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Kolumne Der rechte RandIn der Freizeit ein Hammerskin

Andreas Speit
Kolumne
von Andreas Speit

VW kündigte einem Neonazi wegen rechtsextremer Aktivitäten. Das Arbeitsgericht Braunschweig erklärt die Kündigung für nichtig.

Was tun mit rechtsextremen Mitarbeitern? VW hat es mit einer Kündigung versucht Foto: dpa

R echtsextreme Freizeitaktivitäten sind kein Kündigungsgrund. Mit dieser Begründung hat das Arbeitsgericht Braunschweig den Rauswurf von Denniz Kiebitz für nichtig erklärt. Das Volkswagenwerk Salzgitter hatte Kiebitz vergangenen Sommer wegen rechtsextremer Aktivitäten entlassen. Kiebitz wehrte sich – zu Recht, fand das Gericht: „Was der Mann in seiner Freizeit auch getan haben könnte, es stellt keinen Verstoß gegen seine Pflichten als Arbeitnehmer dar.“

Im Werk sind die politischen Aktivitäten Kiebitzens schon lange bekannt. Bereits 2013 organisierte er als Mitglied der Neonazi-Bruderschaft „Hammerskins“ ein bundesweites „National Officer Meeting“ im Dorfgemeinschaftshaus in Werlaburgdorf im Landkreis Wolfenbüttel. 30 Anhänger kamen.

Am 9. Juni 2017 störte der VW-Mitarbeiter mit einer Gruppe von 15 Rechtsextremen ein Konzert im „Bierkönig“ auf Mallorca mit einer Reichskriegsflagge und der Parole „Ausländer raus“. Nicht nur die Sängerin Mia Julia Brückner wollte sich das nicht bieten lassen, sondern auch andere Gäste. „Macht sofort die Scheiße da runter“, rief Brückner von der Bühne und sang mit ihren Fans „Nazis raus“ und „Jeder Nazi ist ein Hurensohn“.

Nach Buhrufen wurde die Gruppe aus der Partylocation hinausgedrängt. Brückner erklärte auf Facebook: „Ich werde niemals in meiner Gegenwart geschweige während meines Auftrittes diverse Flaggen, Handzeichen oder ähnliches tolerieren noch akzeptieren und schon gar nicht einfach weiter performen, nur weil es der ‚einfachere Weg‘ wäre … Hass, Gewalt und Schmerzen haben auf unseren Partys nichts zu suchen!!!!“

Der Vorfall fand Widerhall in den Medien. Auf Facebook erfuhr die Sängerin großen Zuspruch. Das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts erkannte Kiebitz auf Fotos, welche die rechtsextreme Reisegruppe feiernd im „Bierkönig“ oder mit Hitler-Gruß am Strand zeigen. Im Werk sollen damals Kollegen den Druck gegen Kiebitz erhöht haben. VW reagierte: Der Mitarbeiter musste einen Anhörungsbogen mit mehreren Fragen beantworten. Einen Monat nach dem Vorfall auf Mallorca wurde ihm fristlos gekündigt. Auch der Betreiber einer Diskothek in Braunschweig, wo der VW-Mitarbeiter als Türsteher jobbte, entließ ihn.

Andreas Speit

Andreas Speit arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Die „Hammerskins“ sind ein elitärer Kreis, der zur internationalen „White-Power-Bewegung“ gezählt wird. Organisatorisches Vorbild ist die Rocker-Szene. Die seit 1991 existierende und knapp 200 Personen zählende Gruppe fördert Bands und organisiert Konzerte. Kiebitz versicherte vor dem Arbeitsgericht, er gehöre nicht zu dem Netzwerk.

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12 Kommentare

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  • Auch wenn ich nur zähneknirschend das Urteil hinnehmen kann, möchte ich auf das Beamtenrecht verweisen. Hier zeigt sich, wie gerade ein Graubereich durch ein „Gesinnungsarbeitsrecht“ geschaffen wurde, der die Berufswahl und -Ausübung vieler Menschen getroffen hatte.

  • 9G
    96830 (Profil gelöscht)

    Nach Mallorca gehen und "Ausländer raus" rufen? Fällt denen tatsächlich der eklatante Denkfehler dahinter nicht auf?

     

    Man sollte endlich Nazi-sein als geistige Behinderung klassifizieren, weil genau das ist es.

  • "Gesinnungsarbeitsrecht" haben wir bislang zum Glück nur bei "Religionsgemeinschaften".

    • 9G
      96830 (Profil gelöscht)
      @Spitzbube:

      Unsere Gesetze sind differenzierter als Sie einfach aus dem Nichts behaupten:

      Man darf Menschen unter Umständen wegen ihren politischen Meinungen oder dem, was sie in ihrer Freizeit tun, kündigen. Ist auch nur logisch.

       

      Und was meinen Sie mit Religionsgemeinschaften?

  • Ganz ehrlich: gut so, dass die Kündigung nicht rechtens ist. Denn mit der gleichen Prozedur könnte man Linke kündigen und jemandem das Gehalt wegen seiner politischen Einstellung zu nehmen, ist in einer pluralistischen Gesellschaft schlicht falsch.

    • 9G
      96830 (Profil gelöscht)
      @BigRed:

      Links und rechts lassen sich nicht vergleichen, auch heutzutage rechtlich nicht.

      Wenn man Leute wegen Menschenverachtung und Rassismus kündigt, dann ist das kein Problem für Leute die gegen Menschenverachtung und Rassismus sind.

      • @96830 (Profil gelöscht):

        Wenn man ihnen aus diesem Grund kündigt, stimme ich zu. Wenn man ihnen allerdings kündigt, weil sie einer bestimmten Gruppierung angehören, macht man es sich zu leicht. Es gibt durchaus Linke, die der Meinung sei, dass Demokratie ein Holzweg sei. Deswegen jedem, der einer radikal linken Gruppe angehört, zu kündigen, stampft die Situation zu links=antidemokratisch ein.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @96830 (Profil gelöscht):

        Linken ist Menschenverachtung völlig fremd, da haben Sie recht.

  • Ilmenau, Wittenberg, Marzahn, Delitzsch, Zella-Mehlis – alles Orte, die in den „fünf neuen Bundesländern“ (kurz: im Osten) liegen. Braunschweig hingegen liegt eindeutig in den „alten Bundesländern“ (im sogenannten Westen). Als „am aktivsten“ bezeichnet die Wikipedia „das Chapter Westmark“. Auch die „Chapter“ Bremen und Bayern werden in dem Zusammenhang genannt. Wieso wurde also kein Bild gewählt, das besser zu Textinhalt gepasst hat? Weil Nazis ein reines „Ost-Problem“ bleiben sollen in der Wahrnehmung der „Wessis“? Wenn schon nicht verbal, dann wenigstens optisch, weil Bilder länger haften bleiben im Kopf? Vor allem, wenn man sie nicht reflektiert?

     

    Übrigens: So lange die Hammerskins nicht verboten sind, konnte musste das Gericht vermutlich sogar urteilen, wie es geurteilt hat. Sich über die Richter aufzuregen, die geltendes Recht anwenden, ist dumm. Klüger (wenn auch nicht viel hilfreicher) wäre es, sich über die Politik zu empören. Wieso schafft die nicht, was Julia Brückner (?) und ihre Fans im Bierkönigs auf Malle konnten? Vielleicht, weil Deutschland – allen anders lautenden Gerüchten zum Trotz – keine „Partylocation“ ist?

     

    Aber, hey, wo kämen wir eigentlich hin, wenn „Hass, Gewalt und Schmerzen“ in Deutschland gar nichts mehr zu suchen hätten? Worauf sollten sich denn dann die staatliche Autorität und sonstige "elitäre Kreise" stützen?

    • @mowgli:

      Zwischen Delitzsch und ?Blankenburg? (ist ein l, kein r ;) ) hängt noch Suhl., was wiederum geographisch neben Zella-Mehlis hängt. Also alles Ossis.

       

      Solang der im Betrieb keine Fascho-Propaganda macht und z.B. einen Türken blödmacht, also den Betriebsfrieden stört und diesbezüglich auch in der Freizeit keine Strafen hat, find ichs richtig, den nicht rauszuschmeißen.

      • @Hugo:

        Ich hätte trotzdem keine Lust mit einem solch menschenverachtenden Wesen zusammen zu arbeiten.

        • @Senza Parole:

          Naja, das ist eben das Los vieler Leute auf Arbeit. Ich muss auch mit nem Haufen transfeindlicher Leute zusammenarbeiten, kann ich mir leider nich wirklich aussuchen.