Kolumne zu meiner letzten Kolumne: Ein schlechtes Beispiel
Mir wurde vorgeworfen, ich hätte einen KZ-Vergleich angestellt und die Zustände im KZ verkürzt dargestellt. Das macht mich ratlos.
![Die Geige von Bruno Apitz. Die Geige von Bruno Apitz.](https://taz.de/picture/4066673/14/93385475-1.jpeg)
E s gab zu meiner letzten Kolumne Kritik und ich dachte, ich mache etwas, was ich noch nie gemacht habe: Ich schreibe eine Kolumne zur Kolumne. Da gab es, zum einen, den Vorwurf, ich hätte einen KZ-Vergleich angestellt. Nun, ich habe ein, zugegebenermaßen radikales, Beispiel herangezogen, um zu verdeutlichen, wie wichtig Kultur für Menschen ist, in allen Zeiten (selbst den schlimmsten, die eben nicht mit den heutigen vergleichbar sind). Ich zitiere mich selbst: „Kulturell werden Krisen nicht nur aufgearbeitet, sie werden auch kulturell verdaut, Kultur ist lebenswichtig. Selbst in Konzentrationslagern gab es vereinzelt kleine Orchester und Theatervorführungen, weil das den Menschen Hoffnung gab.“
Ich hätte noch beliebige andere Zeiten oder Orte oder Umstände anführen können, die meine These über die Bedeutung von Kultur untermauern hätten können, ohne dass ich damit doch diese Zeiten oder Orte oder Umstände mit den heutigen in irgendeiner Hinsicht verglichen hätte. Wenn das aber dennoch so verstanden worden ist, dann tut es mir leid, das war nicht meine Absicht.
Der zweite Vorwurf ist der, ich würde in meiner Aussage ignoriert haben, dass Kultur, speziell die Musik, Häftlingen in den Konzentrationslagern aufgezwungen und auf barbarische Weise gegen sie missbraucht wurde. Das ist richtig. Aus diesem Grund hätte ich dieses Beispiel besser nicht heranziehen sollen.
Ich möchte aber dennoch zumindest erklären, dass es mir natürlich nicht um diese Form von „Kultur“ in Konzentrationslagern ging, sondern dass ich an die dachte, die Häftlinge aus eigenem Antrieb, manchmal unter großen Gefahren, herstellten. Denn darüber hatte ich vor Kurzem gelesen, und es hatte mich sehr beeindruckt und berührt. Ausführliche Informationen zum Thema Musik in Nationalsozialistischen Konzentrationslagern gibt es von Helmke Jan Keden auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung.
Ein vielschichtiges Thema
„Mehr als einmal“, erinnert sich Hermann Langbein, „bin ich in diesem Probesaal gestanden und habe deutlicher als jemals vor – oder nachher – die Kraft der Musik gefühlt, die davon kündet, daß es außerhalb von Auschwitz eine menschliche Welt gab (...).“ (Hermann Langbein, Menschen in Auschwitz, Wien 1972, S. 151.) Zum Thema bildende Kunst gibt es Informationen auf dieser Seite.
Es ist ein vielschichtiges, sensibles Thema. Wenn es heißt, es sei ein Hohn, dass ich über Künstler*innen im KZ sage, es hätte ihnen die Kunst Hoffnung gegeben, dann kann ich dazu nur sagen, dass ich diese Künstler*innen natürlich nicht meinte, die unter Zwang agierten, sondern die, die dies aus eigenem Antrieb taten. Verhöhne ich damit automatisch die, die ich gar nicht meinte, und die mit meiner These nichts zu tun haben?
Und von dieser Frage komme ich dann zu der, wie man überhaupt vielschichtige Themen in einem kurzen Meinungstext befriedigend behandeln kann. Es gibt immer Aspekte eines Themas, die ich gar nicht oder nur oberflächlich unterbringen kann. Und dann kann man mir natürlich vorwerfen, diesen oder jenen Aspekt nicht berücksichtigt zu haben.
Etwas nicht zu berücksichtigen, ist auch eine Aussage. Wenn ich mich also auf Künstler*innen in einem KZ beziehe, die Hoffnung aus der Kunst schöpften, dann muss ich auch die große Gruppe derer erwähnen, die damit gequält und verhöhnt wurden. Damit nicht Menschen, die darüber nicht informiert sind, sich eine falsche Meinung über die Zustände im KZ bilden könnten. Das sehe ich ein.
Wenn das aber die Konsequenz ist, dass es für mich als Kolumnistin, Pflicht ist, umfassend zu informieren, über die Umstände, auf denen meine Meinung beruht, anstatt diese Themen nur anzureißen, welche Auswirkung hat das dann auf den Charakter des Textes, den man eine Kolumne nennt? Ich bin, zugegeben, ratlos.
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