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Klagen von Krebspatienten in den USABayer prüft offenbar Insolvenz von Monsanto wegen Glyphosat

Der Chemiekonzern erwägt wohl, die Klagewelle wegen des Pestizids durch eine Insolvenz der Tochter Monsanto zu stoppen. Kritiker finden das „infam“.

Die-In in Toulouse: Bayers Tochterfirma Monsanto provozierte internationalen Protest Foto: Alain Pitton/nur/imago

Berlin taz/rtr | Der Chemiekonzern Bayer schließt offenbar eine Insolvenz seiner Tochter Monsanto nicht aus, um die teuren Rechtsstreitigkeiten wegen des Pestizids Glyphosat zu beenden. Das Leverkusener Unternehmen wolle die US-Klagewelle mit einem Vergleich vor einem Gericht im Bundesstaat Missouri beilegen, wo die meisten Fälle anhängig sind, berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen am Donnerstag. Sollte das Vorhaben scheitern, prüfe Bayer eine Insolvenz von Monsanto. Die Agrarchemiesparte vertreibt den umstrittenen Wirkstoff unter dem Handelsnamen Roundup.

Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation hatte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft – mit der Chemikalie gefütterte Säugetiere hatten Tumore entwickelt. In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte Bayer/Monsanto zu hohen Schadenersatzzahlungen an KlägerInnen, die ihre Krebserkrankung auf den Unkrautvernichter zurückführen. Bayer beruft sich dagegen auf Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher einstufen. Das Gift tötet so gut wie alle Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt. Dennoch ließ die EU das Mittel 2023 für weitere 10 Jahre zu.

Rechtlichen Beistand habe sich Bayer von Restrukturierungsexperten der Anwaltskanzlei Latham & Watkins und der Beratungsfirma AlixPartners geholt, die alle Optionen prüfen sollen, ergänzte das Wall Street Journal. Mit einem Insolvenzverfahren nach US-Recht (Chapter 11) würde sich das Unternehmen etwa vor Forderungen seiner Gläubiger schützen. Bayer und die beiden genannten Beraterfirmen reagierten zunächst nicht Anfragen.

„Wenn das stimmen sollte, wäre das infam. Bayer droht mit einer Teil-Insolvenz, die die Glyphosat-Geschädigten fast leer ausgehen lassen würde, um eine möglichst billige Lösung zu erreichen“, sagte Brigitte Hincha-Weisel von der Coordination gegen Bayer-Gefahren. „Die Frage ist, ob die Gerichte das mitmachen werden.“

Bei Aktionären kam das mögliche Ende der jahrelangen Querelen mit Glyphosat in den USA gut an: Die Bayer-Aktien legten am Freitag um 2,7 Prozent zu.

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9 Kommentare

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  • Was Bayer sich da mit Monsanto reingezogen hat ist vermutlich noch schlimmer als Glyphosat. Eine der Firmen mit der weltschlechtesten Ruf. Selbst schuld.

    Selbst schuld sind auch wir, dass wir zugelassen haben, dass Glyphosat für weitere 10 Jahre in die Natur und in unsere oder die Körper von Tieren kommt.

    Die Grünen sind vorletztes Jahr eingeknickt.

    Taz: "Gift für die Grünen"



    taz.de/Neue-EU-Zul...lyphosat/!5969921/

    Das verzeihe ich nicht.

  • Ich kann das nachvollziehen. Die Schadensersatzforderungen sind einfach absurd und es wird alles miteinander vermischt. Es scheint für Bayer keinen Rechtsschutz zu geben.

    Ja: Glyphosat ist wahrscheinlich krebserregend (bei Aufnahme von Extremmengen). Insbesondere, wenn man Glyphosat nicht so einsetzt und anwendet, wie geboten. Hier wurde von Anwendern defintiv aber vermutlich auch von Monsanto Fehler gemacht. Glyphosat ist halt kein Wackelpudding.

    Nein: bei bestimmungsgemäßen Gebrauch ist Glyphosat einfach top. Es macht, was es soll und schont die Böden. Die Nahrungsmittel sind sicher, die Anwender können sich schützen.

    Leider ist kaum eine objektive Diskussion und offensichtlich auch kein rechtliches Verfahren möglich.

    Glyphosatz = Teufelszeug. Das hat der Mob (und andere) entschieden.

    Das es ein wirksames, vergleichsweise wenig giftiges, günstiges Pestizid ist, will keiner mehr hören.

    • @André Schlebes:

      Es wird auch sehr selten berücksichtigt, dass Monsanto bei der Übernahme nur noch einen niedrigen einstelligen Prozentsatz des Glyphosat-Weltmarkts hatte - die Patente sind schon lange ausgelaufen (der Firmenwert lag in den Rechten an den angepassten Pflanzen). Der Löwenanteil der Chemikalie kommt seit Jahrzehnten aus China. Aber die verklagt man nicht so einfach, und diese Firmen haben auch keinen so ins Bewusstsein der Öffentlichkeit eingebrannten Namen, mit dem man eine Jury triggern kann.

    • @André Schlebes:

      Weitgehende Zustimmung zu den Fakten. Bis auf den Satz mit dem Mob.



      Es gibt aber durchaus noch weitere Auswirkungen von Glyphosat. Aber das ist jetzt hier nicht die Diskussion.

    • @André Schlebes:

      Glyphosat auch als als Antibiotikum patentiert und trägt zur zunehmenden Resistenz von Mikroorganismen gegen Antibiotika bei. Das hat kein Mob entschieden sondern ist wissenschaftlich belegt.



      www.deutschlandfun...resistenz-100.html

  • Warum wäre das Infam? Monsanto hat das Glyphosat stets hergestellt und vertrieben, nicht Bayer. Insoweit liegt die Verantwortung auch bei Monsanto. Werden die Schulden des Unternehmens zu groß, wird es halt in die Insolvenz geschickt und Bayer schreibt den Kaufpreis für Monsanto ab.

    • @DiMa:

      Dem würde ich soweit zustimmen. Wie man jedoch weiter im Artikel liest, wäre die integrierte Strategie, erst alle Patente und Vermögenswerte aus Monsanto abzuziehen, sodass für die Kläger nichts mehr zu holen wäre.

  • Ich prüfe gerade eher, wann Bayer insgesamt die Insolvenz einreicht. Der Fußballclub soll aber am Leben bleiben, sonst ist die Bundesliga noch langweiliger.

  • Auch nach einer potenziellen Monsanto-Pleite ist es durchaus noch möglich, Glyphosat-Schadensersatzklagen einzureichen. Der Patentschutz ist vor über 40 Jahren abgelaufen, daher gibt es dutzende generische Glyphosathersteller am Markt, vor allem in China, die man verklagen kann. Im Erfolgsfall wird die Kompensation dann in Yuan statt in Dollar überwiesen.