Kommentar Auslieferung an die Türkei: Ein griechischer Affront
Athen solle drei türkische Soldaten ausliefern, fordert Erdoğan. Ein griechisches Gericht lehnte das jetzt ab. Das könnte noch Folgen haben.
Seit Monaten mobilisiert der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Massen mit der Forderung, „der Westen“ solle endlich die Schuldigen an dem Putschversuch vom 15. Juli ausliefern. Das Hauptziel dieser Kampagne sind die USA, denn dort lebt seit Ende der 90er Jahre der islamische Prediger und Sektenchef Fethullah Gülen. Da Erdoğan ihn für den Drahtzieher des Putsches hält, will er ihn unbedingt in der Türkei vor Gericht stellen lassen.
Auch das Verhältnis der Türkei zu Deutschland wird im Moment nicht zuletzt dadurch belastet, dass Ankara die Auslieferung tausender angeblicher „Terroristen“ der kurdischen PKK und eben der Gülen-Bewegung fordert.
In dieser Atmosphäre hat jetzt ein griechisches Gericht das Auslieferungsersuchen für drei türkische Soldaten, die noch in der Putschnacht mit einem Hubschrauber nach Griechenland geflohen waren, abgelehnt. Das Gericht befürchtet eine unfaire Behandlung und verwies in seiner Begründung auf Berichte über Folter und Misshandlungen von Soldaten und anderen Gefangenen, die beschuldigt werden, an dem Putschversuch teilgenommen zu haben. Die Entscheidung ist mutig und ein großer Affront gegen das Nachbarland Türkei. Die türkische Regierung hat Griechenland auch sofort mangelnde Solidarität unter Nato-Partnern vorgeworfen.
Die Entscheidung ist noch nicht endgültig, das Verfahren wird in die höchste Instanz gehen und zuletzt muss das griechische Justizministerium einer Auslieferung noch zustimmen. Regierungschef Alexis Tsipras wird also am Ende den Schwarzen Peter auf dem Tisch haben. Hinzu kommt: Die griechische Justiz verhält sich widersprüchlich: Ein Gericht in Athen hat am Dienstag einem Antrag der türkischen Justiz auf Auslieferung von drei weiteren mutmaßlichen türkischen Putschisten zugestimmt.
Trotzdem: Die Nicht-Auslieferung der drei Militärs ist eine enorme Bürde, denn die Drohung Erdoğans, ansonsten erneut eine große Zahl von Flüchtlingen in Richtung EU ausreisen zu lassen, betrifft zuallererst Griechenland. Da ist tatsächlich Solidarität von Nato und EU-Partnern gefragt – allerdings zuallererst der griechischen Regierung gegenüber.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als konstituierende Werte der EU gebieten es, dass alle anderen EU Staaten der griechischen Regierung den Rücken frei halten, damit diese die Entscheidungen einer unabhängigen Justiz auch umsetzen kann.
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