Kolumne Geht’s noch?: Adolf soll seinen Namen tanzen

Eine Waldorfschule hat das Kind eines AfD-Politikers abgelehnt. Die volksgemeinschaftliche Empörung darüber ist das Beunruhigendste daran.

Blick in ein Klassenzimmer

Reicht wohl nicht, um ein AfD-Kind zu demokratisieren: Klassenzimmer einer öffentlichen Schule Foto: dpa

Kaum durfte der kleine Adolf oder die kleine Eva nicht lernen, ihren Namen zu tanzen, da brach diese Woche auch schon der Sturm über eine Berliner Waldorfschule los.

Die Schule war ohne Not so ehrlich und anständig gewesen, die Aufnahme des Kindes eines nicht unbedeutenden Berliner AfD-Funktionärs abzulehnen – und zwar mit Hinweis auf die Konflikte, die das politische Wirken dieses Überzeugungstäters in der Schulgemeinschaft heraufbeschworen hatte. Die Schule erklärte, man sehe keine Möglichkeit, „das Kind mit der nötigen Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit aufzunehmen – beides sind Grundvoraussetzungen, um die Entwicklung des Kindes angemessen zu fördern“.

Eltern und Gremien und Lehrer der Schule hatten also nicht nur getan, was Politiker seit Jahren in ihren Sonntagsreden fordern: Courage gegen rechts zeigen und den „Aufstand der Anständigen“ in die Tat umsetzen; nein, sie haben bei aller berechtigten Abscheu vor der völkischen, menschenverachtenden Partei der Höckes und Gaulands auch nicht aus den Augen verloren, um wen es in jeder Schule eigentlich gehen sollte: um den Einzelnen. Um das Kind.

Für den AfD-Funktionär ist das Wohl seines eigenen Sprösslings hingegen ­offensichtlich zweitrangig. Er will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, fordert stattdessen nun die Schule zu einem neuen Gespräch auf und sieht sich durch die „Debatten der letzten Tage“ in seinem rechtsradikalen Kulturkampf bestärkt.

Und da hat er leider nur allzu recht.

Denn abgesehen von der luziden, so grundsätzlich privatschulfreundlichen wie überaus waldorfkritischen („Sekte“) Wortmeldung von Alan Posener in der Welt, waren sich Medien und Politik dermaßen einig, als könnten sie es gar nicht erwarten, die von der AfD herbeigesehnte Volksgemeinschaft schon einmal Wirklichkeit werden zu lassen.

Dass dabei ausgerechnet die Berliner Bildungssenatorin Sandra Scheeres von der SPD die Reihen schloss, einer Partei also, die wesentlich dafür verantwortlich ist, dass viele Berliner Schulen wie öffentliche Bedürfnisanstalten riechen und wie Schrottplätze aussehen, zeigt, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

Die schnöselige Waldorfschule, die nun mal nicht in Elternarbeit ihre Wände braun lasieren möchte, eignet sich einfach zu gut dazu, vom jahrzehntelangen Totalversagen in der Schulpolitik abzulenken, als dass man der Versuchung erliegen könnte, sich an das antifaschistische Erbe der eigenen Partei zu erinnern.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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