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Neuer ARD-VorsitzenderWilhelm fehlt die Zeit zum Fernsehen

Der neue ARD-Chef Ulrich Wilhelm hat die Pläne für seine Amtszeit vorgestellt. Was für ihn nicht mehr tabu ist: Sparen beim Programm.

Ulrich Wilhelm, Intendant des Bayerischen Rundfunks, übernimmt den Vorsitz der ARD Foto: dpa

Berlin taz | Für das eigene Programm habe er kaum Zeit, sagt Ulrich Wilhelm. Er sei viel unterwegs, zum Fernsehen und Radiohören komme er nur selten. Er lasse sich aber berichten, was in der ARD, in seinem Heimatfunk, dem BR, und bei der Konkurrenz von Netflix und Amazon so laufe. Ulrich Wilhelm ist der BR-Intendant, der seit Anfang Januar der gesamten ARD vorsitzt.

Vielleicht liegt es daran, dass Wilhelm am Donnerstag vor Journalist*innen im ARD-Hauptstadtstudio den Satz sagte, den er in den vergangenen Wochen häufig gesagt hat: Wenn es keinen Teuerungsausgleich geben werde, wenn der Rundfunkbeitrag nicht gemäß der Inflation angehoben werde – dann müsse am Programm gespart werden.

Ab 2019 berät die zuständige Finanzkommission KEF wieder über die Höhe des Beitrags. So deutlich wie Wilhelm hat bisher kein*e ARD-Vorsitzende*r das Programmsparen angedroht. Wichtig sei ihm aber, innovatives Fernsehen zu machen: mehr kreative Serien, mehr aktuelle Dokus, weniger Talkshows, weniger Krimis.

Geld ist das große Thema des Ulrich Wilhelm. Nicht überraschend, denn wegen des Rundfunkbeitrags steht die ARD immer wieder in der Kritik. Nur ist es verwunderlich, dass Wilhelm zu Beginn seiner Amtszeit darüber hinaus nicht selbst ein Reformprojekt formuliert – wie etwa seine Vorgängerin Karola Wille mit ihrer Transparenzinitiative. Reformprojekte lässt er auf sich zukommen.

Druck von rechts

Denn es steht tatsächlich viel an in den zwei Jahren seiner Amtsperiode. Da wäre die politische Situation in Europa: Die Schweizer stimmen im März über ihre Rundfunkgebühr ab, in Österreich, Ungarn und Polen stehen die Öffentlich-Rechtlichen unter Druck. Die ARD stehe, so Wilhelm, in der Schweiz an der Seite des Öffentlich-Rechtlichen – dennoch sei Deutschland da mit seiner föderalen Struktur nicht vergleichbar.

Außerdem ist da noch der Dauerstreit mit den Verlagen. Wilhelm sagt, er habe Interesse an einer Einigung. Seine Zukunfts­idee: eine Plattform, die Verlage und Öffentlich-Rechtliche gemeinsam mit Inhalten füllen.

Wie genau die aussehen soll, dazu könne er erst in einem Jahr etwas sagen – genauso wie zur Frage des Leistungsschutzrechts. Karola Wille hatte zum Ende ihrer Amtszeit gesagt, sie könne sich vorstellen, mit den Verlagen gemeinsam dafür zu kämpfen, dass Suchmaschinenbetreiber bezahlen müssen, wenn sie Textausrisse anzeigen.

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3 Kommentare

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  • Hallo, ich hätte Zeit zum fernsehen, habe aber von Musik,Quiz,kochen, Krimi und Wiederholungen langsam die Nase voll. Und ansonsten ist das Angebot ja eher dünn. Gross dagegen die Sender. Der Öffentlich rechtl. Rundfunk in der BRD betreibt 11 Anstalten, 21 Fernsehsender und 61 Radioangebote!!

    Dabei sind zwangsläufig viele Formate doppelt und dreifach und damit unnötig. (stört aber keinen)

    Wöfür will Herr Wilhelm eigentlich mehr Geld? Schön wäre ein Sparvorschlag für weniger Sender, Radio und Anstalten, dann würde auch das Geld ausreichen.

  • Cool, drei Sparziele: kein Olympia, weniger Fußball, weniger überteurt produzierte Talkshows, die lediglich die Moderatoren auf Gebührenkosten reich machen.

     

    Dafür mehr Recherche und die guten Filme eher im Normalprogramm statt nach den Tagesthemen.

     

    Weniger auf die irre Quote schieln, dafür Qualität. Dan dürfte nach etwas Zeit auch die Quote wiederkommen.

  • Ich glaube, ich mag den Kerl schon jetzt nicht leiden. Und dabei hatte er noch gar nicht richtig Zeit, Schaden anzurichten.

     

    Ein Koch, der seine eigene Suppe verschmäht, ist mir einfach suspekt, schätze ich. Vor allem, wenn sich dieser Koch aus zwangsweise eingetriebenem Geld finanzieren lässt und als Hauptaufgabe „sparen“ angibt.

     

    Wenn einer "viel unterwegs" ist, ist das schließlich noch kein Grund, nicht Radio zu hören. Im Gegenteil. Wüsste ich nicht fünf oder sechs Stunden wöchentlich pendeln zwischen zu Hause und meinem Arbeitsplatz, sondern zehn oder zwölf, würde ich zehn oder zwölf Stunden Radio hören, nicht fünf oder sechs.

     

    Dieser Mann benutzt eine Ausrede, das steht für mich fest. Er will offenbar sein eigenes Programm nicht konsumieren. Wahrscheinlich ist er sich zu gut dafür. Gerne würde ich mich eines Anderen belehren lassen. Vorerst aber erwarte ich, dass das, was die ARD unter der Ägide dieses Mannes zusammenspart, nachher höchstens noch zum Zwecke der Unterhaltung stumpfsinniger, wehrloser Beitragszahler taugen wird, die sich ansonsten eine Netflix-Serie nach der anderen reinziehen würden und sich für Zeitfragen oder Hintergründe einen feuchten Kehricht interessieren. Dem gehobenen Geschmack eines Ulrich Wilhelm (wieso vermisse ich auf dem Foto eigentlich den Schmiss?) ist ein noch stärker "abgespecktes" Programm aber ganz gewiss nicht zuzumuten. Die ARD ist ja schon jetzt kaum noch erkennbar als öffentlich-rechtliches Programm mit Anspruch.

     

    „Ich weiß, sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser“, hat Heine mal geschrieben über Leute wie Herrn W. Die Zeiten, scheint mir manchmal, haben sich nicht sehr geändert seit Achtzehnhunderthosenknopf.