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Kolumne Luft und LiebeWohin jetzt mit den ganzen Titten?

Eine neue Studie zeigt: „Sex sells“ stimmt gar nicht. Sex in der Werbung lenkt nur ab. Hoppla! Erst mal Krisensitzung.

Wir hoffen sehr, das Bild lenkt nicht von der Kolumne ab. Foto: van dalay / photocase.de

U psi. Das ist jetzt aber dumm. Das, äh … nun ja. Es gab da so eine Studie. Da kam was raus. Sozusagen. Also … ja. Da kam raus, dass Sex gar nicht hilft beim Verkaufen. Sondern eher stört. Na toll!

Folgendes ist passiert: Amerikanische Wissenschaftler haben 53 verschiedene Experimente ausgewertet. Die Frage: “Do Sex and Violence Sell?“ Es ging um die Wirkung von Werbung, die Sex und/oder Gewalt enthält oder zum Beispiel als Werbepause bei sex- oder gewalthaltigen Filmen läuft. An den Studien, die zwischen 1971 und 2015 durchgeführt wurden, waren insgesamt knapp 8.500 Testpersonen beteiligt. Die Leute wurden zum Beispiel gefragt, ob sie sich an den Namen der Marke aus der Werbung erinnern, wie sie die Marke generell so finden und ob sie die kaufen würden.

Es kam raus: Ja, Leute gucken da hin. Leute finden Sex und Gewalt interessant. Aber: Sie gucken so sehr hin, dass sie abgelenkt werden vom beworbenen Produkt und sich den Namen des Produkts sogar schlechter merken, als wenn es ihnen ohne Sex und ohne Gewalt präsentiert wird.

Die Autoren der Studie, Robert B. Lull und Brad J. Bushman, erklären das im Psychological Bulletin evolutionspsychologisch: Sex interessiert die Leute, weil sie sich fortpflanzen wollen. Gewalt interessiert sie, weil sie überleben wollen. Es macht also Sinn für sie, Hinweise auf Sex oder Gewalt wahrzunehmen. Man sollte nicht dazwischen latschen, wenn ein Mammut und ein Tyrannosaurus rex sich prügeln. Ob das Mammut ein Werbebanner trägt, auf dem steht „Esst mehr Obst!“ oder „Hornbach: Es gibt immer was zu tun“, ist egal.

Hilft alles nichts

Gewalt schneidet in der Analyse noch einen Tick schlechter ab als Sex: Marken, die in einem Kontext von Gewalt beworben wurden, blieben den Testpersonen schlechter im Gedächtnis, wurden insgesamt schlechter bewertet und auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit gekauft. Marken, die mit Sex beworben werden, wurden vor allem schlechter bewertet; nicht unbedingt schlechter gemerkt oder verkauft. Insgesamt ist das Fazit aber: „Gewalt und Sex haben die Wirksamkeit von Anzeigen nie verbessert und oft verschlechtert.“

Oh nein, nein, nein! Wohin jetzt mit all den Titten? Wohin mit den Milliarden von Agenturfotos, auf denen Frauen mit wenig Kleidung ein Salatblatt, ein iPad oder ein Abführmittel neckisch anlächeln, als wäre es der Schwanz ihres Lebens (den sie vermutlich gar nicht so anlächeln würden, niemand lächelt irgendwas so an, außer Leute auf Agenturfotos, aber egal)? Wohin mit den Bildern, auf denen Frauen Uhren lecken und im Bikini mit Sommerreifen kuscheln?

Krisensitzung beim Focus und Stern! Jahrzehntelang haben deren Layout-Abteilungen sich hauptberuflich damit beschäftigt, einmal pro Woche die güldene Münze zu werfen, das sogenannte „Ei des Führers“, das entscheidet, ob sie nun Titten oder Hitler aufs Heft packen. (Die Münze eiert leider, sie zeigt in 92% der Fälle Brüste.) Aber wenn Sex gar nicht sells: Wie macht man eine Titelseite zu Naturheilkunde und später Schwangerschaft mit Hitler? Gleich mal beim Spiegel nachfragen. Die sollten das wissen.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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13 Kommentare

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  • Gehörte der "Hornbach-Hammer" jetzt in die Kategorie "Sex" oder in die Kategorie "Gewalt"?

    Vielleicht ist es ja gerade die richtige - und möglichst virtuelle - Mischung aus beidem, was das Lager schneller räumen kann. Klar, Sex und Gewalt lenken ab, aber mich muss man heute auch schon verdammt intensiv ablenken, um mir noch Produkte zu verkaufen, die ich eigentlich gar nicht brauche. Unterhalb von Zauberei läuft da praktisch gar nichts.

      • @lichtgestalt:

        Ich bin entsetzt! Wenn Tiere Geld hätten, könnte man ihnen auf jeden Fall Sex verkaufen. Den "Hornbach-Hammer" würden sie aber vermutlich liegenlassen.

  • Tja, ich habe bisher noch nie vernommen, dass die Evolutionspsychologie irgendein menschliches Phänomen anders als mit Sex oder Gewalt erklären würde. Soviel zur Qualität dieser Erkenntnis.

    • @Ruhig Blut:

      Tja, in der Mathematik stand an dieser Stelle einer Rechnung früher immer w.z.b.w. - was zu beweisen war.

       

      Sie gehören offenbar zu denen, die noch immer mit ihren Alpha-Trieben kämpfen, obwohl die Gesellschaft ihnen mittlerweile durchaus auch andere Angebote macht. Wenn irgendwo Gewalt oder Sex draufsteht, müssen Sie glotzen. Begreifen müssen Sie nichts. Und etwas anderes als die Basis-Angebote wahrnehmen müssen Sie erst recht nicht.

       

      Aber keine Angst: Evolution ist machbar, auch für Sie. RUHIG BLUT, also, ein wenig Mut und etwas Selbstvertrauen, dann brauchen Sie auch nicht gleich aufzugeben. Sobald Sie sich frei gemacht haben von ihrem Steinzeit-Bauch, werden Sie bestimmt auch noch was anderes entdecken als die runzlige Karotte, die gewisse Leute Ihnen vor Ihr Esel-Näschen halten, damit sie brav in die gewünschte Richtung traben.

      • @mowgli:

        Ironie gehört nicht zu ihren Kernkompetenzen, oder? Lesen Sie meine zwei Sätze oben einfach noch einmal, bevor Sie wieder losgeifern.

        • @Ruhig Blut:

          Wat höbt wi lacht - heißt es solchenfalls - wie hier - anne Kante -

           

          Rein tonn högen - wenn sich zwei

          Taschendiebe in dieselben fassen;)

           

          (ps: wobei natürlich nicht ernsthaft

          via Argot - öh Alice im Wonderbraland ins Spiel der - divergierenden Kräfte - puh - noch der schwyzer Glockenfrage gebracht werden soll;)

          …ok - was noch zu beweisen wär!¡;)

           

          Denn erneut gilt -> Männer können besser sehen als Denken; - öh - …

          Frauen auch.

          • @Lowandorder:

            "Männer können besser sehen als Denken.."

             

            Da hilft nur: "Augen zu und durch."

  • Mich interessieren Werbeinhalte generell nicht. Deshalb: Wenn mir schon Werbung aufgedrängt wird, dann bitte wenigstens mit wohlgeformten Titten.

  • Paradox

     

    Der weibliche Busen ist eigentlich für

    Kleinkinder gedacht aber die Erwachsenen wollen immer damit spielen.

  • die nächste Studie befasst sich mit dem Thema, Liebesleben der Pflastersteine unter Einwirkung der Sonnenstrahlen !

  • Kolumne Luft und Liebe

    Wohin jetzt mit den ganzen Titten?

     

    Erster Schritt -

    Minimizer 70 e -

    Krönt die Figur

  • Tierbildchen illustrieren Texte doch immer noch am allerbesten. Wirklich süß die beiden Möpse!

     

    Und der Text?

     

    Also - die Autoren der Studie hießen "Lull" und "Bushman" - mir persönlich reicht das eigentlich schon völlig, aber ich lese den Rest dann morgen trotzdem noch.