Kolumne Flimmern und Rauschen: Doch noch hoch auf die Plattformen

Die Sender müssen sich gegen digitale Konkurrenz absichern. Der ARD-Vorsitzende hat die Verantwortung nun an die Medienpolitik weitergereicht.

Ulrich Wilhelm übereicht Papst Franziskus ein Geschenk

Ob der Papst dem ARD-Vorsitzenden Wilhelm (links) wohl bei seiner „europäischen Plattform“ helfen kann? Foto: dpa

Eine Plattform ist laut Duden die „mit einem Geländer gesicherte ebene Fläche auf hohen Gebäuden, Türmen o. Ä. (von der aus man einen guten Ausblick hat)“.

Auch in der medialen Welt steht der Plattformbegriff aktuell ja hoch im Kurs, nämlich als eine einheitliche Grundlage, auf der dann Anwendungsprogramme laufen. Beziehungsweise noch genauer als digitale Plattformen zum verteilen medialer Inhalte. Aber es ist schon verblüffend, wie viel auch das immer noch mit dem Duden zu tun hat: Denn auch hier geht es um Orientierung, Auffindbarkeit, einen „guten Ausblick“, den man im digitalen Zusammenhang besser Nutzerfreundlichkeit nennt. Und es geht auch um Absicherung gegen die digitale Konkurrenz, also andere Plattformen wie Netflix & Co., die da in vielen Punkten schon deutlich weiter sind.

Weswegen derzeit alle Sender-Mediengewaltigen davon den Mund gar nicht voll genug nehmen können und sich auch ständig gegenseitig auf die Plattform einladen. ProSiebenSat.1 plant mit Discovery eine gemeinsame Streaming-Plattform. Und ProSiebenSat.1-Vorstandschef Max Conze hat auch die öffentlich-rechtlichen Sender und RTL eingeladen, mitzumachen. Das war allerdings schon Mitte letzten Jahres, und so richtig viel gehört hat man seitdem nicht mehr.

Das ZDF ist mit ZDFkultur vorgeprescht und hat hier auch alle „Veranstalter eingeladen, die guten Willens sind“. Die ARD gibt es in dieser Hinsicht mal wieder im Zweikanalton: Auf der einen Seite laboriert sie unverdrossen an der Runderneuerung ihrer viel zu komplizierten Mediathekenwelt und wird nicht müde zu betonen, wie sie könnte, wenn sie nur – äh: könnte bzw. wöllte – und sich nicht ständig in der ewigen Echternacher Springprozession zwischen Anstaltsvorbehalten, Befindlichkeiten und föderalen Fallen verheddern würde.

„Gemeinsame Plattformstrategie“

Auf der anderen Seite läuft sich auch schon länger der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm warm. Er möchte noch ein bisschen mehr als Conze, nämlich gleich die europäische Plattform mit allen Öffentlich-Rechtlichen, Privaten und am liebsten auch noch den Zeitungsverlagen. Um dann nicht nur Netflix und Amazon, sondern gleich den großen Drachen Google anzugreifen. Aber auch da läuft wenig, und die Verlage haben zum Wilhelm-Plan maximal höfliches Interesse geheuchelt.

Der ARD-Vorsitzende hat die Verantwortung nun an die Medienpolitik weitergereicht: Nur die könne seine Idee wirklich umsetzen. Die Medienpolitik wünscht sich immerhin eine gemeinsame Plattform zumindest der Öffentlich-Rechtlichen, schreibt mit ungetrübtem Blick für die Realitäten in ihre Papiere aber auch nur noch was von einer „gemeinsamen Plattformstrategie“. Weil man die ja auch haben kann, wenn es aus Befindlichkeitsgründen bei mehreren Plattformen bleibt. „Lange scholl’s bei Netflix noch – unsere Plattform lebe hoch“, würde Lurchi dazu sagen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.