Kanadischer Wasserstoff: Hindernislauf zur Klimaneutralität
Der Plan von Bundeskanzler Scholz und Kanadas Regierungschef Trudeau verspricht Lösungen für die Energiewende. Der Weg dorthin ist allerdings lang.
![Luftaufnahme einer Küste Luftaufnahme einer Küste](https://taz.de/picture/5751003/14/30884856-1.jpg)
D as könnte die Zukunft sein – und zwar eine einigermaßen menschen- und umweltfreundliche. Wasserstoff aus Kanada soll die Energiewende in Deutschland befeuern. Laut Plan der beiden Regierungen sollen Windräder in Neufundland Ökostrom produzieren. Damit wird Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Diesen, in Ammoniak umgewandelt, transportieren Schiffe nach Deutschland, wo er beispielsweise Erdgas in der Chemieindustrie ersetzt.
So lässt sich der Abschied von fossilen Energien auch in Wirtschaftsbranchen organisieren, die erneuerbaren Strom nicht direkt verwenden können. Klimaschutz ist ein Ergebnis, ein anderes die Abkopplung vom Erdgas- und Ölverkäufer Russland. Denn wegen der wachsenden weltweiten Systemkonkurrenz müssen sich Staaten wie Deutschland unabhängiger von Russland und China machen. So sollten beispielsweise die Rohstoffe aus Ländern kommen, die nicht damit drohen, ihre Exporte zu stoppen.
Besser Gas aus dem Westen als aus dem Osten. Kanada ist ein sympathischer Lieferant. Doch vorläufig geht es eben nur um einen Plan. So müssen die 164 Windturbinen, von denen Kanadas Premierminister Justin Trudeau und Kanzler Olaf Scholz sprachen, erst errichtet werden. Ähnliches gilt für die anderen Elemente der künftigen Produktionskette: die Wassergewinnung, Elektrolyse, Pipelines und Häfen, die einige Umweltverbände bekämpfen.
Außerdem wird der Wasserstoff der Zukunft nur dann „grün“ sein, wenn zu seiner Herstellung auch wirklich erneuerbare Energie genutzt wird. Voraussetzung wäre zudem, dass der Naturschutz etwa von Wasservorkommen und Küsten zentrale Berücksichtigung findet. Die Wasserstoff-Infrastruktur darf sich nicht zu einer Industrie auswachsen, die ähnlich umweltschädliche Auswirkungen verursacht wie die traditionellen Verfahren.
Auch die Anwohner der neuen Produktionsstätten müssen zu ihrem Recht kommen, was gerade in Kanada mit seinen Konflikten um die Stellung der Indigenen ein heikles Thema ist. Langfristig ungeklärt erscheint bislang zudem die ökonomische Rechnung. Wie teuer wird das alles? Die Hoffnung, dass Ökoenergie billiger ist als fossile, könnte sich als Illusion erweisen. Dagegen steht der Vorteil einer großen Zahl neuer, zukunftsfähiger Arbeitsplätze.
Die Jagd nach Rohstoffen jedoch hört nicht auf. Deutschland und Europa werden auch künftig auf Energieimporte angewiesen bleiben. Unabhängigkeit ist unrealistisch. Einfluss nehmen können wir nur darauf, von wem wir abhängig sind.
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