Kommentar Anti-Uploadfilter-Aktivismus: Eine Debatte gespickt mit Panikmache
Ein CDU-Abgeordneter behauptet, Aktivist*innen gegen Uploadfilter seien gekauft. Der Vorwurf ist absurd und an Respektlosigkeit kaum zu überbieten.
A uf der Suche nach Regeln für Inhalte im Netz schlägt die Politik um sich. Dieses Mal trifft es Tausende Menschen, die am Wochenende für ein Internet ohne Zensur auf die Straße gingen. Bezahlt sollen sie sein, manipuliert und gesteuert von den Internetgiganten.
Der Vorwurf aus den Reihen der CDU ist nicht nur absurd, er ist an Respektlosigkeit auch kaum zu überbieten. Er gleicht einem Schlag ins Gesicht der meist jungen Aktivist*innen, für die ein Leben ohne freies Internet unvorstellbar ist. Dabei räumen gerade sie mit dem Vorurteil auf, das dieser Generation mit am häufigsten entgegenschlägt: unpolitisch zu sein. Durch die Reform des EU-Urheberrechts sehen sie einen maßgeblichen Teil ihres Alltags bedroht – und werden nun politisch.
Hintergrund der Aktion ist die aufgeheizte Debatte darüber, wie Urheber*innen besser geschützt werden können, wenn ihre Texte, Videos, Bilder oder Audiotöne online verwendet werden, und darüber, wie Plattformen im Fall von Rechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Seit Monaten laufen die Verhandlungen auf EU-Ebene und beschäftigen Abgeordnete, Kommission und Rat.
Die politische Debatte ist allerdings gespickt mit Falschaussagen, mit Panikmache, mit gefährlichem Halbwissen. Die einen warnen vor nichts Geringerem als dem Untergang des freien Internets, die anderen halten die Reform für die Revolution zum Schutz von Inhalten im Netz. Das Ganze wird angetrieben von den Eigeninteressen der größten Internetkonzerne, von Musikverlagen oder Netzaktivist*innen. Auf allen Seiten wird erbittert gekämpft. Sogar Morddrohungen soll der Chefvermittler auf EU-Ebene, Axel Voss (CDU), für seine Unterstützung der Urheberrechtsreform bekommen haben.
Der Schlagabtausch verschärft sich
Die Diskussion über Sinn und Unsinn der Reform ist emotional enorm aufgeladen. Da nun die finale Abstimmung im EU-Parlament näher rückt, verschärft sich der Schlagabtausch zwischen Befürworter*innen und Gegner*innen der Reform. Nun springen auch diejenigen auf den Empörungszug auf, die sich bisher erstaunlich still verhalten haben. Zum Beispiel die SPD, die sich zwar per Beschluss auf die Seite der Urheber stellt, aber zugleich die Fahne für ein zensurfreies Internet schwingt. Bisher hatten die Sozialdemokraten beim Thema Haftung von Plattformen keine starke Haltung gezeigt.
Was ist richtig oder falsch an der Reform? Das Urheberrecht ist ein technisch und rechtlich kompliziertes Gesetz. Alle Seiten brauchen saubere Argumente. Umso schlimmer ist es, wenn Aktivist*innen verunglimpft werden. Sie verlagern den digitalen Protest auf die harte Straße – und werden dafür nicht ernst genommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann