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Kolumne Fremd und befremdlichBedrückender Wandel

Kolumne
von Katrin Seddig

Im Harz wird es auf längere Zeit sehr viel trockener werden. Wir müssen Verantwortung übernehmen. Wir brauchen andere Gesetze.

Der Borkenkäfer mag den Klimawandel: Blick auf einen befallenen Nadelwald bei Braunlage Foto: dpa

W ir waren im Herbst in Wernigerode. Ich fahre gerne im Herbst in den Harz, weil das einer der schönsten Orte ist, wo man im Herbst sein kann. Man muss natürlich wandern. In diesem Urlaub also, es war im Oktober, fiel uns auf, dass es in den Wäldern sehr trocken war. Besonders fiel es uns auf, als wir um die Zilliertalsperre wanderten, denn man konnte deutlich sehen, wie das Wasser zurückgegangen war, wie es das Becken nur noch halb ausfüllte. „Es kommt uns ganz trocken vor“, sagten wir zu einer Frau in einem hübschen, alten Museum zwischen alten Bildern. Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Es vertrocknet alles“, sagte sie, „seit Himmelfahrt hat es nicht mehr geregnet.“

Vielleicht freut es die meisten, wenn es während ihres Urlaubes nicht regnet, aber wir stiefelten etwas verzweifelt durch die vertrockneten Wälder. Und da bekam ich das erste Mal eine ganz unmittelbare Vorstellung davon, was es bedeutet, wenn unsere Umwelt sich radikal ändert. Wenn die tröstliche Natur zu etwas Bedrückendem wird, der Aufenthalt im Wald zu etwas Düsterem, Traurigem. Kein Regen.

Es bedrückte die Menschen der Region enorm, das bekamen wir mit. Meine Mutter wohnt in Brandenburg an einem See, einem See sogar mit einer Fähre, und dieser See trocknet derzeit rasend schnell aus. Es gibt eine Bürgerinitiative, die versucht, diesen See zu retten, denn was ist eine Stadt an einem ausgetrockneten See?

Alles ändert sich, was man auch tut, es ändert sich zwangsläufig, das lernt man irgendwann im Leben, dass nichts bleibt, wie es war. Und das ist normal, das ist das Leben. Aber was sich jetzt gerade ändert, im Großen, das ist beängstigend. Aus diesem Grund wollen viele Menschen davon nichts wissen. Sie schließen die Augen und singen: „Lalalalala“, wie die kleinen Kinder, die denken, mit geschlossenen Augen kann ihnen nichts geschehen. Sie hassen diejenigen, die ihnen Angst machen, mit ihren Studien und Prognosen, anstatt diejenigen, die verantwortlich sind für diese Entwicklung, anstatt selbst Verantwortung zu übernehmen.

Wir brauchen Gesetze, die das Zerstören unserer Umwelt zum Verbrechen erklären
Bild: Lou Probsthayn
Katrin Seddig

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Es gibt aktuell eine neue Studie, die nicht Umweltverbände, sondern die Harzwasserwerke in Auftrag gegeben haben. Und aus dieser Studie ergibt sich eine Prognose für den Harz, die erschreckend ist. Der Klimawandel soll sich im Harz stärker auswirken, als bisher angenommen. Was wir beobachteten, was die Menschen dort längst beobachtet haben, das ist auch so. Es gibt weniger Regen. Es wird auf längere Zeit sehr viel trockener werden.

Die Harzwasserwerke sind Niedersachsens größter Trinkwasserversorger. Und sie müssen sich natürlich Gedanken über solche Dinge machen. Wird das Wasser reichen? Aber ich mache mir Gedanken um das große Ganze. Es ist so bedrückend. Es scheint so zu sein, als ließe sich die Katastrophe nicht mehr aufhalten. Und ich beobachte, wie die Kinder auf den Straßen demonstrieren, ich beobachte, wie Menschen den Braunkohletagebau stürmen, wie sie sich mit all ihrer Kraft gegen jemanden stemmen, der erwiesenermaßen als einer der größten Verantwortlichen für diese Dinge gilt.

Ich habe am Wochenende die Ende-Gelände-Aktionen nur über die sozialen Medien verfolgt. Was bleibt uns anderes übrig, als beim nächsten Mal dabei zu sein? Wie kann man noch Gesetzen gehorchen, die Firmen in ihrem Betrieb schützen, die uns die Luft nehmen, das Wasser, die unsere Lebensgrundlage langsam aber sicher zerstören? Um welches Recht geht es?

1940 hatte Adolf Hitler Recht. Was bedeutet das im Nachhinein? Hatte Erich Honecker Recht, als er die Leute einsperrte und das eigene Volk bespitzeln ließ? Hatte er Recht, weil die Gesetze so waren? Wir brauchen andere Gesetze, Gesetze, die uns schützen, die unsere Kinder schützen und deren Kinder, Gesetze, die das Zerstören unserer Umwelt zum Verbrechen erklären, und nicht das Aufmerksammachen auf diese Zerstörung. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ich bin gerade emotional.

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6 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zunächst: Emotionalität ist KEINE Krankheit im Sinne des ICD 10. Au contraire: Emotionalität in angemessener Dosierung ist - abseits des Wutbürgertums - eine gesunde Reaktion. Gesund für sich selbst und für die Anderen.

    Wer sich nicht empört, der lebt heute verkehrt.

    Mein subjektiver Eindruck: schon längst wird - natürlich hinter den Kulissen - damit begonnen, sich auf die Veränderungen des Klimawandels einzustellen. Statt sie versuchen zu verhindern.

    Eine unrühmliche Rolle spielen hier mal wieder meine speziellen Freunde der Mainstream-Medien. Wem zur gegenwärtigen Hitzewelle nichts besseres einfällt als über Rekorde zu schwadronieren und zu feiern, dass es gestern in zwei ostdeutschen Orten 0,1° wärmer war als beim bisherigen Juni"rekord", der zeigt nur Eines: ein schwer übertreffbares Hirnvakuum.

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Da ist nicht nur ihr subjektiver Endruck Herr Leiberg. Das Sind aktuelle Tatsache.

      Denn der Klimawandel klopft nicht irgendwann die in 20 Jahren an die Türen um zum Äppelwoi einzuladen und ein Hirnvakuum zu füllen sondern findet bereits heute statt.

      Und selbstverständlich muß man sich auf den Wandel dann auch einstellen. Da gibt es kein „statt“ bei den Handlungen. Da gibt es nur noch ein „und“.

  • Nicht nur Recht haben und recht kriegen ist zweierlei. Auch recht haben und Recht haben ist nicht das selbe, Rechtschreibreform hin oder her.

    Immer schon hatten die, die brutal und mächtig genug waren, Angst zu schüren, mehr Rechte als die, die das nicht konnten oder wollten. Darüber wird im Konsens-Deutschland dieser Tage nur nicht gerne gesprochen. Man spricht lieber über die, die noch nicht mächtig genug sind, es aber gerne wären.

    Und doch sollte der kleinen aber feinen Unterschied zwischen recht haben und Recht haben Thema sein. Denn es hat Folge, wenn Konzerne, deren Geschäftsmodell auf der Verschwendung oder Vernichtung lebensnotwendiger Ressourcen beruht, rechter haben als Leute, die das kritisieren. Und zwar für alle Menschen.

    Wenn diejenigen, deren Jahresumsatz eine bestimmte Grenze überschreitet und die als systemrelevant eingestuft wurden, einen unmittelbaren Einfluss auf neue Gesetze haben (zwar ohne auch nur gedroht oder bestochen haben zu müssen), ist das lebensgefährlich. Auch für die Demokratie. Vor allem dann, wenn zum Ausgleich für die so geschaffenen Privilegien andere, denen das Prädikat aus Ignoranz und/oder Dummheit nicht verliehen wurde, die ganze Härte restriktiver Gesetze zu spüren kriegen.

    Ja, wir brauchen Gesetze, die das Zerstören unserer Umwelt zum Verbrechen erklären, nicht das Aufmerksammachen auf diese Zerstörung. Gesetze, die um so strenger sind, ja größer die Wirkung eines Verstoßes sein kann. Und nein, das ist keine emotionale Feststellung. Es ist durch und durch rational. Denn kein Mensch kann Geld atmen, essen oder trinken. Auch die nicht, die viel zu viel davon besitzen.

    Die Probleme, die eine unregulierte Globalwirtschaft verursachen, enden nicht an nationalen Grenzen. Niemand kann sich ihnen durch Flucht entziehen. Das ist so neu, dass noch nicht jeder es kapiert hat. Leute aber, die nichts kapieren, müssen beaufsichtigt werden. Das gebietet die Menschlichkeit. Mehr gibt es dazu nun wirklich nicht zu sagen.

    • @mowgli:

      Umwelt wird in Deutschland immer noch im nationalen Maßstab zerstört: Landwirtschaft, Verkehr und Siedlungsbau. Mit einer unregulierten Globalwirtschaft hat das wenig zutun.

  • Volle Zustimmung!



    Die Talsperren im Sauerland waren letzten Sommer teilweise nur noch traurige Rinnsale. Dabei sagte man im letzten Jahrhundert, dass die Tendenz zur Einheitsjahreszeit unverkennbar sei: kühl und regnerisch, seit es im Winter oft nicht mehr kalt genug wird für Schnee.



    Letzten Sommer sind aber Trinkwasserquellen im oberen Sauerland komplett versiegt und Orte mussten mit Wassertanklastern versorgt werden bis kurz vor Weihnachten!



    Aber es will ja in diesem Land immer noch niemand in Regierungsverantwortung wirklich etwas gegen den Klimawandel tun...



    Was bleibt übrig: wählen gehen!!!



    Verantwortliche Parteien an die Macht schicken!

    • @Mainzerin:

      Wählen gehen, protestieren, den Umweltnotstand ausrufen, Initiativen gründen. Im Harz sind die Menschen besorgt? Wirklich? Dann dort beginnen. Ihnen eine Stimme geben, zuhören, mit ihnen sprechen, den Umweltnotstand, den es bereits gibt, namhaft machen, laut werden, sichtbar. Diskussionsversnstaltungen organisieren, die klimawandelbewussten Jugendinitiativen einladen. Es gibt viel zu tun, aufstehen, die versteinerten Verhältnisse zum Tanzen bringen.