Kanzlerkandidatur bei der SPD: Im Pott ist für Olaf Scholz einiges im Argen
Im mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen stehen nicht alle hinter dem Kanzler. An der Basis ist die Stimmung gespalten.
Scholz trage Verantwortung für die gesamte Partei, mahnte Yüksel, dessen Kandidatur für den nächsten Bundestag als gesetzt gilt. Es gehe um „die Frage, ob die SPD überlebt“. Auch der aus NRW stammende Ex-Bundesparteichef Franz Müntefering erklärte, Scholz habe kein natürliches Vorrecht auf eine Kanzlerkandidatur. Ein SPD-Parteitag solle stattdessen die Entscheidung entscheiden, forderte der einstige Vizekanzler. „Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie“, so Müntefering gegenüber dem Tagesspiegel.
Während die SPD bei Umfragen zwischen 15 und 16 Prozent herumdümpelt, gilt Pistorius als mit Abstand beliebtester Politiker Deutschlands. Könnten die Bürger:innen den Kanzler direkt wählen, würden sich 39 Prozent für ihn, aber nur 32 Prozent für CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz entscheiden, so das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage. Scholz wollen dagegen nur 16 Prozent weiter im Amt sehen.
Schon in der vergangenen Woche hatten sich Sozialdemokraten wie der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Rüdiger Erben, für Pistorius ausgesprochen. Auch im Seeheimer Kreis der konservativeren SPD-Bundestagsabgeordneten seien die Pistorius-Unterstützer mittlerweile in der Mehrheit, berichtete der Spiegel. Demnach habe der Abgeordnete Joe Weingarten aus Rheinland-Pfalz sogar vor einem „Desaster“ gewarnt, solle Scholz Spitzenkandidat bleiben.
Die Co-Vorsitzende der SPD in NRW gibt sich uneindeutig
Aus dem nordrhein-westfälischen SPD-Landesvorstand hieß es dazu, die von Bochums Parteichef Yüksel geschilderte Ablehnung von Scholz durch die Parteibasis sei richtig wiedergegeben – und werde dem Kanzler so auch kommuniziert. Kein Thema sollte die Spitzenkandidatur dagegen bei einer „Dialogveranstaltung“ in der Ruhrgebietsmetropole Essen sein, bei der führende Genoss:innen mit ihrer Basis, aber auch mit Nichtmitgliedern ins Gespräch kommen wollten: Wie zuvor schon die Co-Bundesvorsitzende Saskia Esken und Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich stärkten dort Bundesparteichef Lars Klingbeil und Generalsekretär Matthias Miersch Scholz noch einmal demonstrativ den Rücken.
„Olaf Scholz ist der Kanzler – und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen auch deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen“, erklärte Klingbeil. „Sie können mir die Frage 3.000 Mal stellen“, sagte auch Miersch: „Ich bin sicher, dass Olaf Scholz Kanzlerkandidat der SPD wird.“
Weniger eindeutig äußerte sich die Co-Vorsitzende der SPD in NRW, Sarah Philipp: „Die Partei bereitet sich auf einen kurzen, komprimierten Wahlkampf vor“, sagte Philipp der taz. „Dass mit Scholz und Pistorius gleich zwei Kabinettsmitgliedern zugetraut wird, ein guter Kanzler zu sein, ist dabei eine Stärke.“
Folgerichtig schien da, dass die Genoss:innen in Essen bei Panels zwar etwa über Friedenspolitik oder über die Wirtschaft diskutierten, die Kandidatenfrage aber aussparten. Auch auf Nachfrage zeigte sich Genoss:innen gespalten: „Ich stehe total hinter Scholz“, sagte der taz etwa Susanne Kirchhof, in NRW Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD.
„Ich wäre für eine Auswechselung“, meinte dagegen Marco Goertz, Ortsvereinsvorsitzender im niederrheinischen Niederkrüchten. Nötig sei auf jeden Fall eine schnelle Entscheidung, meinten andere – am besten bis zur sogenannten Wahlsieg-Konferenz der SPD am 30. November, deren Namen viele Sozialdemokrat:innen nur noch mit süffisantem Lächeln in den Mund nehmen.
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