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Klimaschutz als MenschenrechtKlimaseniorinnen klagen

Erstmals verhandelte der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Geklagt hatte ein Verein in der Schweiz.

Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen Anne Mahrer Foto: Jean-Francois Badias/ap

Berlin afp | Klimaschützer sprechen von einem möglichen Meilenstein: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat sich am Mittwoch erstmals mit Klagen im Zusammenhang mit dem Klimawandel befasst. Unter anderem ging es um eine Klage des Vereins Klimaseniorinnen Schweiz – die ihm angehörenden gut 2.000 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren sehen ihre Gesundheit durch die Erderwärmung und die steigenden Temperaturen besonders bedroht.

Mit ihrer Klage vor dem EGMR wollen die Seniorinnen erreichen, dass die Schweiz per Gerichtsbeschluss zu mehr Klimaschutz gezwungen wird. Ihrer Ansicht nach unternimmt ihr Land nicht genug für den Schutz des Klimas und verstößt damit gegen die Menschenrechte. Vor Gericht soll nun geprüft werden, ob und auf welche Art Menschenrechte einzelne Staaten verpflichten, den Klimawandel aufzuhalten. Ein Urteil wird erst in mehreren Monaten erwartet.

Zum Beginn des Verfahrens reisten viele Klimaseniorinnen zum Gerichtshof nach Straßburg. Der Verhandlungssaal war brechend voll, auch davor drängten sich mehrere hundert Menschen. „Wir haben seit Jahren dafür gekämpft“, sagte die 81-jährige Bruna Molinari der Nachrichtenagentur AFP. „Wir hoffen, dass das Gericht uns recht gibt und die Schweiz mehr unternehmen muss, als sie es bisher tut.“

Klimaseniorinnen sind zuversichtlich

„Wir sind zuversichtlich, dass wir mit diesem Fall Geschichte schreiben und die Schweiz zu mehr Klimaschutz bewegen können“, erklärte ihrerseits Anne Mahrer, Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen Schweiz. Diese werden in ihrer Klage von Greenpeace unterstützt.

Erstmals in seiner Geschichte setze sich der EGMR inhaltlich in einem Verfahren mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte auseinander, so Greenpeace. Das Verfahren werde klären, „ob und inwieweit ein Land wie die Schweiz seine Treibhausgasemissionen stärker reduzieren muss, um die Menschenrechte zu schützen“.

Der Gerichtshof wollte am Mittwoch zudem mit der Verhandlung über eine Klimaklage gegen Frankreich beginnen. Kläger ist ein früherer Bürgermeister aus einem Ort in Nordfrankreich, der durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht ist. In einer dritten Klimaklage vor dem EGMR, die wohl aber erst nach dem Sommer verhandelt wird, haben mehrere Menschen aus Portugal wegen der umweltschädlichen Treibhausgasemissionen von 32 Staaten des Europarats das Gericht angerufen.

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8 Kommentare

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  • Die Klimakrise zu bekämpfen schulden wir den Jungen und künftigen Generationen.

    Nachteile für mich und noch ältere Personen wie z.B die Klima-Seniorinnen sind da doch eher nachrangig.

  • Der EGMR sollte das ablehnen zu behandeln. Wenn man Menschenrechte so weit fasst und dem EGMR (oder anderen Gerichten) soviel Macht und Entscheidungsgewalt gibt, wäre das soetwas wie eine Diktatur, die garantiert, dass die wahren Werte durchgesetzt werden. Das klingt gut. Nur kennen sich mit Diktaturen andere besser aus. Wenn das so weitergeht, wird man sich noch wundern, wer alles darum kämpfen wird Richterposten zu besetzen, und, wenn die das geschafft haben, was dann so alles als nicht mehr angreifbare wahre Werte durchgesetzt wird. Ich würde da die Finger davon lassen und mich weiter auf die Parteien und in die Aktionen und Debatten stürzen.

    • @Markus Michaelis:

      Also wenn ein Gericht seine Zuständigkeit in einem Thema sieht, den Fall aufgrund einer bestehenden Rechtslage unabhängig verhandelt und dazu ein wie auch immer geartetes Urteil aufgrund seiner Legitimation fällt, dann ist das für Sie wie eine Diktatur? Ich dachte immer Diktaturen definieren sich dadurch, daß einige wenige alles entscheiden. Sind die USA (Supreme court) und Deutschland ( Verfassungsgericht) dann nicht auch Diktaturen?

      • @Okti:

        Vielleicht noch: jede konkrete Demokratie ist immer ein Drahtseilakt zwischen verschiedenen Anforderungen. Selbstverständlich gibt es darunter auch immer die Gefahr, dass die Übertreibung bestimmter Befugnisse von Institutionen die Demokratie aushebelt. Auch und gerade bei verfassungsgerichten. Diese Frage ist natürlich ein ständiger Begleiter.

      • @Okti:

        Hier geht es nicht um Zuständigkeit im Rahmen einer bestehenden Rechtslage. Hier geht es um Interpretationen der Verfassung - das sind sehr verschiedene Dinge, jedenfalls für mich.

    • @Markus Michaelis:

      komisch, hier von diktatur zu sprechen



      ...es muß schlicht ALLES versucht werden, um die erderwärmung + somit klimakatastrophe zu stoppen, für uns alte als auch für die nächsten generationen.



      hier sich auf parteien oder regierungen zu verlassen ist ein irrweg. debatten gut und schön - aktionen: die verzweiflungs-kleberInnen kriegen volle aufmerksamkeit der medien, demos "gefühlt" weniger.

    • @Markus Michaelis:

      Bin im Grossen und Ganzen Ihrer Meinung, interessant finde ich auch, dass das Durchschnittsalter immer höher wird, von da her verstehe ich auch die Klagen nicht.

    • @Markus Michaelis:

      Das sehe ich auch so. In den Menschenrechten steht nichts von Klimaschutz und schon gar nicht, wie dieser zu bewerkstelligen sein solle. Wenn Richter die Menschenrechte als Vehikel missbrauchen, um ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen, wird die Demokratie abgeschafft.

      Außerdem haben auch die Menschen, die die Emissionen verursachen, Menschenrechte (sollen die zum Schutz der Kläger auf Strom und Heizung verzichten?), und umgekehrt verursachen auch die Kläger solcher Verfahren Emissionen.