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Kommentar „Bild“-Zeitung und SPDAngriff statt Demut

Anne Fromm
Kommentar von Anne Fromm

Gesenktes Haupt gibt es für „Bild“-Chef Julian Reichelt nicht. Dabei hätte er allen Grund, sich für die Kampagne seiner Zeitung zu entschuldigen.

Deine Mudda, Julian, deine Mudda Foto: dpa

D er Anstand sagt: Wenn du einen Fehler gemacht hast, dann steh dazu und entschuldige dich. Julian Reichelt allerdings, der Chefredakteur der Bild-Zeitung, scheint es mit Anstand nicht so zu haben.

Die Bild hat einen Fehler gemacht: Sie ist auf gefälschte Mails hereingefallen, die ihr die Satiriker der Titanic untergejubelt haben. In diesen Mails bietet ein Juri aus St. Petersburg dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert an, ihn bei seiner Kampagne gegen eine Große Koalition zu unterstützen. Die Bild hob die Geschichte auf Seite 1 und titelte: „Neue Schmutzkampagne bei der SPD“. Erst am Ende des Textes räumte der Bild-Autor ein, dass es für die Echtheit der Mails keine Beweise gebe.

Nachdem sich die Titanic am Mittwoch zu der Aktion bekannt hatte, verteidigte sich der Bild-Chef Reichelt mit der Behauptung, Ausschlag für die Berichte seien nicht die Mails selbst, sondern die Ankündigung der SPD gewesen, Strafanzeige gegen unbekannt zu erstatten. Seitdem kann man Reichelt und seinen Schergen dabei zusehen, wie sie statt auf Demut voll auf Angriff schalten. Titanic-Redakteur Moritz Hürtgen hat dem russischen Staatssender Russia Today ein Interview gegeben. Russia Today wird das sehr gefreut haben, denn Reichelt ätzt gern gegen Russland – oft zu Recht.

Zugegeben, es war nicht besonders clever von Hürtgen, sich vor die RT-Kameras zu stellen. Aber nur weil er ein Interview gegeben hat, heißt das nicht, dass er mit RT zusammenarbeitet. Reichelt aber dient das Interview als willkommener Anlass, vom eigenen Versagen abzulenken. „Im Siegesrausch lässt sich @titanic prompt mit der Propagandaabteilung eines Regimes ein, zu dessen Agenda Zersetzung freier Medien gehört“, twitterte er.

Das ist lächerlich. Die Titanic-Redakteure sind Satiriker, keine Journalisten. Es ist ihre Aufgabe, mit den Mitteln der Satire zu unterhalten und im besten Fall Missstände aufzudecken. Es ist nicht ein Titanic-Redakteur im RT-Interview, der der Glaubwürdigkeit der Presse schadet. Es ist die Bild mit ihren unlauteren Methoden.

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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9 Kommentare

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  • GroKo - Du willst es doch auch.

  • ... die Bild "scheint es mit dem Anstand nicht so zu haben" mäkelt die Taz-Medien-Redakteurin. Ist das jetzt die Gnade der späten Geburt - vielleicht mal Wallraffs "Der Aufmacher" lesen. Das Lügenblatt hat sich nie geändert - die taz dagegen schon: der Blöd-Chefredakteur durfte ja beu Euch für einen Tag als Chef fungieren - sorry, hatte ich vergessen.

  • Zitat: " Reichelt ätzt gern gegen Russland - oft zu Recht."

     

    Es gibt kein Recht auf Volksverätzung... - äh: auf Volksverhetzung. Anne Fromm irrt sich, wenn sie glaubt, dieses Recht sei abhängig davon, ob sie meint, dass einzelne Leute es verdient haben, kollektiv mies gemacht zu werden, weil sie beispielsweise Präsident sind.

     

    Nicht nur die Bild schadet der Glaubwürdigkeit der Presse. Auch Anne Fromm tut es, wenn sie solche Sätze schreibt. In Rechtsstaaten gilt nun einmal: Gleiches Recht für alle. Und Anne Fromm ist nicht gleicher als z.B. Julian Reichelt. Auch dann nicht, wenn sie es vermutlich gerne wäre, weil sie ja ganz zu Recht stolz darauf ist, für die taz zu arbeiten, nicht für die Bild.

  • Was „Titanic“ betrifft:

    Ich selbst habe dieses Print-Produkt vor längerer Zeit ganz gern gelesen. Manches fand ich recht lustig, insbesondere, wenn kritikwürdige Zustände mit kürzesten Worten treffend beschrieben wurden. Aber schon damals war ich bei manchen Beiträgen im Zweifel, ob es sich wirklich nur um Satire handelt, oder um die „reine Wahrheit“, ausgegraben von besonders ausgekochten investigativen Journalisten.

     

    Seitdem lasse ich die Titanic bei meiner Meinungsbildung außen vor.

  • "Erst am Ende des Textes räumte der Bild-Autor ein, dass es für die Echtheit der Mails keine Beweise gebe." das ist der eigentliche Knaller an der story, es gab einen Text!?! In der bild?!?

  • Seit wann muss man über den Charakter der Bildmacher diskutieren? Hat sich seit 1960 da irgend etwas geändert?

  • Der BILD-Hausmeister.

  • Ja nun, wer hat denn die gefälschten Mails verschickt?!

  • Ludwig Erhard bezeichnete solche Schmocks wie die Mitarbeiter der BILD-Zeitung als Pinscher. Bin kein Freund von dem Herrn, aber hatte nicht immer unrecht.