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19.09.2019 , 02:32 Uhr
Nach der Demo ist vor der Demo: Ich, als ein Vater eines Kindes mit Downsyndrom, war auf dieser Demo gegen den Bluttest als Kassenleistung und werde auch am Samstag auf die Gegendemo gegen den sog. „Marsch für das Leben“ gehen. Für mich geht es sehr wohl zusammen, sich für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und gegen den Bluttest als Kassenleistung einzusetzen. Behinderten- und Frauen*rechte können zusammengedacht werden. In beiden Fällen geht es um dasselbe: um die Ermöglichung und Stärkung von SELBSTBESTIMMUNG! Gut rübergebracht wird eine solche Auffassung z.B. vom Gen-ethischen Netzwerk, insbesondere auch von der Feministin Kirsten Achtelik. Auch auf den Seiten der Whatthefuck-Gegendemo gibt es eine Stellungnahme zu PND, Bluttest und Selbstbestimmung, die genau in diese Richtung geht! Mein Sohn Daniel trug daher auch, wie auf dem Bild im Artikel zu sehen, ein Plakat mit dem Text: „Für echtes Kennenlernen, Vielfalt und Freiheit! (= Inklusion); Gegen gesellschaftlichen, ökonomischen und moralischen Druck und Automatismus! (= Selektion)“. Selbstbestimmt Entscheiden wird nur in einer Atmosphäre gestärkt, die nicht von Erwartungshaltungen Dritter geprägt ist, wenn weder moralischer Druck aufgebaut, noch ein unüberlegter Automatismus nahelegt wird. So wie sog. „Lebensschützer*“ Frauen* ihre Verantwortung und selbstbestimmte Entscheidung durch Abtreibungsverbot entziehen wollen, so prägt unser kapitalist. System einen (subtilen) gesellschaftl. Druck (z.B. in Bezug auf Leistung, Nützlichkeit, leichte Konsumierbarkeit, Machbarkeit, Sicherheit, Ökonomie, schnelle/einfache Lösungen) und die daraus result. Unwissenheit, Skepsis und Distanz zu „normfernen“ Menschsein wie z.B. dem Downsyndrom, was einer selbstbestimmten, verantwortungsvollen Entscheidung genauso zuwiderläuft. Gedankenspiel: Sollten in Zukunft von vielen keine Kinder mit bestimmten sex. Orientierungen gewünscht sein - Kassenleistung-Test zulassen? Oder massiv in ein Programm gegen Homophobie investieren?!
zum Beitrag25.07.2018 , 17:08 Uhr
Es gibt da tatsächlich eine spannende Diskussion und wichtige Klärungsprozesse. Eine Vorreiterin für das Zusammendenken von Feminismus und Behindertenrechtsbewegung (prinzipiell für Recht auf Abtreibung, aber gegen selektives Denken und Ableismus) ist dabei Kirsten Achtelik: siehe z.B. ihr Buch "Selbstbestimmte Norm. Feminismus, Pränataldiagnostik, Abtreibung", ihre Website und Interviews mit ihr, die im Netz zu finden sind. Wichtig scheint mir dabei der Begriff der Selbstbestimmung, der sowohl von "Lebensschützer*"-Moral, als auch von einer ableistisch ("äibelistisch") geprägten Gesellschaft torpediert wird (Ableismus bedeutet grob gesagt: Fähigkeiten bestimmen den Wert eines Menschen).
zum Beitrag29.01.2017 , 05:23 Uhr
Wie weit die NS-Propaganda noch nachwirkt und die Vorurteile, Voreingenommenheiten und Erwartungshaltungen in der (nicht- inklusionserfahrenen) Begegnung mit "geistig Behinderten" mitbestimmt, zeigt die leider immer wieder gern gewählte Formulierung "sie/er leidet unter dem Down-Syndrom". Auch in diesem Artikel wurde sie wieder gebraucht. Die Nazis versuchten die "Euthanasie" damit zu rechtfertigen, dass sie nicht nur der Gesellschaft nütze, sondern auch den betroffenen "Leidenden" selbst ("Gnadentod"). Gerade z.B. ein Leben mit Down-Syndrom ist aber an sich kein Erleiden, sondern oft sehr "lebenslustig" und natürlich sehr lebens-wert, eben keine Krankheit, sondern einfach eine genetische Besonderheit. Leiden entsteht nicht durch diese, sondern wenn, dann durch die behindernde Gesellschaft!
Sehr wohltuend, dass Sebastian Urbanski im Bundestag so selbstverständlich auftreten konnte.
zum Beitrag20.12.2013 , 00:58 Uhr
Es scheint ja gerade en vogue, an der Methodik "Lesen durch Schreiben" (LdS) und dem "Spracherfahrungsansatz" mit "freiem Schreiben" kein gutes Haar zu lassen, weil sie bewusst nicht-normkonforme Schreibungen zulassen - die Rechtschreibung werde so vernachlässigt, Falsches präge sich ein.
Dem wird gerne das Lernen mit Fibeln gegenübergestellt. Dort werde von Anfang an richtig schreiben gelehrt.
Aber warum fragt eigentlich niemand einmal nach den Inhalten der so hochgepriesenen Fibeln? Denn auch in den meisten Fibeln, die derzeit so auf dem Markt sind, wird gerade nicht von Anfang an Rechtschreibung gelehrt! Natürlich werden keine falsch geschriebenen Wörter benutzt - aber gerade am Anfang werden solche Wörter eingeführt, die eher untypisch für die deutsche Orthografie sind oder sogar Ausnahmeschreibungen darstellen. Wer Wörter wie "Limo", "Mama" gelehrt bekommt, wird auf einen orthografischen Holzweg geführt: dem kurzen Vokal folgt hier ausnahmsweise kein doppelt dargestellter Konsonant, sondern nur ein einfach dargestellter. Dass die Schreibung mit doppelt dargestelltem Konsonanten in solch einem Fall aber eigentlich die Regel wäre, muss dann auch im Fibellehrgang später erst mühsam wieder eingeübt werden! Auch nach solch einer Fibelmethode, die bestimmte, angeblich "lautgetreue" Wörter im Anfangsunterricht als Regelfall einführt, sind also Fehlschlüsse über die Rechtschreibung programmiert und somit Fehlschreibungen wie "Muta" (für Mutter) gerade bei selbst geschriebenen Texten nicht ausgeschlossen! Auch diese Methodik sollte also auf den Prüfstand!
In der Fachdidaktik gibt es übrigens schon neue Ansätze, die solche Fibelmethodik UND LdS hinter sich lassen und neue Wege beschreiten, Stichwort "silbenanalytischer Ansatz" (Röber, Bredel u.a.). Der systematisch regelhafte Aufbau deutscher Wörter wird hier zum ersten Mal von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt. Zugang dazu erfolgt über den Sprachrhythmus und den Silbenaufbau.
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