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Kolumne zu meiner letzten KolumneEin schlechtes Beispiel

Mir wurde vorgeworfen, ich hätte einen KZ-Vergleich angestellt und die Zustände im KZ verkürzt dargestellt. Das macht mich ratlos.

Auf dieser Geige spielte der Häftling Bruno Apitz Konzerte im Konzentrationslager Buchenwald Foto: dpa

E s gab zu meiner letzten Kolumne Kritik und ich dachte, ich mache etwas, was ich noch nie gemacht habe: Ich schreibe eine Kolumne zur Kolumne. Da gab es, zum einen, den Vorwurf, ich hätte einen KZ-Vergleich angestellt. Nun, ich habe ein, zugegebenermaßen radikales, Beispiel herangezogen, um zu verdeutlichen, wie wichtig Kultur für Menschen ist, in allen Zeiten (selbst den schlimmsten, die eben nicht mit den heutigen vergleichbar sind). Ich zitiere mich selbst: „Kulturell werden Krisen nicht nur aufgearbeitet, sie werden auch kulturell verdaut, Kultur ist lebenswichtig. Selbst in Konzentrationslagern gab es vereinzelt kleine Orchester und Theatervorführungen, weil das den Menschen Hoffnung gab.“

Ich hätte noch beliebige andere Zeiten oder Orte oder Umstände anführen können, die meine These über die Bedeutung von Kultur untermauern hätten können, ohne dass ich damit doch diese Zeiten oder Orte oder Umstände mit den heutigen in irgendeiner Hinsicht verglichen hätte. Wenn das aber dennoch so verstanden worden ist, dann tut es mir leid, das war nicht meine Absicht.

Der zweite Vorwurf ist der, ich würde in meiner Aussage ignoriert haben, dass Kultur, speziell die Musik, Häftlingen in den Konzentrationslagern aufgezwungen und auf barbarische Weise gegen sie missbraucht wurde. Das ist richtig. Aus diesem Grund hätte ich dieses Beispiel besser nicht heranziehen sollen.

Ich möchte aber dennoch zumindest erklären, dass es mir natürlich nicht um diese Form von „Kultur“ in Konzentrationslagern ging, sondern dass ich an die dachte, die Häftlinge aus eigenem Antrieb, manchmal unter großen Gefahren, herstellten. Denn darüber hatte ich vor Kurzem gelesen, und es hatte mich sehr beeindruckt und berührt. Ausführliche Informationen zum Thema Musik in Nationalsozialistischen Konzentrationslagern gibt es von Helmke Jan Keden auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung.

Bild: Lou Probsthayn
Katrin Seddig

ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Ein vielschichtiges Thema

„Mehr als einmal“, erinnert sich Hermann Langbein, „bin ich in diesem Probesaal gestanden und habe deutlicher als jemals vor – oder nachher – die Kraft der Musik gefühlt, die davon kündet, daß es außerhalb von Auschwitz eine menschliche Welt gab (...).“ (Hermann Langbein, Menschen in Auschwitz, Wien 1972, S. 151.) Zum Thema bildende Kunst gibt es Informationen auf dieser Seite.

Es ist ein vielschichtiges, sensibles Thema. Wenn es heißt, es sei ein Hohn, dass ich über Künstler*innen im KZ sage, es hätte ihnen die Kunst Hoffnung gegeben, dann kann ich dazu nur sagen, dass ich diese Künstler*innen natürlich nicht meinte, die unter Zwang agierten, sondern die, die dies aus eigenem Antrieb taten. Verhöhne ich damit automatisch die, die ich gar nicht meinte, und die mit meiner These nichts zu tun haben?

Und von dieser Frage komme ich dann zu der, wie man überhaupt vielschichtige Themen in einem kurzen Meinungstext befriedigend behandeln kann. Es gibt immer Aspekte eines Themas, die ich gar nicht oder nur oberflächlich unterbringen kann. Und dann kann man mir natürlich vorwerfen, diesen oder jenen Aspekt nicht berücksichtigt zu haben.

Etwas nicht zu berücksichtigen, ist auch eine Aussage. Wenn ich mich also auf Künstler*innen in einem KZ beziehe, die Hoffnung aus der Kunst schöpften, dann muss ich auch die große Gruppe derer erwähnen, die damit gequält und verhöhnt wurden. Damit nicht Menschen, die darüber nicht informiert sind, sich eine falsche Meinung über die Zustände im KZ bilden könnten. Das sehe ich ein.

Wenn das aber die Konsequenz ist, dass es für mich als Kolumnistin, Pflicht ist, umfassend zu informieren, über die Umstände, auf denen meine Meinung beruht, anstatt diese Themen nur anzureißen, welche Auswirkung hat das dann auf den Charakter des Textes, den man eine Kolumne nennt? Ich bin, zugegeben, ratlos.

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8 Kommentare

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  • „Kulturell werden Krisen nicht nur aufgearbeitet, sie werden auch kulturell verdaut, Kultur ist lebenswichtig. Selbst in Konzentrationslagern gab es vereinzelt kleine Orchester und Theatervorführungen, weil das den Menschen Hoffnung gab.“

    Ein vielversprechender Gedankenwurf und wunderbarer Auftakt in komplexe Wirkungen, die Kultur, Literatur, Musik, Tanz. Malerei in Pandemien, Katastrophen auf Menschen zu entfalten vermag, selbst in despotischer Epoche, die sich 1933 bis 1945 zur menschheitlichen Katastrophe ausweitet, abgeschirmt durch Zweiten Weltkrieg 1939-1945, im Täter- Opfer Verhältnis von Folterknechten, KZ Wächtern zu KZ Häftlingen und unter diesen eine verbindende Wirkung entfaltet, wenn auch auf Messers Schneide.

    Der vielversprechende Auftakt muss allerdings in einem journalistischen Umfeld, unter Wert vermittelt, scheitern, weil diesem im allgemeinen Coronavirus Fakten, Meinungsnot Getümmel, die Poesie der Autorin Katrin Seddig abhandenkommt, als Versprechen notwendig uneingelöst bleibt?

    Eine vertane Chance? Mitnichtern, eine Chance, die jeden Tag wiederkehrt.



    „,… es hätte ihnen die Kunst Hoffnung gegeben, dann kann ich dazu nur sagen, dass ich diese Künstler*innen natürlich nicht meinte, die unter Zwang agierten“

    Selbst jenen, die unter NS Terror, Zwang agierten, verlängerte die Kultur als wundersam fragil verbindendes Glied zwischen Tätern und Opfern das Leben, in ungezählten Fällen rettet die Kultur ihnen das Überleben des Holocaust. Dabei denke ich an die heute über Neunzigjährigen, da denke ich an die 1924 geborene den Holocaust überlebende Esther Bejarano.

    Was wäre, Kräften der Poesie eine Chance gebend, passiert, wenn die Alliierten statt Bomben, was sie nicht taten, Geigen, Posaunen, Querflöten, Klangschalen, Musikinstrumente in Massen über KZs abgeworfen hätten?

    www.youtube.com/watch?v=4aotQBSdT9I

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Vielleicht fanden wir Quarantinierten es einfach geschmacklos, dass sie in einer Klagekolumne über die ach so schlimmen "Zwangsmaßnahmen" unseres Staates den Begriff KZ untergebracht haben.

    Eine einfache Entschuldigung hätte gereicht und Schwamm drüber.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Die hat sie ja nun gebracht. Also Schwamm drüber.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Was soll das „wir“ in Ihrem Satz? Wieso können sie nicht einfach stehen zu Ihren ganz persönlichen Gefühlen? Wieso brauchen Sie ein imaginäres Wir, um sie auszusprechen? Haben Sie Angst, als Einzelperson kein Recht auf Gefühle zu haben? Gehören Sie etwa zu denen, die ihren Gefühlen nicht trauen, wenn sie nicht wenigstens einem Kollektiv-Gefühl (wenn nicht gar einem Volks-Empfinden) entsprechen?

      Auch ich gehöre zu den „Quarantinierten“. Allerdings empfinde ich vollkommen anders als Sie. Ich brauche keine Entschuldigungen, die nichts weiter sein dürfen als Schuldeingeständnisse. Ich möchte wissen, was sich Menschen gedacht haben, wenn mir ihr Verhalten seltsam vorkommt. Ich will erst urteilen, wenn ich eine Erklärung bekommen habe. Sie können offenbar darauf verzichten.

      Ich glaube, das “wir“ in Ihrem Kommentar soll ihnen helfen, etwas zu legitimieren, von dem Sie genau wissen, dass es nicht legitim ist. Aus einem willkürlichen Urteil soll es eine Mehrheitsentscheidung machen. Sie wollen keine Erklärung, weil Sie keine Ent-Schuldigung wollen. Sie wollen ein Geständnis, wie es Inquisitoren im Mittelalter zur Grundlage von Hexenveebrennungen gemacht haben.

      Wir leben nicht mehr im Mittelalter, stimmt. Aber wann das so weiter geht mit der Corona-Hysterie, ist die Rückkehr dahin nur eine Frage der Zeit,

      Ich kann die Ratlosigkeit der Autorin sehr gut nachvollziehen. Worte sind sinnlos, wo eine Verständigung gar nicht gewollt ist, wo es nur um die Frage geht, wer urteilen darf und wer nicht. Kolumnen für Leute zu schreiben, die damit nichts anfangen können, ist sinnlos. Glücklicherweise gibt es immer auch die anderen. Die gab es selbst im Konzentrationslager, berichten Menschen, die es wissen müssen. Weil sie selbst solche (Ausnahme-)Menschen sind/waren. Für solche Menschen sollte Katrin Seddig schreiben.

      Ich jedenfalls hoffe, dass sie sich nicht entmutigen lässt von Menschen Ihres Schlages. Ich danke ihr dafür, dass sie ihre Gedanken geteilt hat mit mir.

  • Liebe Frau Seddig,



    Ihre Kolumne – also die erste – war eindeutig so zu verstehen, wie Sie sie m. E. verstanden haben wollten.



    Lassen Sie sich nicht klein machen, nur weil ein paar Ewig-Nörgelnde einfach nur IMMER das Haar in der Suppe finden wollen. Quasi mit aller Gewalt. Die kühlen einfach nur ihr Mütchen und wollen auf anderen – in diesem Falle auf Ihnen – rumhacken.



    Eine Kolumne hat nicht den Job von Geschichtsbewältigung zu leisten. Und Ihre Formulierungen waren für normal Gebildete eindeutig eindeutig zu verstehen.



    Danke für Ihren Mut.



    Ich freu' mich bereits auf die nächste Kolumne von Ihnen.

    • @Ariane:

      [...]

      Jemandem, der zumindest eine gewisse Uneindeutigkeit in Frau Seddigs Formulierung erkennt, gleich als nicht normal gebildet hinzustellen, geht gar nicht.

      Nicht normal Gebildeter weiß ich, dass es in den KZs Orchester gab, die von der SS eingerichtet worden waren und deren Zweck beiweitem nicht darin lag, den KZ-Insassen Hoffnung zu geben.

      Eine Kolumne kann KZ-Vergleiche auch einfach weglassen, wenn sie keine Geschichtsbewältigung betreiben will.

      "... nur weil ein paar Ewig-Nörgelnde einfach nur IMMER das Haar in der Suppe finden wollen. Quasi mit aller Gewalt. Die kühlen einfach nur ihr Mütchen und wollen auf anderen – in diesem Falle auf Ihnen – rumhacken."



       

      [...]

      Dieser Kommentar wurde gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette. Die Moderation

  • Und aus den genannten Gründen lässt man lieber die Finger von KZ-Vergleichen.

    Die meisten Kolumnisten schaffen es, ohne sie auszukommen.

  • Denken heißt vergleichen. Lassen Sie sich das Denken (und Schreiben) nicht verbieten. Von niemandem.



    Martin Korol, Bremen