Sexismus im E-Game-Genre: Wer ist hier der Player?

Eine Südkoreanerin zockt besser als ihre männlichen Konkurrenten. Die drohen ihr mit Mord. Frankreich geht bereits gegen Gaming-Sexismus vor.

Die Protagonistin Zarya im Spiel Overwatch

Kim ist Südkoreas beste Playerin. Zarya ihr virtuelles Gesicht im Shooter Overwatch Foto: Blizzard

BERLIN taz | Roboter schwärmen aus, Blitze zappen auf, Explosionen donnern. Ein blauer Laser, dann spritzt rotes Blut. Manchem mag das wie ein bizarrer Fiebertraum vorkommen. Die 17-jährige Se-yeon Kim aus Südkorea ist in dieser Science-Fiction-Welt zu Hause. Das Ego-Shooter-Spiel Overwatch ist für Kim das, was für deutsche Fußballer die Allianz-Arena ist. Unter ihrem Gamer-Namen „Geguri“ gehört sie heute zu den besten Overwatch-Playern der Welt. Und genau beim Wort Player beginnt Kims Problem.

Bei der Qualifikation für den Nexus Cup, einer Meisterschaft für Pro-Gamer in China, führte die 17-Jährige ihr Team UW Artisan zum Sieg. Was einigen etablierten E-Sport-Teams die Teilnahme an der Endrunde verbaut hat. Diverse männliche Gamer zogen daraufhindie Fähigkeiten der 17-Jährigen lautstark in Zweifel. Mit einer Erfolgsquote von 80 Prozent hatte sie pro Schuss einen Gegner abgeräumt – und damit die Eitelkeit von Koreas Zocker-Prominenz, „Strobe“ und „ELTA“, herausgefordert.

Mit angekratztem Ego führten die beiden den wohl schärfsten Vorwurf der Gamerszene ins Feld: Kim muss eine Cheaterin sein. Sollte das nicht stimmen, würden sie sich aus dem Sport zurückziehen, drohten die Pro-Gamer dem Spielehersteller Blizzard. Der koreanischen Gamingseite Kotaku zufolge artete der Zorn gegen die neue weibliche Konkurrenz im Hintergrund aber noch weit dramatischer aus. „Sollte sich aus dieser ganzen Sache irgendwelche Probleme mit unseren Sponsoren ergeben, würde ich mit einem Messer in der Hand zu Geguris Haus gehen. Kein Scherz“, zitierte Kotaku einen Post des Spielers Strobe aus einem Overwatch-Forum.

Eine Morddrohung mit misogynen Motiven? Darüber wird in Südkoreas Gaming-Community gerade heftig gestritten. Die einen verteidigen die Aussage: Die Wut des E-Gamers richte sich nur gegen die 17-Jährige, weil sie als mögliche Betrügerin dem E-Sport samt Finanzierungsmodell schaden könnte. Vieles spricht aber dafür, dass die Gamer-Szene sexistisch auf Konkurrenz durch Frauen wie Kim reagiert. Nicht zuletzt zockt sich die junge Spielerin durch eine Welt, die überwiegend von männlichen, oft halbstarken Playern beherrscht wird. Auf die Liste der Top 50 der bestdotiertesten Pro-Gamer weltweit, die jährlich von sportsearnings.com erstellt wird, hat es bisher keine Frau geschafft.

Blizzard hat deeskaliert

Der Spielehersteller Blizzard hat die Anfeindungen der männlichen Gamer formgerecht deeskaliert. Er lud Se Yean Kim dazu ein, ihre Overwatch-Fertigkeiten vor laufenden Kameras zu demonstrieren. Was Kim dann auch tat: Maus und Tastatur reichen der 17-Jährigen, um ihre Gegner preisgeldverdächtig wegzulöten. Blizzard hat allen Grund, mit diesen PR-Maßnahmen gegen sexistische Äußerungen in der millionenschweren Pro-Gaming-Branche vorzugehen. Der Fall von Anita Sarkeesian hatte vor zwei Jahren unter dem Hashtag #Gamergate die Debatte um Sexismus in Computerspiele losgetreten – und die Szene gespalten.

Die US-amerikanische Feministin und Video-Bloggerin gilt als eine der ersten Frauen aus der Gamerszene, die Geschlechterentwürfe und Frauenbilder in Computerspielen öffentlich thematisiert hat und dies immer noch tut. Auf ihrem Blog Feminist Frequency präsentiert sie ihre Analysen zu weiblichen Rollenbildern, die auch in aktuellen Spielen eher wenig einfallsreich daherkommen. Frauen werden meist auf die Figur der „hilflosen junge Maid“ oder der halbnackten, drallbusigen Kämpferin im Stil von Tomb Raider reduziert.

Den Typus der Reizwäsche-Kriegerin greift Sarkeesain auch in der aktuellen Folge ihres Videoblogs „Tropes versus Woman“ auf. Joanna Dark etwa, die Heldin des Ego-Shooter-Hits Perfect Dark, räkelt sich im Vorspann nackt unter der Dusche, um dann mit Hot-Pants den Kampf gegen eine Invasion von Aliens anzutreten. Sarkeesian hebt nicht den Zeigefinger, sie übt feministische Kritik mit Humor: „Stellt Euch das doch mal mit Marcus Fenix oder Master Chief vor“. In ebenso lasziver Pose tauchen dann männliche Helden aus bekannten War-Games im Bad auf, sie seifen ihre Adoniskörper ein– ebenso schlüpfrig wie Joanna. Das finden nicht alle Gamer humorvoll und inspirierend.

Als Sarkeesian 2012 ihren Blog nach einem erfolgreichen Crowdfundingaufruf gestartet hatte, schlug ihr eine Hasskampagne anti-feministischer Gamer entgegen. Offene Gewalt- und Morddrohungen gegen die Bloggerin in Foren und sozialen Medien veranlassten selbst eingefleischte Gaming-Journalisten dazu, sich von der Szene zu distanzieren. „Es ist schwer, sich als Gamer zu identifizieren, wenn ein Großteil der Community, uns als ein Haufen hasserfüllten Soziopathen präsentieren will“, schrieb der US-amerikanische Spielejournalist Andrew Todd. Konkreter Anlass für seinen Beitrag war ein Online-Spiel namens „Beat Up Anita Sarkeesian“. Es markierte den Höhepunkt der Kampagne gegen Sarkeesian 2014. Per Mausklick kann die virtuelle Version ihres Gesichts verprügelt werden. „Schlag die Schlampe“ lautete der Untertitel des Spiels.

Frankreich fördert anti-sexistische Spiele

Als Sarkeesian zwei Jahre nach dem Start ihres Blogs, samt Familie aus ihrem Haus fliehen musste, nachdem sie ein Nutzer massiv per Email belästigt und bedroht hatte, reagierten schließlich auch die Spielerhersteller. In einem offenen Brief an die „Spielergemeinde“ forderten Vertreter von Unternehmen der Spieleindustrie, darunter von Electronic Arts, Ubisoft, Sony, Microsoft, Rockstar zu mehr Akzeptanz von Vielfalt auf. Niemand dürfe wegen seines Geschlecht, seiner sexuellen Orientierung, seiner Herkunft oder Religion als Spieler belästigt oder bedroht werden, heißt es darin. Diese Forderung hat inzwischen auch den Weg über den Atlantik gefunden.

In der öffentlichen Debatte um Sexismus in Computerspielen steht Frankreich derzeit europaweit an der Spitze. Die Regierung diskutiert verschiedene Möglichkeiten, um ein positives Frauenbild in Spielen zu fördern und den in diesem Genre grassierenden Sexismus zurückzudrängen. Axelle Lemaire, Staatssekretärin für digitale Ökonomie, schlägt vor, solche Games finanziell zu unterstützen, die ein positives Bild von Frauen und Vielfalt malen, berichtet Le Figaro. Außerdem werde ein Label zur Kennzeichnung von Inhalten erwogen, die den Respekt gegenüber Frauen propagieren. Sexistische Spiele wiederum sollten schwerer beworben werden können, etwa indem sie bei der Alterseinstufung PEGI als „diskriminierend“ und damit in der Kategorie „empfohlen ab 18 Jahren“ eingestuft würden.

In Südkorea hat die 17-Jährige Kim die wohl beste Antwort auf die Anfeindungen ihrer männlicher Konkurrenten gefunden. In ihrem eineinhalbstündigen Lets-Play-Video setzt sie der Sexismusfrage einfach eine rekordverdächtige Trefferquote entgegen. Die Gamer Strobe und ELTA haben daraufhin ihr Wort gehalten: Weil die 17-jährige tatsächlich keine Cheaterin war, haben sich die beiden jetzt aus dem professionellen Overwatch-Gaming zurückgezogen.

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