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Kolumne Erste FrauenÜbermenschliche Präzision

Kim Se-yeon ist E-Sportlerin und die erste Frau, die es in die „Overwatch“-Liga geschafft hat. Männliche Kollegen werfen ihr immer wieder Betrug vor.

Kim Se-yeon alias „Geguri“ rückte mit zunehmendem Erfolg mehr in die Öffentlichkeit Foto: Robert Paul/Blizzard Entertainment

D er Frosch konnte nur ein Betrüger sein. Der Ansicht waren jedenfalls seine Gegner. Und so versprachen sie, nie wieder anzutreten, sollte es sich wirklich herausstellen, dass dieser Frosch nicht cheatet. „Geguri“, eine Abwandlung des koreanischen Wortes für Frosch, heißt mit bürgerlichem Namen Kim Se-yeon und ist eSportlerin, die offiziell beste „Overwatch“-Spielerin der Welt und die erste Frau, die es je in die „Overwatch“-Liga geschafft hat.

Sie tritt als „Geguri“ an. Und weil sie das ziemlich erfolgreich tut, sorgte sie 2016 für einen handfesten Skandal. Denn – eine Frau im eSports kann ja gar nicht gut sein, es sein denn, sie ist eine Betrügerin.

„Ihre Leistung ist zu gut und ihre Präzision mit der Maus ist menschlich nicht möglich“, empörte sich eine Gruppe südkoreanischer Profis. Sie beschuldigten Kim Se-yeon, einen Aim Bot zu benutzen, ein Programm, das ihr illegal helfe zu zielen. Sie wollten sie sperren lassen. Sollte die Anschuldigung falsch sein, versprachen die Männer großzügig, würden sie ihre eigene Profikarriere beenden.

eSports ist für Frauen kein gutes Pflaster. Zwar bietet Gaming die Möglichkeit, anonym zu bleiben und damit relativ gleichberechtigt zu zocken. Im Profisport aber ändert sich das. Und wenn die Männerdomäne eSports auf die Hassdomäne Internet trifft, trieft es schnell vor Zynismus. Fälle von Mobbing und Sexismus sind allgegenwärtig.

Frauenquote im eSports liegt bei fünf Prozent

Die Zahl der Frauen im Profisport bleibt gering. Das liegt auch an geschlechtertypischen Vorlieben: Frauen können der Gewalt, den dominierenden Shootern und den muskelbepackten Helden und Körbchengröße-Doppel-D-Heldinnen nachweislich weniger abgewinnen.

Die Branchenverbände behaupten zwar gern, die Anteile von Spielern und Spielerinnen seien etwa gleich. 47 Prozent der Gamer seien nach einer Studie des Verbands „game“ von 2016 weiblich. Aber auf solche Zahlen kommt nur, wer Zeug wie Candy Crush Saga auf dem Handy mitzählt. Laut dem Netzwerk „Women in Games“ lag 2018 im eSports die Frauenquote bei etwa fünf Prozent.

Und Kim Se-yeon? Die wurde im Gaming-Hotspot Südkorea als Teenagerin nach einer Kinowerbung auf „Overwatch“ aufmerksam. Der Shooter, bei dem Teams mit verschiedenen Helden gegeneinander antreten, hat einen vergleichsweise hohen Anteil weiblicher Gamer. Trotzdem ist „Geguri“ die Erste und bislang Einzige, die es in große Höhen schaffte.

Mehr Spielerinnen bedeuten mehr Profit

Warum, ist leicht zu erkennen. Kaum eingestiegen, ergoss sich ein Shitstorm über die damals 16-jährige Südkoreanerin, die angebliche Betrügerin. „Geguri“ reagierte nonchalant und streamte ihr Spiel live in einem überwachten Studio. Sie traf so präzise wie eh und je. Die Ankläger mussten sich entschuldigen, und einige beendeten daraufhin tatsächlich ihre Profikarrieren.

Andere aber blieben, teils unter neuen Nicknames, aktiv. Nur einer wurde dafür zur Verantwortung gezogen: der Profigamer Koo Jae-mo, neuer Spitzname „Xepher“, wurde von seinem neuen Team wegen der Geschichte entlassen. Und fand ein anderes. Kim Se-yeon passte sich indessen brav der Branche an: „Ich bin nicht sauer auf ihn, das ist alles Vergangenheit“, sagte sie über Koo Jae-mo. „Macht euch keine Gedanken, schaut euch einfach die Liga an und habt Spaß.“ Solche Protagonistinnen hat die Branche gern.

Denn natürlich will sich die Industrie auf Frauen ausweiten. Mehr Spielerinnen bedeuten mehr Profit, und so steigt im eSports die Zahl der Fraueninitiativen und Frauenturniere. Kim Se-yeon hat schon vorher ihren Weg gemacht: Mit 17 wurde sie eine der jüngsten „Overwatch“-Profis, 2018 wurde sie als erste Frau in die neue Liga berufen. Allerdings nur auf äußeren Druck hin. Vorher hieß es nämlich: 100 Männer, null Frauen.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de
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