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Koalitionsverhandlungen in BerlinEinigung in Sachen Enteignung

SPD, Grüne und Linke einigen sich nach vielen Stunden Verhandlung auf den Umgang mit dem erfolgreichen Enteignungs-Volksentscheid.

Ja, Rot-Grün-Rot hat sich geeinigt Foto: dpa

Berlin taz | Kurz vor Mitternacht, nach 15 Stunden Ringen um den heikelsten Punkt der Verhandlungen der Koalitionsgespräche von SPD, Grünen und Linken, stand der Kompromiss: Die durch den Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen geforderte Vergesellschaftung der Bestände der großen privaten Wohnungsbaukonzerne wird auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Eine Expertenkomission werde beauftragt, „nicht das Ob, sondern das Wie“ zu prüfen, so Linken-Landeschefin Katina Schubert in der Nacht von Montag auf Dienstag.

Der Kommission, die unter Einbeziehung der Initiative innerhalb der ersten 100 Tage der Koalition eingesetzt werden soll, obliegt laut der Einigung die „Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens“. In einem ersten Schritt soll die Verfassungskonformität geprüft und dabei „mögliche rechtssichere Wege einer Vergesellschaftung benannt und rechtlich bewertet werden“. Für die Erarbeitung einer Empfehlung an den Senat im zweiten Schritt soll sich die Kommission auch mit den finanzpolitischen und wohnungswirtschaftlichen Aspekten einer Enteignung befassen.

Ein Jahr hat die Kommission dafür Zeit. Sie soll mit einer eigenen Geschäftsstelle ausgestattet werden und die Öffentlichkeit über ihre Arbeit informieren. 2023 soll dann die Erarbeitung von Eckpunkten für ein Vergesellschaftungsgesetz durch die zuständigen Senatsabteilungen erfolgen. Daraufhin werde der Senat seine „abschließende Entscheidung“ treffen.

Am Dienstagmorgen wollen die Spitzen von SPD, Grünen und Linken vor die Presse treten und die Ergebnisse bewerten. Die Initiative Deutsche Wohnen enteignen hatte sich gegen eine lange Prüfung der Vergesellschaftung ausgesprochen und darauf verwiesen, bereits ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeitet zu haben.

Zeit zum Verschnaufen im Verhandlungsmarathon haben die drei Parteien allerdings nicht. Am Dienstag soll über den bereits mehrfach verschobenen Themenbereich Inneres gesprochen werden. Zudem stehen noch die Themen Bildung und Wissenschaft, Verwaltung und Finanzen diese Woche auf dem Programm. Bis Freitag muss eine Einigung in allen Bereichen erzielt werden, damit Franziska Giffey am 21. Dezember zur neuen Regierenden Bürgermeisterin gewählt werden kann – denn vorher muss die Linke eine Mitgliederbefragung über den Koalitionsvertrag abhalten. Bei SPD und Grünen sollen Parteitage die Vereinbarung absegnen.

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21 Kommentare

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  • Und nächstes Jahr wird Berlin nur noch Ökostrom verbrauchen und vegan essen, Armut wird es nichtmehr geben und auch keine Nazis. Das ist keine Frage des "Ob" sondern nur des "Wie". lol

  • Das ist etwas, was aus meiner Sicht immer schon v o r einem Volksentscheid erledigt sein sollte.

  • Voraussetzungen sind "Wie" aber enthalten auch das "Ob" wenn es rechtliche Hürden gibt.

    Die Finanzen beschreiben das "Wie" und ab einer gewissen Größenordnung auch das "Ob".

    Es wird das "Ob" also mitgeprüft werden, wenn auch nicht als erstrangiger Prüfungsgegenstand.

  • Es ist merkwürdig, dass Experten zusammenkommen sollen und dann die "experten" von dw enteignen dabei sein sollen...

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Wird sowieso nix! Berlin hat keine Kohle dafür und im Zweifel wird das EuGH das stoppen! In 10 Jahren.

  • Ach, ach, ach ... dat wird teuer!

  • Jetzt muss die LINKE sich konsequenterweise auch am eigenen Anspruch messen lassen und muss in die Opposition.

    Hauptthema des Wahlkampfes war und ist das Thema Wohnen, insbesondere die Unterstützung der Initiative DW & Co. enteignen.

    Hoffentlich sieht der Parteitag das genauso wie ich - die LINKE hat in den Verhandlungen enttäuscht und kann sich beim wichtigsten aller Themen nicht durchsetzen.

    Von "Kleben" an Posten halte ich überhaupt nichts.

    Ob die Parteifunktionäre Lederer & Co. anders sehen ? Ich glaube schon...

  • 4G
    46057 (Profil gelöscht)

    In zehn Jahren werden die verstaatlichten Wohnungen so marode sein, dass irgendeine private Wohnungsbaugesellschaft alles wieder für einen Euro zurückkaufen wird.

  • Dranbleiben. Druck machen. Und rückblickend -- selbst wenn einzelne Versuche scheitern (danke, Frau Lompscher, für Ihren Mut!), wir dürfen uns nicht entmutigen lassen.

    Mögen die Spekulanten ihre Blasen mit Wirecards, Ubers, Amazons, und Alibabas aufpumpen. Von mir aus mit Bitcoins.

    Aber Finger weg von Dingen, die die Menschen unmittelbar zum Leben brauchen: Nahrung, Wohnung, Bildung, Gesundheit.

    Wir werden's Euch vergällen wo wir können.

    • @tomás zerolo:

      Ja und den Spekulanten jetzt die Wohnungen für mehr wieder abkaufen als sie bezahlt haben, welch krasse revolutionäre Tat! Jetzt zeigen wir es denen aber richtig! Die raffgierigen Unmenschen haben bestimmt schon Angst, dass die Abfindung nur einstellige Gewinnprozente abwerfen wird.

  • Klasse! Die Immobilienkonzerne werden sich ins Fäustchen lachen, die Politik verschafft ihnen ja noch massig Zeit, ihre Mieter ordentlich auszuplündern. Und anschließend kassieren sie dann noch opulente Summen an Steuergeldern für Rückkauf oder Entschädigung.

    • @Karsten Becker:

      Wenn ich lese das als erster Schritt die Verfassungskonformität geprüft werden soll,klingt das sehr wohl nach "Prüfung des Ob". Der Tagesspiegel schreibt dazu :



      "Damit haben sich Linke und Grüne offensichtlich nicht durchsetzen können, die festschreiben wollten, dass das Ergebnis der Prüfung durch die Kommission ein Enteignungsgesetz sein soll."



      Wenn eine Prüfung ein festgelegtes Ergebnis hat,dann kann man sich die Prüfung doch sparen. Aber Logik und Politik haben ja nur sehr gelegentliche Berührungspunkte.

    • @Karsten Becker:

      "Und anschließend kassieren sie dann noch opulente Summen an Steuergeldern für Rückkauf oder Entschädigung."



      Und genau das ist das Hauptproblem bei der sogenannten Enteignung!

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Expertenkommission, 100 Tage, 1 Jahr, eckpunkte. Wie konnte giffey die linke nur so über den Tisch ziehen?

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Falscher Fokus: wie konnte sich die Linke nur so von Frau Giffey über den Tisch ziehen lassen? Täter und Opfer sind in diesem Fall leider identisch.

  • Jetzt weiß ich, was es bedeutet, Dinge auf die lange Bank zu schieben.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Eine Expertenkomission werde beauftragt, „nicht das Ob, sondern das Wie“ zu prüfen, so Linken-Landeschefin Katina Schubert in der Nacht von Montag auf Dienstag."

    Sehr gut!



    Ich fürchte der Milliardenkonzern wird nicht einfach zuschauen, sondern irgendwelche üblen Tricks anwenden.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Solche üblen Tricks wie die Auslegung und Anwendung geltender Gesetze? Es ist ja nicht so das sich alle Rechtsexperten einig sind über die Zulässigkeit eines Enteignungsgesetzes,wie es speziell die Initiative und die Die Linke vorschlagen. Hier ist also ein Gerichtsurteil gefragt. Richter haben bei Ihrer Entscheidung einen gewissen Ermessensspielraum,doch nur innerhalb der gesetzlichen Bedingungen.Und diese sind nun mal die Bedingungen einer kapitalistisch orientierten Gesellschaft,die u.a. das Privateigentum stark betont. Selbst wenn die "Enteignung" sich als rechtskonform raus stellen sollte ,ist es keine entschädigungslose ,auch dürften Kaufpreise "deutlich unterhalb des Marktwertes"nicht gesetzeskompatibel sein. Und in meinen Augen ist das dazu benötigte Steuergeld besser beim kommunalen Wohnungsneubau angelegt,als es Miethaien in den Rachen zu werfen.

      • 4G
        46057 (Profil gelöscht)
        @Mustardmaster:

        Fakt ist: wenn die Enteignung kommen sollte, kann jeder Investor, der noch einen Cent im Stadtstaat Berlin investiert, getrost als "bescheuert" bezeichnet werden.

  • Politik am Nasenring der Immobilienkonzerne. Das Ergebnis der Machbarkeitsprüfung dürfte schon vorher feststehen.

  • Deutsche Wohnen -> & Co.