Kolumne Geht’s noch?: Mer losse dr Dom in Kölle
In Immerath ist in dieser Woche ein Backsteingebäude abgerissen worden. Greenpeace protestierte dagegen. Doch die Aufregung ist bigott.
Die „Kohle-Taliban“ waren wieder am Werk. Die ruchlosen Kulturzerstörer von RWE haben es doch tatsächlich gewagt, eine Kirche niederlegen zu lassen. Einst ward sie dem heiligen Lambertus zugeeignet, geboren um 635 in Maastricht, der half, den christlichen Glauben im Rheinlande zu verbreiten, der aber von ruchloser Mörderhand Anno Domini 705 in Lüttich erschlagen wurde.
Erschlagen ist nun auch sein wunderbares Haus, der Immerather Dom, den fleißige Hände vor mehr als einhundert Jahren aus Feldbrandsteinen errichtet haben, um Gott zu gefallen, mit zwei 40 Meter hohen Türmen weit ins christkatholische Land grüßend. Der selbstlose Einsatz mutiger Greenpeace-Freunde an langen Seilen konnte das zerstörerische Werk der von RWE angeheuerten Kulturbanausen zwar aufhalten, nicht aber verhindern. Jetzt ist das Gotteshaus ein Schuttberg auf dem Altar der schmutzigen Kohlefresser, die sich ob ihrer horrenden Profite, diabolisch grinsend, die Hände über CO2 fressenden Lagerfeuern reiben.
Nun mal halblang, bitte. Bei dem zum Dom apostrophierten Gebäude handelt es sich um ein Backsteinbauwerk im einfallslosen neoromanischen Stil der Kaiserzeit, wie es Hunderte ähnliche im Rheinland und darüber hinaus gibt. Ja, auch das stellt Kultur dar, aber keine besonders wegweisende. Als Gotteshaus war das Haus schon seit dem Jahr 2013 entwidmet, und in Neu-Immerath entsteht dafür eine neue, hoffentlich architektonisch ansprechendere Kirche.
Der Protest gegen den vorgeblichen Kulturfrevel war zwar von Greenpeace wie immer generalstabsmäßig organisiert, allein die früheren Anwohner, denen die Zerstörung ihrer Kirche wohl tatsächlich ans Herz gegangen ist, spielten dabei keine besondere Rolle. „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen“, hatten die gottesfürchtigen Greenpeacer auf ihr großes Banner geschrieben – eine peinliche Anlehnung an Heinrich Heines furchtbar prophetisches „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“. Hier sei klargestellt: RWE ist zwar ökologisch betrachtet ein Scheißladen, aber, nein, das Unternehmen will niemanden umbringen, und schon gar nicht handelt es sich bei dessen Managern um Neonazis, auch wenn diese mit Vorliebe Braun(!)kohle verfeuern.
Merke: Es gibt viele gute Gründe zum Protest gegen den Braunkohletagebau am Niederrhein. Der Abriss einer ehemaligen Kirche im Geisterdorf Immerath zählt aber nicht dazu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen