Kassen sollen Downsyndrom -Test zahlen: Wenn „Selektion“ leichter wird
Die Kassen bezahlen wohl demnächst einen Bluttest auf Trisomie 21. Betroffene warnen vor sinkender Toleranz gegenüber der Chromosenabweichung.
Zur Kundgebung am Sonntag in Berlin sind mehr als hundert Leute gekommen, Angehörige, Kinder, Erwachsene mit Trisomie 21, auch Downsyndrom genannt. „Inklusion statt Selektion“ steht auf den Plakaten. Die Demonstranten protestieren dagegen, dass ein Bluttest an Schwangeren, mit dem auf Trisomie 21 des Ungeborenen getestet wird, künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden soll.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) entscheidet an diesem Donnerstag über die Kassenzulassung. In der Umgebung des Gremiums geht man davon aus, dass die Kassenleistung kommt, allerdings nicht als routinemäßige Reihenuntersuchung, sondern „bei besonderen Risiken oder zur Abklärung von Auffälligkeiten im Einzelfall“, wie es in dem Beschlussentwurf des G-BA heißt.
Steigender Druck
Menschen mit Downsyndrom und deren VertreterInnen befürchten, dass durch die Kassenfinanzierung und zunehmende Verbreitung der Tests in Deutschland kaum noch Menschen mit Trisomie 21 geboren werden, da die Mehrzahl der Schwangeren nach einem positiven Testergebnis abtreiben lässt.
Heute schon werden Eltern von Kindern mit Downsyndrom auf Spielplätzen angesprochen, ob man „so etwas“ nicht hätte verhindern können, erzählen Betroffene. „Dieser Druck wird zunehmen“, sagt Heike Meyer-Rotsch, Gründerin des Vereins Downsyndromberlin.
Den Gentest des mütterlichen Blutes gibt es schon seit sieben Jahren, allerdings nur für Selbstzahlerinnen, jede Schwangere, die bereit ist, ihn privat zu bezahlen, kann ihn machen lassen. In der einfachsten Variante kostet der Test der Firma Life Codexx derzeit 130 Euro plus Arzthonorar. In sieben Jahren wurden in Deutschland 105.000 Testproben untersucht, berichtet eine Sprecherin von Lifecodexx.
Der nichtinvasive Test durch Blutabnahme bei der Mutter ist ungefährlicher für das Ungeborene als etwa eine Punktion des Fruchtwassers (Amniozentese) oder des Mutterkuchens, durch die man ebenfalls auf Downsyndrom testet. Bei diesen Untersuchungen, die von der Krankenkasse in Risikofällen bezahlt werden, besteht ein gewisses Abortrisiko.
Das geringere Risiko für das Ungeborene ist auch der Grund, warum Befürworter den Bluttest als Kassenleistung zulassen wollen, wie sich in der Bundestagesdebatte zum Test vor einigen Monaten zeigte. Zudem solle die finanzielle Lage einer Schwangeren nicht darüber entscheiden, ob sie den Test machen lässt oder nicht, hieß es.
Betroffenenverbände warnen jedoch vor den langfristigen ethischen Folgen, sollte der Test zur Routine werden. In Island, wo der Test üblich ist, gibt es kaum noch Kinder mit Downsyndrom. „Man hätte schon bei Einführung des Tests vor Jahren über die ethischen Folgen diskutieren müssen“, sagt Meyer-Rotsch, „das ist damals leider nicht passiert“.
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