Kein Projekt der Ampel mehr: Habeck begräbt Kohleausstieg 2030
Im Koalitionsvertrag steht, Deutschland solle „idealerweise“ 2030 mit dem Abbau von Kohle aufhören. Nun zeigt sich: Ein Gesetz dazu kommt nicht.

Er verwies allerdings darauf, dass die Privatwirtschaft die klimaschädlichen Kraftwerke freiwillig vorher abstellen könne. Steigende CO2-Preise infolge der Reform des Europäischen Emissionshandels würden die Kohleverstromung zunehmend unwirtschaftlich machen. „Langfristig macht es natürlich keinen Sinn, ein Kraftwerk am Netz zu lassen, das gar nicht läuft oder rote Zahlen schreibt – aber das ist eine privatwirtschaftliche Entscheidung.“
Anlass von Habecks Auftritt war eine Einigung zwischen Deutschland und der EU-Kommission zu Entschädigungen für den Energiekonzern Leag, der das Kohlerevier im Osten Deutschlands betreibt. Es geht um einen Ausgleich dafür, dass die Leag nach 2038 kein Kohlekraftwerk mehr nutzen darf. Das hatte noch die Große Koalition beschlossen. Insgesamt könnten 1,75 Milliarden Euro fließen. Der Großteil davon ist nicht daran geknüpft, dass es überhaupt zu einem klassischen Entschädigungsfall kommt: 1,2 Milliarden Euro sind fest zugesagt – selbst wenn die Leag die Kraftwerke freiwillig aus unternehmerischen Gründen noch früher abstellt, als sie gesetzlich müsste. Die restlichen 550 Millionen Euro bekommt das Unternehmen nur, wenn ihm durch den Kohleausstieg nachweislich Einnahmen entgehen. Das heißt: wenn die CO2-intensiven Kraftwerke aus Klimagründen dem Kohleausstiegsgesetz entsprechend abgestellt werden, obwohl sie noch wirtschaftlich sind.
Das Geld soll teilweise für Sozialpläne genutzt werden, den bisherigen Kohlearbeiter*innen helfen. Außerdem soll es in die Renaturierung der Tagebaue fließen, also die Genesung der zerstörten Umwelt voranbringen. Solche Zahlungen an Unternehmen kann die Bundesregierung nicht einfach tätigen, sie müssen mit der EU-Kommission abgestimmt werden. Das ist nun geschehen, wie Habeck mitteilte. Im Dezember hatten die europäischen Wettbewerbshüter*innen bereits genehmigt, dass Deutschland dem Energiekonzern RWE 2,6 Milliarden Euro staatliche Hilfe für den Kohleausstieg zahlen darf. Der betreibt das Rheinische Kohlerevier im Westen Deutschlands. Dort gibt es allerdings bereits eine Einigung zwischen Bundesregierung, nordrhein-westfälischer Landesregierung und Unternehmen, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen.
Deutschlands Klimaziele nicht gewährleistet
Der positive Effekt des Deals fürs Klima hält sich allerdings in Grenzen: Während das Abschaltdatum für einige der RWE-Kohlekraftwerke nach vorn gezogen wurde, sodass keines mehr nach 2030 läuft, durften dafür andere länger am Netz bleiben als zuvor geplant. Das gleicht sich nicht ganz, aber teilweise aus. Mit der Leag ist eine solche Regelung nicht zustande gekommen. Dort liegt der Schlussstrich für die Kohle deshalb weiterhin im Jahr 2038.
Eigentlich müsste die Bundesregierung beim Klimaschutz mehr Tempo machen. Am Montag hatte der Expertenrat für Klimafragen ein Gutachten vorgelegt, das zeigte: Es ist nicht gewährleistet, dass Deutschland sein Klimaziel für 2030 oder die Klimaneutralität bis 2045 erreicht.
Leag-Chef Thorsten Kramer ist zufrieden mit den Summen, mit denen er nun rechnen kann: „Wir begrüßen die Fortschritte in diesem Verfahren, welche für unser Unternehmen, die Beschäftigten und die Region von entscheidender Bedeutung sind.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder