Kolumne Pflanzen essen: Giftige Blicke
Veganer werden auch krank. Liegt man mal flach, dann haben Fleischfresser diesen triumphierenden „Siehste!“-Ausdruck im Gesicht.
A ls Veganerin wage ich es kaum, mich darüber zu beschweren, sollte ich ausnahmsweise mal krank sein. „Das kommt von deiner Ernährung“, meinte Tante Hedy während meines letzten Heimatbesuchs in der Pfalz süffisant, als ich in ihrer Anwesenheit niesen musste. Dass das Niesen ihrem neuen Parfum zuzuschreiben war, merkte sie nicht, und dass sie sich, ihrer fortschreitenden rheumatoiden Arthritis wegen, kaum noch die vom Arzt verbotene Leberwurst aufs Brot streichen konnte, ignorierte sie.
Für die zwei, drei Tage im Jahr, an denen ich tatsächlich krank bin, habe ich mir eine Ausredenliste zugelegt. Fieber? I wo, ich war in der Sauna. Magenkrämpfe? Quatsch, zu viel Pilates! Als Vertreterin der pflanzlichen Ernährung fühle ich mich in die Pflicht genommen, die vegane Wonder Woman geben zu müssen. Ich ernähre mich pflanzlich, also habe ich auch gesund zu sein.
Legt mich doch mal eine Bazille flach, plagt mich der Gedanke, als Veganerin versagt zu haben. Andere Veganer schauen mich dann an, als hätte ich heimlich Milch getrunken – die verschleimt die Atemwege – und Fleischfresser haben diesen triumphierenden „Siehste!“-Ausdruck im Gesicht.
schreibt für die taz alle zwei Wochen über veganes Leben.
Fakt ist: Veganer werden auch krank, meiner Erfahrung nach aber längst nicht so oft wie unsere alles vertilgenden Mitmenschen. Aber ebenso wie jene sind wir anfällig für Diät-Debakel. In der Vorweihnachtszeit kann ich mich durchaus eine Woche lang von Plätzchen ernähren. Dem Zucker-Hoch folgt, hatschi, das Immun-Tief. Außerdem sind auch Veganer nicht gegen toxische Substanzen in der Umwelt gefeit. Vor allem nicht gegen die giftigen Blicke vieler Fleischfresser.
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