Privatisierung von Autobahnen: Gesetz ausgebremst
Weil sich Union und SPD nicht einigen können, wird die für Freitag geplante Verabschiedung des umstrittenen Autobahn-Gesetzes wohl verschoben.
Wenige Tage vor der geplanten Verabschiedung des Gesetzespakets, mit dem die deutschen Autobahnen an eine neue, privatwirtschaftlich organisierte Infrastrukturgesellschaft übertragen werden sollen, haben Union und SPD noch keine Einigung über zentrale Streitfragen erzielt. Die für Freitag vorgesehene Abstimmung wird darum voraussichtlich in die nächste Sitzungswoche verschoben, hieß es am Montagabend aus der SPD-Fraktion. Kritiker der geplanten Regelungen hatten die SPD zuvor erneut aufgefordert, der notwendigen Grundgesetzänderung nicht zuzustimmen. Entgegen allen Beteuerungen würde diese zu einer faktischen Privatisierung von Autobahnen mit erheblichen Mehrkosten führen, hieß es.
Nach den bisherigen Plänen sollte der Bundestag die Gründung der neuen Infrastrukturgesellschaft an diesem Freitag beschließen – zusammen mit der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen. Doch ein beschlussfähiger Gesetzestext lag nach Auskunft der SPD-Verhandlungsführerin Bärbel Hagedorn am Montag noch immer nicht vor.
Die Haushaltspolitikerin hatte daher gefordert, die Abstimmung zu verschieben. „Der Zeitplan, der eine Verabschiedung im Bundestag noch in dieser Woche vorsieht, ist den Abgeordneten gegenüber eine Zumutung“, sagte Hagedorn der taz. „Wir Haushälter brauchen Zeit, um unsere guten Verhandlungsergebnisse an alle Kollegen zu vermitteln.“ Auch CDU-Verhandlungsführer Norbert Brackmann beschwerte sich über den Zeitdruck „Ich hätte mir mehr Zeit gewünscht, das Paket in den Gremien angemessen diskutieren zu können“, sagte er der taz.
In zwei wichtigen Fragen gab es am Montag noch keine Einigung. So stößt die Forderung, die „mittelbare und unmittelbare Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und möglichen Tochtergesellschaften“ im Grundgesetz auszuschließen, auf die sich die Haushälter von Union und SPD nach taz-Informationen geeinigt haben, bei der CSU auf erbitterten Widerspruch.
Erleichterte Ablehnung
Vielen SPD-Abgeordneten reicht diese Regelung hingegen noch nicht. Sie wollen auch die großflächige faktische Privatisierung von Autobahnen durch öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP), bei denen Privatunternehmen bestimmte Straßenabschnitte betreiben und dafür die Maut kassieren, per Grundgesetz ausschließen. Diese soll bisher nur durch ein normales Gesetz eingeschränkt werden, das jederzeit mit einfacher Mehrheit geändert werden könnte. „Eine zweite Grundgesetzänderung, die Teilnetz-ÖPPs ausschließt, ist erforderlich, um funktionale Privatisierungen effektiv zu verhindern“, sagte Hagedorn.
„Der Zeitplan ist den Abgeordneten gegenüber eine Zumutung“
Selbst dadurch ließen sich ihrer Ansicht nach aber nicht alle SPD-Abgeordneten überzeugen. „Es wird – unabhängig vom Verhandlungsergebnis – mit Sicherheit Nein-Stimmen in beiden Fraktionen aus sehr unterschiedlicher Motivation heraus geben.“ Ob die für eine Grundgesetzänderung notwendige Zweidrittelmehrheit zustande kommt, ist offen. Um der SPD die Ablehnung zu erleichtern, wollen Grüne und Linke durchsetzen, dass über die diversen Gesetzesänderungen des Finanzpakets im Bundestag getrennt abgestimmt wird.
Zusammen mit der Opposition protestierten am Montag VertreterInnen von Gewerkschaften und Bürgerinitiativen gegen das Gesetz. „Wir wehren uns gegen die drohende Autobahnprivatisierung“, sagte DGB-Vorstand Stefan Körzell. Auch Grünen-Franktionschef Anton Hofreiter warnte vor einer „Privatisierung durch die Hintertür“. Für die Linke äußerte Sabine Leidig die Hoffnung, dass die Wahlniederlage in NRW bei der SPD zum Umdenken führt. „Sie müssen jetzt ja zeigen, wo sie einen Unterschied machen wollen.“
Leser*innenkommentare
unSinn
Gestern abend kündigte Frau Schwesig an, am Tag nach der NRW-Wahl werde die SPD mit bundespolitischen Themen in die Offensive gehen.
Die Gelegenheit ist da !
Mit ungebremster Wucht und zielgerichtetem Gesetzgebungshandstreich versucht die Union, das öffentliche Autobahnnetz nach Privatrecht einer InfrastrukturGmbH und ausgesuchten Betreibern auf Jahrzehnte hinaus zur wirtschaftlichen Nutzung irreversibel zu übertragen.
Jetzt ist der Zeitpunkt für die SPD, an diesem Beispiel klar zu machen, dass es für einen solchen Deal aus der Werkstatt neoliberaler Kanzleien keine Zweidrittelmehrheit geben wird. Die Partei muss es schaffen, die Befürworter der GG-Änderung in der eigenen Fraktionsführung und die wenigen managementhöffigen "Fachleute" in den eigenen Reihen zu überzeugen.
Wenn immer noch konkrete Details über Gerechtigkeit in diesem Land verlangt werden, dann zeigt die SPD an diesem Beispiel, dass den Politikern und Lobbyisten eindeutig Halt geboten wird, die immer neue Abzockereien zu Lasten der Steuerzahler aushecken.