Kinotipp der Woche: Die Club-Legacy
Tanz die Vika: Mit Mitte 80 legt DJ Vika immer noch auf. Die Doku über die polnische Clubgröße kommt nach Berlin. Im Lichtblick erklingt Italo Disco.
Ihre Enkelkinder finden sie peinlich, sagt DJ Vika, und einer ihrer Söhne macht in einer Szene des Dokumentarfilms „Vika!“ klar, dass er sich deren Meinung absolut anschließt. Dabei ist die Plattendreherin, die in Warschau lebt, ein echter Star. Medien berichten über sie und Zeitschriften widmen ihr Titelgeschichten. Allerdings ist Vika mittlerweile Mitte 80. Und so finden Sohn und Enkelkinder, dass die alte Dame sich endlich mal altersgemäßer verhalten möge. Und unter altersgemäß verstehen sie etwas anderes als Vika, die gerne auf queeren Partys auflegt, dabei lustige Brillen trägt und ausgelassen tanzt.
Vika aber hat für sich beschlossen, die für sie vorgesehene Rolle als alleinstehende Oma, die Marmelade einkocht und den lieben langen Tag einfach nur aus dem Fenster guckt, nicht anzunehmen. Mit welchen Widerständen sie dabei zu kämpfen hat, das interessiert die Regisseurin des Portraits, Agnieszka Zwiefka, ganz besonders und macht ihren Film zu einer berührenden Studie über das Altern in unserer westlichen Gesellschaft generell.
Ein besonderes Glück ist es, dass Vika vor der Kamera dazu bereit ist, die gut gealterte Diva in gerne auch mal ausgefallenen Klamotten zu geben, gleichzeitig aber auch ihre innere Verletzlichkeit zu zeigen, genau wie ihre Falten und altersbedingten körperlichen Gebrechen.
Glamour ist immer inszenierte Illusion und in diesem Film wird daraus auch gar kein Geheimnis gemacht. Bereitwillig wirft sich Vika in Hollywood-Star-Posen und tanzt ausgelassen mit Freundinnen und Freunden, als wäre das in deren Alter das Normalste der Welt.
Vika! (R: Agnieszka Zwiefka; PL / DE / FI 2023): Special Screening in Anwesenheit der Regisseurin Agnieszka Zwiefka und DJ Vika, 16. Januar, 20 Uhr, DF, Kant Kino, Kantstr. 54; OmU ab 16. Januar im Lichtblick Kino
Italo Disco Legacy (R: Pietro Anton, IT 2018): Soundwatch Music Film Festival Berlin präsentiert Soundwatch Bonus Tracks, 21. Januar, 20 Uhr, OmeU, anschließend Q&A mit Regisseur Pietro Anton, Lichtblick Kino, Kastanienallee 77
Aber dann sieht man sie genauso allein daheim in ihrer kleinen Wohnung und mit ihrer Katze und schaut ihr dabei zu, wie sie sich, lädiert nach einem Sturz, in ein Kleidungsstück quält. Vika, die älteste DJ-Frau Polens, ist supercool und vielleicht auch so, wie man selbst gerne wäre im fortgeschrittenen Alter. Der Film über sie zeigt aber, dass es auch für Vika eine ständige Herauforderung ist, Vika zu sein.
Kinopremiere von „Vika!“ ist am 16. Januar. Einen besonderen Event dazu gibt es an diesem Tag im Kant Kino, wo der Film in der deutschen Fassung im Beisein von Regisseurin Agnieszka Zwiefka und DJ Vika gezeigt wird.
Weiter nach Italien
Auch im Lichtblick Kino läuft „Vika!“ am 16. Januar an (Omu) und das Kino hat am 21. Januar mit „Italo Disco Legacy“ gleich noch eine weitere Dokumentation über das Altern und Musik im Programm. Wie es der Titel bereits andeutet, widmet sich Regisseur Pietro Anton, der zur Vorstellung auch für eine Q&A anwesend sein wird, dem Genre Italo Disco.
Das war Mitte der Achtziger eine große Sache und erlebt seit paar Jahren ein Revival. Und das lässt sich immer noch so sagen, auch wenn die Dokumentation bereits sechs Jahre alt ist. Sie zeigt einerseits, was für eine geschmacklose, dabei aber seltsam anregende und innovative Musik Italo Disco vor vier Dekaden sein konnte. Und andererseits, wie die Recken von einst, die schmalzige Melodien zu futuristischen Drum-Machine-Sounds fabrizierten, nun wieder in aller Welt, von Holland bis Mexiko, gefeiert werden.
Und von Größen des Techno wie etwa DJ Hell oder The Hacker attestiert bekommen, auch für die Entwicklung von House und Techno bahnbrechende Sounds kreiert zu haben, die endlich gebührend gewürdigt gehören. Die Italo-Disco-Helden von einst sind heute noch nicht ganz so alt wie DJ Vika. Fraglich ist, ob sie mit über 80 auch noch so auf der Bühne herumturnen wie diese.
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