Kolumne „Durch die Nacht“: Frauen machen bessere Popmagazine

Musikmagazine eingestellt! Printmagazine sterben aus! Von wegen: In Berlin erscheinen nun wieder Musikmagazine – und sie sind lesenswert.

Eine Frau betrachtet Schallplattenhüllen in einer Ausstellung

Betrachtungssache, nicht nur für Musikmagazine: Plattenhüllen einer Ausstellung im Haus der Kunst in München (leider schon vorbei) Foto: dpa

Neulich habe ich auf dem Flohmarkt einen dicken Stapel Sounds-Hefte ergattert. Sounds, das war als Musikzeitschrift so eine Art Vorläufer von dem, was bald die Spex werden sollte, und sie bot Popmusikbetrachtung der intellektuelleren Sorte.

Als ich die Magazine von damals – vor allem die Ausgaben aus den frühen Achtzigern – nochmals durchgeblättert hatte, verstand ich erst so richtig, warum es Musikzeitschriften heute so schwer haben. Damals ging es im sogenannten Popdiskurs eben noch um alles. Hörst du die richtige Musik und versteht du ihre Codes, darfst du weiterlesen. Andernfalls: Verpiss dich! Und genau so wurde das auch geschrieben. Und wer einen Leserbrief hinschickte, musste immer damit rechnen, von der Redaktion eine gepfefferte Antwort zu bekommen. Herrlich! Etwas verwirrend finde ich allein, dass man sich damals anscheinend nichts dabei dachte, Schwarze konsequent mit dem N-Wort zu benennen. Ist halt doch alles sehr lang her.

Nun sind sie ja alle weg, die Musikzeitschriften, außer ein paar Ausnahmen. Die Sounds sowieso und zuletzt auch die Intro, die Groove und die Spex. Das war’s halt. Bleibt nur noch das Internet.

Stimmt aber gar nicht, stelle ich gerade fest. Die Musikzeitschrift ist tot, es lebe die Musikzeitschrift! Und zwar wieder eher so, wie sich einst auch die Sounds verstanden hat: als unabhängiges Produkt in der Anmutung eines Fanzines. Für etwas Bestimmtes brennen, statt Routine und immer nur neue Platten abzufeiern, das ist die Grundidee hinter so manchen neuen Printblättern zur Popkultur aus Berlin.

Die Verbindungen zwischen „Design und Pop“

Da gäbe es etwa nun die erste Ausgabe von Gosh, die sich ganz für die Verbindungen zwischen „Design und Pop“ interessiert. Plattenhüllen, Clubdesign, alles, was dazu dient, der Popkultur den nötigen Glanz zu verleihen, soll hier im ersten Heft und in der Zukunft näher untersucht werden. Spezialisierung also statt des Versuchs, thematisch alle mitzunehmen. Tatsächlich ein wenig wie einst bei der Sounds.

Genauso läuft das auch bei Vinyldyke, einem ebenfalls neuen Magazin, das jetzt debütiert. Die Themen sind andere als bei der Gosh; und auch optisch kommt es ganz anders daher. Hier wird sich an die gute alte Fanzine-Ästhetik aus einer Zeit erinnert, als man sich seine Magazine noch mit Schere, Klebstift und Schreibmaschine selbst zusammenbastelte, kopierte und die 200 Exemplare in den nächsten Plattenläden verteilte. Krakelige Typo, schlecht aufgelöste Schwarz-Weiß-Fotos, das sorgt hier für den nötigen Do-it-yourself-Charme. Themen sind Feminismus und Riot-Grrrls. L7, The Breeders, Sleater Kinney, die klassischen Bands der Szene, bekommen einmal mehr verdiente Würdigungen.

Für etwas Bestimmtes brennen, anstatt Routine und immer nur neue Platten abzufeiern

Und jetzt auch neu ist die vierte Ausgabe des Berliner Techno-und-Kultur-Magazins Borshch, die wieder so schick geworden ist wie die letzten Ausgaben auch schon.

Es fällt auf, dass sämtliche dieser Magazine von Frauen gemacht werden. Die dürfen zwar inzwischen verstärkt auch in anderen Medien über Musik schreiben, aber vielleicht noch immer in einem Rahmen, der doch eher von den männlichen Poperklärern gesteckt wurde. Design und Pop, Frauenpunk, das sind schließlich eher nicht die Themen, die regelmäßig in den großen Musikmagazinen rauf und runter verhandelt werden.

Die goldene Ära der Musikzeitschrift als Printprodukt – sie beginnt vielleicht jetzt erst.

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