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Klage gegen MeloniItalien verhindert Auslieferung von Folterer

Trotz internationalem Haftbefehl entlässt die italienische Justiz einen libyschen Folterer. Regierungschefin Meloni versucht, den Konsequenzen zu entkommen.

Ministerpräsidentin Meloni äußert sich lieber auf Social Media als im Parlament zu der Klage Foto: Roberto Monaldo/ZUMAPRESS/picture alliance

Rom taz | Als Hasenfuß musste Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sich am Mittwoch von der Oppositionsführerin Elly Schlein schmähen lassen: Die Regierungschefin kniff einfach bei der Parlamentsdebatte über die Frage, warum Italien einen libyschen Folterer laufen ließ, statt ihn an den Internationalen Strafgerichtshof (IGH) zu überstellen. Und nicht viel besser erging es den beiden Ministern, die Meloni zur Debatte vorgeschickt hatte: Justizminister Carlo Nordio und Innenminister Matteo Piantedosi. Sie mussten sich von den Op­po­si­ti­ons­red­ne­r*in­nen mit den beiden lügnerischen Bösewichtern aus der Pinocchio-Geschichte, mit der Katze und dem Fuchs, vergleichen lassen.

Nordio und Piantedosi hatten zu erklären, warum Italien den Haftbefehl gegen den libyschen General Osama Njeem Almasri, seines Zeichens Chef der Kriminalpolizei und Kommandant des Flüchtlingslagers Mitiga, ignorierte, obwohl der IGH ihm zahlreiche Morde und Folterungen vorwirft. Am 18. Januar hatte der IGH den Haftbefehl ausgestellt, am gleichen Tag war der Libyer von Deutschland aus mit dem Auto nach Turin gereist, wo er am 19. Januar in Haft genommen wurde.

In Libyen empfingen den Mann begeisterte Gefolgsleute zu einem Freudenfest

Doch schon zwei Tage später war Almasri wieder ein freier Mann, da das Justizministerium in Rom es versäumte, den internationalen Haftbefehl zu bestätigen, weshalb die Richter in Italien gezwungen waren, ihn wieder auf freien Fuß zu setzen. Zunächst hatte Justizminister Nordio sich damit herausgeredet, sein Haus habe den Haftbefehl gar nicht erhalten. Nicht er, sondern die Justiz habe den Fall verbockt.

An diesem Punkt kam das römische Innenministerium ins Spiel. Kaum war der Libyer raus aus dem Knast, wurde er mit einer Maschine des italienischen Geheimdienstes nach Tripolis ausgeflogen. Dort empfingen ihn begeisterte Gefolgsleute zu einem Freudenfest auf der Piste des Flughafens. Innenminister Piantedosi teilte zu der Blitzaktion mit, er habe gar keine andere Wahl gehabt, schließlich sei Almasri „hochgefährlich“ und habe deshalb sofort aus Italien entfernt werden müssen.

Klage gegen Meloni und verantwortliche Minister

So recht passte das nicht zusammen. Erst sorgte die italienische Rechtsregierung mit der Untätigkeit des Justizministers dafür, dass Almasri freikam – und der Innenminister grauste sich dann plötzlich vor dem gefährlichen Mann. Für einen Rechtsanwalt war dies Anlass, gegen die beiden Minister sowie Regierungschefin Meloni Klage einzureichen. Und der leitende Staatsanwalt in Rom musste daraufhin ein Verfahren einleiten, das er – streng nach Gesetz – sofort ans Ministertribunal überwies.

Erst jetzt meldete sich Meloni zu Wort, mit heftigen Ausfällen gegen die italienische Justiz, in der voreingenommene Staatsanwälte „unglaubliche“ Verfahren gegen sie auf den Weg bringen würden. Zeit hatte die Regierungschefin allerdings nur für einen Social-Media-Post – den Weg ins Parlament fand sie nicht.

Dort glänzte Justizminister Nordio am Mittwoch stattdessen mit einer neuen Version der Geschichte und strafte seine alten Ausreden Lügen. Ja, er habe den Haftbefehl des IGH durchaus gesehen, gab er nun zu – aber er habe dennoch nicht dessen Vollstreckung absegnen können. „40 Seiten auf Englisch“ hätten ihm da vorgelegen, machte er geltend, doch immerhin hatte Nordio dann doch verstanden, dass der Haftbefehl „lückenhaft“ und „widersprüchlich“ gewesen sei. Dabei obliegt den Staaten, die der Konvention für den IGH beigetreten sind, gar nicht die inhaltliche Prüfung der Haftbefehle, sondern nur deren Vollstreckung.

Die Wahrheit wurde deshalb nicht von den Ministern, sondern von den Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen genannt: Italiens Regierung braucht Almasri und das Regime in Libyen, um die Abfahrten der Mi­gran­t*in­nen von Libyen aus unter Kontrolle zu halten, zur Not auch mit Haft, Folter und Mord. Deshalb gab es die flotte Freilassung, samt von Italien spendiertem Freiflug nach Hause.

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5 Kommentare

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  • Seit wann interessiert die Rechten das Recht?

  • Was machte der in Deutschland?

  • Aus welchem Grund war er in Deutschland wenn er in Italien mit solch einer Vorzugsbehandlung rechnen kann?

  • "Am 18. Januar hatte der IGH den Haftbefehl ausgestellt, am gleichen Tag war der Libyer von Deutschland aus mit dem Auto nach Turin gereist, wo er am 19. Januar in Haft genommen wurde."

    Für die italienischen bürokratischen Prozesse sind wir nicht verantwortlich und haben vermutlich auch nur geringen Einfluss darauf.

    Mich würde mehr interessieren, ob, warum, wie lange und wovon Herr Osama Njeem Almasri in Deutschland gelebt hat. Nur darauf können wir reagieren, ggf. Fehlverhalten unsererseits feststellen und es zukünftig besser machen, auch wenn Deutschland nur Transitland gewesen sein sollte.

    Hätte die Möglichkeit bestanden, dass Herr Osama Njeem Almasri auch in Deutschland hätte festgenommen werden können?

    Außerdem musste er von Deutschland aus entweder durch die Schweiz oder durch Österreich fahren, um Italien zu erreichen.

    Weshalb liegt der Fokus dieses Artikels auf Italien, wenn auch zumindest Deutschland und/oder Schweiz und/oder Österreich Versäumnisse vorzuwerfen sind?

    Ich bitte um Korrektur, wenn meine Sichtweise falsch ist.

  • >Italiens Regierung braucht Almasri und das Regime in Libyen, um die Abfahrten der Mi­gran­t*in­nen von Libyen aus unter Kontrolle zu halten, zur Not auch mit Haft, Folter und Mord.<

    Das ist nur die halbe Wahrheit. Die EU braucht die libyschen Folterer zur Abhaltung der Migranten. Selbst Scholz und Habeck werden die Migrationswilligen aus Libyen freiwillig kaum ins Land lassen.