesmal bin ich absolut auf gleicher Linie. Es geht vor allen Dingen auch gar nicht, das die Syrer ihr Land verlassen und andere Nationen den Kopf hinhalten sollen. Das ist ureigene Sache der einheimischen Bevölkerung. Es gibt kein einziges Beispiel für einen erfolgreichen Interventionskrieg! Und bei dem Gemengelage in Nahost ist Ruckzuck der 3. Weltkrieg ausgelöst.

  • vielen dank. die erste vernünftige pressestimme die ich lese!

     

    ich möchte noch hinzufügen, dass bei der besetzung des iraks 1 mio. irakischer zivilisten ums leben gekommen sind.

     

    angesichts dieser zahlen muss man fragen, ob der IS dem nicht vorzuziehen ist? ganz realistisch betrachtet. denn selbst wenn es gelingen sollte, den IS militärisch zurückzudrängen, bedeutet das ja noch nicht dessen ende. die region müsste langfristig befriedet werden. und der IS ist ja nicht die einzige islamistische gefahr dort unten.

    • @Worst Case:

      ich meine natürlich WÄHREND der irakischen besetzung durch die usa.

    • 2G
      29482 (Profil gelöscht)
      @Worst Case:

      Bei der Besetzung hieße: bei dem Akt der Einnahme des Iraks durch die Koalition. Und das ist falsch. Eine Art Machtkampf bzw Bürgerkrieg wurde mit Wegfall der alten Ordnungsmacht akut und der wurde davor nur durch Repression des Saddam Baath Apparates verhindert.

       

      Der Irak konnte vorher nur mit extremen Mitteln zusammen gehalten werden. Diese Mittel sind jetzt weg. Deshalb zerfällt der Irak und Menschen töten sich.

      • @29482 (Profil gelöscht):

        "Koalition"? USAF + eine handvoll Satelliten.

         

        "alte Ordnungsmacht"? Ach ja, der Saddam, von der CIA ausgebildet und finanziert, damit der damalige demokratisch gewählte Präsident (dessen "Fehler" es war, "zu" laut über die Einführung einer "Suez-Kanal-Steuer" zu Gunsten der arabischen Anreiner nachzudenken, also über ein fiskalpolitisches Instrument vergleichbar der von den Amerikanern erhobenen "Durchfahrtsgebühr" für den dortigen Kanal) beseitigt werden konnte. Hussein, der "nützliche Idiot" des Westens mußte für seine Unterstützung die Privatisierung der staatlichen Ölquellen versprechen, ein Anliegen, dass der demokratisch gewählte Vorgänger ebenfalls mehrmals zurückgewiesen hatte, weil er der Auffassung war, dass die Einkünfte seinem Volk zustünden. (Den Briten dauerte das Theater irgendwann zu lange und sie stachelten eine handvoll Scheichs im Süden Iraks auf, sich der Steuereintreiber aus Bagdad zu wiedersetzen und bei der Ölförderung auf britisches Know-How zu vertrauen. "Kuwait" war geboren, mit Hilfe von BP und britischen Kanonenbooten wurden die staatlichen Quellen "zwangsprivatisiert".

         

        Einmal im Amt, fand der nützliche Idiot aber auch recht bald, dass die Gewinne aus dem Ölgeschäft zwar nicht dem Volk, aber doch eher ihm und seiner Familie, als den Amerikanern zustand und fand stets Mittel, die Übertragung der Rechte an die ausländischen Konzerne zu verschleppen.

         

        (Fortsetzung folgt)

        • @cursed with a brain:

          da verwechseln sie aber etwas. saddam wurden nicht von der cia ausgebildet. meinen sie vielleicht osama bin laden?

        • @cursed with a brain:

          (Fortsetzung)

           

          Dann kam Chomeini und die Amis ersannen, beide zu unterstützen, die einen offen, die anderen heimlich, und gegeneinander aufzuhetzen. Als beide das Gemetzel überlebten und Hussein, wirtschaftlich schwer angeschlagen, immer noch nicht gewillt war, die Ölrechte abzutreten, übten die Amerikaner Druck auf die OPEC aus um den Ölpreis verfallen zu lassen, damit Saddam seine Kriegskredite nicht mehr bedienen konnte. Sodann sorgten sie dafür, dass irakische Ölfelder in Grenznähe zu Kuwait von dort aus "schräg angebohrt" wurden und dass Hussein davon erfahren bzw. glauben sollte, dass es so sei. Sie stachelten Hussein dazu auf, gegen Kuwait vorzugehen ud versprachen, sich im Falle einer militärischen Aktion "neutral" zu verhalten. Der Einmarsch des Iraks nach Kuwait wurde dann zum offiziellen Anlass für die Operation "Desert Storm" 1990/91 genommen.

           

          Dummerweise schaffte man es aber nicht, Hussein aus dem Amt zu kippen, obwohl man über 10 Jahre einen unermeßlichen wirtschaftlichen Druck auf die Bevölkerung ausübte. Die erneuten Lügen infolge des 9/11 und der zweite Irakkrieg sorgten dann dafür, dass die Amerikaner endlich in den Besitz des irakischen Öls kamen. Dafür haben sie die Sozialstruktur des Landes völlig zerstört. Es gab von Anfang an keinen Plan für den Aufbau einer neuen gesamtirakischen Zivilgesellschaft. Die Sunniten, die einst die Oberschicht darstellten, wurden komplett ruiniert. Sie stellen heute das Rückgrat des Daesh-Regimes, ihre Agenda lautet "Rache". Rache am Westen für das jahrzehntelang erlittene Leid und Unrecht.

           

          Der ach so zivilisierte Westen hat sich in seiner blinden Gier und Skrupellosigkeit das Monster "IS" selbst erschaffen.

  • Mal eine konkrete Frage!

    Wer gibt den Ländern von Frankreich, den USA, nun auch Deutschland eigentlich das Recht, auf einem Territorium in Syrien ohne Genehmigung zu agieren?

    Ist dazu nicht eigentlich ein Mandat der UNO notwendig?

    Oder kann heute jeder Staat, machen was er will?

  • Der Zug in die Falle ist doch schon längst abgefahren. Das einzige was noch zu bieten wäre ist eine Finanzberatung des IS durch Herrn Schäuble, da ist dann schnell finster.

    MfG.

  • Herr Dax, Sie geben auf zwei Fragen keine Antwort:

     

    es gibt eine bewaffnete Organisation, die sich bereits im Krieg befindet und aktuell auch noch einige Ressourcen gelagert hat. u.a. Geld und Waffen. Das Daish-Regime wird beides verstärkt einsetzen, womöglich in den nächsten Tagen in Bosnien, entsprechend ihrer Wahnidee, die "Grauzone zwischen islamisch Geprägten und Westlichen auszulöschen".

     

    Eine komplexe Situation.

    Finanzen, Gelder sind ein Kampfschauplatz unter vielen, aber diese Leute würden sicher auch dann die gehirngewaschenen Rekrutierten verheizen, wenn sie keine Gelder mehr hätten.

    Raushalten ist isolationistisch, das geht nicht.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Ich gebe auch jeden Tag keine Antwort auf ziemlich viele Fragen. Schon weil sie nicht gestellt worden sind.

       

      Sie stellen sie auch nicht.