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Kommentar AutobahnprivatisierungJede Menge Schlupflöcher

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Angeblich will die SPD keine Straßenprivatisierung. Gibt sie in dieser Sache nun doch nach, wäre das bitter für SteuerzahlerInnen.

Die SPD hat ein Problem: die Autobahn Foto: dpa

D as war schon eine ziemlich heftige Klatsche, die die Bundesregierung am Montag bekommen hat: Fast durchgängig übten die geladenen Expert*innen scharfe Kritik an dem geplanten Gesetz, mit dem die Autobahnen an eine neue Infrastrukturgesellschaft ausgelagert werden sollen

Es entmachtet die Politik, die beim Straßenbau künftig nichts mehr zu melden hätte, und lässt jede Menge Schlupflöcher für Privatisierungen, die die Öffentlichkeit teuer zu stehen kämen, warnten Wissenschaftler, Bundesrechnungshof und NGOs in seltener Einmütigkeit.

Ein Problem ist das vor allem für die SPD. Denn Sigmar Gabriel hatte als Parteichef und Wirtschaftsminister erklärt, dass die SPD im Gesetzentwurf eine Privatisierung der Autobahnen in jeder Form verhindert habe. Das ist jetzt auch offiziell als Unwahrheit entlarvt.

Ob die Partei mittlerweile schlauer ist, bleibt abzuwarten. Zwar verkünden SPD-Abgeordnete jetzt, den Gesetzentwurf so abändern zu wollen, dass nun aber wirklich alle Privatisierungen verhindert werden. Doch was davon sie gegen die Union tatsächlich durchsetzen können, ist offen.

Begrenzte Verhandlungsmacht

Und weil die Sozialdemokraten wegen der Verknüpfung des Vorhabens mit der von vielen Bundesländern dringend erwarteten Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs vor der Drohung zurückschrecken, das Gesetz notfalls ganz scheitern zu lassen, dürfte ihre Verhandlungsmacht begrenzt sein.

Wenn die SPD erneut hinter ihre Zusage zurückfällt, Straßenprivatisierungen konsequent zu verhindern, wäre das nicht nur bitter für alle Steuerzahler*innen und Auto­fah­rer*in­nen, die die Rendite der Investoren bezahlen müssen. Es wäre zudem ein trauriges Beispiel dafür, wie ein Projekt, das einer kleinen Gruppe nützt, gegen überzeugende sachliche Einwände durchgedrückt wird. Und damit auch eine schwere Hypothek für die Glaubwürdigkeit des neuen SPD-Chefs Martin Schulz.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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5 Kommentare

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  • Die neugefasste Ausländermaut ist ja nur Teil eines Gesamtkonzepts zur still und raffiniert eingefädelten Übernahme der Autobahnen als "Nießnutz" durch Private.

     

    Da erleben wir live den parlamentarischen Start eines von Banken, Versicherungs- und Bauwirtschaft langfristig ausgeheckten Gesamtkonzepts zur Übernahme der (nominell in Staatsbesitzbefindlichen) deutschen Autobahnen durch private Konsortien und Konzerntöchter.

     

    Jeder einzelne der inszenierten, zunächst unabhängigen Schritte der Bundesregierung (Dobrindt, Gabriel und Schäuble) ist in ministeriellen Hinterzimmern von und mit den späteren Profiteuren ausgedacht und genau auskalkuliert worden, um erst die Länderregierungen, dann die Legislative in Bundesrat und Bundestag gnadenlos auszutricksen.

     

    Dazu schreckt man auch vor einer Fülle von riskanten Änderungen unseres Grundgesetzes nicht zurück.

  • .

     

    Schritt 1

    Die zunächst erst mal absurde "Ausländer"maut aus CSU-Bierzelten wurde nach der Koalitionslogik verpflichtend gegengerechnet zum Mindestlohn der SPD.

     

    Schritt 2

    Der Bund setzte beim Bund-Länder-Finanzausgleich die Länder unter finanziellen Druck (9,75Mrd./Jahr) und drängte sie zur Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft des Bundes, für die mehrere GG-Änderungen mit der Noch-Zweidrittelmehrheit-Mehrheit der GroKo erforderlich sind.

     

    Schritt 3

    Der durch solch heimliche, aber einvernehmliche CDSU/SPD-Absprachen in den Ministerien vorbelastete Gesetzgeber Deutscher Bundestag wird in die Pflicht genommen und muss der von den Bundes- und Länderexekutiven ausgehandelten "Infrastrukturgesellschaft"mbH des Bundes und den dazu notwendigen GG-Änderungen zuzustimmen.

     

    Schritt 4

    Diese privatrechtlich wirtschaftende Fernstraßen-GmbH erhält vom Bund das Recht, über ÖPP, über eigene Tochterfirmen oder über Konsortien neue Finanzprodukte zu schaffen, durch die - auf dem offiziell im Bundesbesitz befindlichen Fernstraßennnetz und mit staatlicher Garantie- mit 30jährigen Verträgen lukrative private Milliardengewinne eingefahren werden sollen.

     

    Schritt 5 :

    Die zu Beginn erteilte Koppelung von SPD-Mindestlohn mit der bayrischen Nonsens-Maut für Ausländer würde für sich allein zu einem unrentablen Geschäft werden. Damit Bayern seine Idee trotzdem durchsetzt und auch Brüssel keine Bedenken mehr hat, wird eine ständige Erhöhung der Mautgebühren (auch für Inländer!) vorgesehen, die von den privaten Betreibern zur Sicherung ihrer Gewinne festgelegt werden darf - ohne dass der Eigentümer Bund noch darauf Einfluss hat.

    • @unSinn:

      Leider kann ich nur zustimmen, würde nicht gegen das dargestellte Szenario wetten.

  • Geb ich mal wieder den alten Cato

     

    "Kommentar Autobahnprivatisierung

    Jede Menge Schlupflöcher

    Angeblich will die SPD keine Straßenprivatisierung. Gibt sie in dieser Sache nun doch nach, wäre das bitter für SteuerzahlerInnen."

     

    Letzteres greift wie immer hier in der taz - mangels Kenne¿ - zu kurz.

    Bei einer wie auch immer gearteten Mischkonstruktion - Öffentliche Hand & Private "Anleger" - bleiben der verfassungsrechtlich gegen staatliche Gewalt garantierte Rechtsschutz Bürgerliche Beteiligungsrechte & die Kontrollmöglichkeiten/-dichte der gewählten Volksvertreter auf der Strecke.

    Beispielhaft sei auf die Reaktionen der Stadt Hamburg zum Hafenausbau verwiesen. Indem HH dreist sowohl der Ratsvertretung wie NGOs bereits Auskünfte wg "entgegenstehender" Interessen Privater verweigerte!

     

    Mit Verlaub diese taz-immenente Ausblendung dieser Dimensionen bei

    ÖPP - berührt unangenehm & nervt!

    Einfach mal das Hirn in die Weiche legen. Auch lesen & schlau machen könnte helfen - doch doch! Nur Mut!

    Nüscht for unjut - wa!