Kampf um US-Forschende: Flucht aus Trumpland
Die Trump-Regierung will die Wissenschaft in den USA drastisch beschneiden. Davon könnten auch deutsche Unis profitieren.
Fellner studiert Public Policy an der Harvard Kennedy School in Cambridge und heißt eigentlich anders, ursprünglich kommt er aus Deutschland. Die derzeitige Situation in den USA sei mit einer starken Unsicherheit verbunden, erzählt er am Telefon. „Ich glaube, viele empfinden das Klima für Internationals gerade als sehr feindselig, nicht im persönlichen Umfeld, sondern von administrativer Seite.“ Von Bekannten wisse er, dass manche inzwischen nach dem Uni-Abschluss zum Arbeiten lieber zurück in ihre Heimatländer gehen.
Die USA zählen seit Langem zu den beliebtesten Bildungsstandorten weltweit – auch wegen ihrer riesigen öffentlichen Forschungsetats. Doch das könnte sich bald ändern. Seitdem Donald Trump Anfang des Jahres wieder Präsident wurde, setzt die Regierung massive Kürzungen im Bildungssektor um. Neben Stellenabbau in öffentlichen Forschungseinrichtungen bringt vor allem die Einstellung von Förderungen die Universitäten und somit auch die Studierenden in Bedrängnis.
Im Mai diesen Jahres eskalierte der Streit zwischen Trump und der US-Eliteuniversität Harvard im Bundesstaat Massachusetts. US-Heimatschutzministerin Kristi Noem hatte angeordnet, die Zertifizierung für Austausch- und Gaststudierendenprogramme aufzuheben. Harvard durfte demnach keine ausländischen Studierenden mehr aufnehmen. Bereits Eingeschriebene sollten sich, so Noem, „andere Universitäten suchen“.
Die Universitätsleitung klagte und konnte per einstweiliger Verfügung einen Stopp der Anordnung bewirken, jedoch nur vorläufig. Es folgte ein Hin und her. Trump drohte mit dem Ende staatlicher Finanzierung; ein Versuch, Harvard-Studierenden die Einreise zu verbieten, scheiterte Anfang Juni an einer ebenfalls vorläufigen gerichtlichen Blockade.
Im November 2024 gewann Donald J. Trump zum zweiten Mal eine Präsidentschaftswahl in den USA und amtiert seit Januar 2025 als 47. Präsident. Er treibt den Umbau öffentlicher Einrichtungen und einen Kurswechsel in der Außenpolitik voran.
Columbia-Uni knickt ein
Der Streit ist beispielhaft für Trumps Feldzug gegen die amerikanischen Bildungseinrichtungen. Die renommierte New Yorker Columbia-Universität knickte – anders als Harvard – schon zuvorkommend ein. Sie kam Trumps Forderungen nach, umfassende Auflagen umzusetzen. Etwa, die Nahost-, Südasien- und Afrikastudien unter akademische Zwangsverwaltung zu stellen und der Fakultät die Kontrolle zu entziehen.
Todd Wolfson, Präsident der American Association of University Professors (AAUP), bezeichnete den Schritt als „den wohl größten Eingriff in die akademische Freiheit, die Redefreiheit und die institutionelle Autonomie, den wir seit der McCarthy-Ära erlebt haben“. Trump begründet seine Maßnahmen immer wieder mit der Eindämmung von Gewalt und Antisemitismus auf dem Campus. Kritiker:innen sehen darin eher Manöver in seinem Krieg gegen die „woken“ Wissenschaften und eine innenpolitische Botschaft an die eigene Wählerschaft – man tue was gegen die Eliten und ihren Nachwuchs.
Jüngstes Ziel der US-Regierung: die Einreise sämtlicher ausländischer Studierender zu erschweren. Ende Mai hatte Außenminister Marco Rubio verkündet, dass US-Botschaften weltweit auf unbestimmte Zeit keine Termine für die Visa-Vergabe mehr anböten. Das bedeutet: Internationale Studierende, die schon längst die Zusage einer US-Uni für ein Auslandssemester oder Forschungsaufenthalt in der Tasche haben, müssen jetzt bangen. Für zwölf Länder gilt seit Montag zudem ein generelles Einreiseverbot. Ein Teil der Maßnahmen trifft auch Forscher:innen und Studierende aus Deutschland, die wie Fellner nach Harvard möchten.
Wie viele genau betroffen sind, ist kaum zu ermitteln. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), über den im vergangenen Jahr insgesamt 2.600 Studierende und Forscher:innen in den USA waren, weiß aber von solchen Fällen. Unter den rund 230 DAAD-Stipendiat:innen, die pünktlich zum Wintersemester Anfang September in die USA einreisen wollen, haben einige aktuell noch keinen Botschaftstermin – und damit kein Visum. Ob sie wie geplant einreisen können, steht in den Sternen.
Solidarität mit US-Unis
DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee nennt die Einreisepolitik einen „Rückschritt für die internationale Wissenschaftsmobilität“. Damit setze die US-Regierung eine Politik der Abschottung im Wissenschaftsbereich fort, die sich gegen internationale Kooperation und die Interessen vieler Hochschulen im Inland richte. Tatsächlich sind die Studiengebühren für viele US-Unis wichtige Einnahmequellen. Unter den Harvard-Studierenden etwa hat mehr als ein Viertel keine US-Staatsbürgerschaft.
Eine klare Empfehlung, jetzt wegen Trump nicht mehr in den USA zu forschen, will Mukherjee aber auf keinen Fall abgeben. Auf Anfrage der taz sagte er: „Wir sehen, dass sich die Bedingungen in den USA verändert haben – etwa durch strengere Visa-Regelungen, gesellschaftliche Polarisierung und das teils disruptive Vorgehen der US-Regierung gegenüber Hochschulen“.
Für ein starkes transatlantisches Bündnis brauche es aber auch in Zukunft Menschen in Deutschland, die in den USA gelebt, studiert und geforscht haben. Deshalb ermutige der DAAD Studierende, Promovierende und Wissenschaftler:innen, die Chancen für Austausch und Zusammenarbeit zu nutzen. Deutschland müsse jetzt solidarisch an der Seite der US-Hochschulen stehen.
Mukherjee vermutet, dass die „Strahlkraft“ des Standortes USA aber abnehmen dürfte. „Junge Wissenschaftler:innen aus vielen Ländern haben lange selbstverständlich in Richtung USA geschaut – das könnte sich durch die aktuelle Politik ändern“. Für den Wissenschaftsstandort Deutschland sei das eine große Chance. Erste Anzeichen dafür nimmt der DAAD bereits wahr. In der Außenstelle New York gingen derzeit sehr viele Anfragen dazu ein, wie man ins deutsche Hochschulsystem wechseln könne.
Profitieren deutsche Unis?
Dass sich derzeit viele Wissenschaftler:innen in den USA mit einer Flucht aus Trumpland beschäftigen, bestätigt eine aktuelle Umfrage des britischen Wissenschaftsmagazins Nature. Demnach sehen sich drei von vier Befragten wegen der Trump’schen Politik nach Jobs in anderen Ländern um. Prominente Wissenschaftler wie der Historiker Timothy Snyder, bekannt für seine Holocaust- und Faschismusforschung, haben bereits angekündigt, die USA zu verlassen. Snyder arbeitet künftig in Kanada. Auch Deutschland bemüht sich zurzeit um US-amerikanische Spitzenforscher:innen.
Die Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, internationale Wissenschaftler:innen mit einem „1.000 Köpfe-Programm“ für sich zu gewinnen. Deutschland soll „attraktives Zielland“ und „sicherer Hafen“ für Forschende aus aller Welt sein. Nach dem Wunsch der Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) sollen die Humboldt-Stiftung sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die viel Erfahrung mit internationalen Stipendienprogramme haben, auch das „1.000 Köpfe-Programm“ umsetzen. Auf taz-Anfrage teilte eine Ministeriumssprecherin mit, das Programm werde „zeitnah“ starten.
„Diese Stellen sind nur wenige und kommen nur für akademische Superstars in Frage“, sagt Patricia Stokes der taz. Sie ist Assistenzprofessorin an der Ohio University und forscht zu Women’s, Gender and Sexuality Studies. In den 1990er hat sie eine Zeit lang in Berlin gelebt.
Der Vater ihrer Kinder ist Deutscher, ihre Söhne sind Doppelstaatler. Auch sie selbst habe sich bereits erkundigt, wie sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten könne, „falls die Lage in den Vereinigten Staaten richtig hässlich wird“. Ein Kipppunkt wäre für Stokes die Verhaftung von Professor:innen mit US-Staatsbürgerschaft aufgrund ihrer Ansichten und ihrer politischen Einstellung.
Deutlich höhere US-Löhne
Von einem echten Braindrain nach Deutschland sei derzeit jedoch noch nicht zu sprechen. Dazu dürften auch finanzielle Beweggründe beitragen. Gehälter an US-Universitäten sind um ein vielfaches höher als in Deutschland. Laut Daten der Professor:innenorganisation AAUP verdienten ordentliche Professorinnen und Professoren in den USA im Jahr 2024 durchschnittlich 161.000 US-Dollar, etwa 141.000 Euro. In Deutschland waren es laut dem Deutschen Beamtenbund je nach Bundesland nur etwa 90.000 Euro, bei höherem Steueraufkommen.
In Ohio hat Patricia Stokes gehört, dass bereits einige Kolleg:innen bestimmte Themen von ihren Lehrplänen streichen – aus Angst vor der sogenannten „Senate Bill One“. Das kommende Gesetz, das Strafen bei unausgewogener Besprechung bestimmter Kontroversen androht, besonders im Bereich Gender und Diversität, ist kein Projekt der US-Bundesregierung, sondern des republikanisch dominierten Senats des Bundesstaates.
Felix Fellner, der deutsche Harvard-Studierende mit anderem Namen, möchte trotz allem in den USA bleiben. Auch, dass seine bereits eingeschriebenen Kommilitonen freiwillig abwandern, glaubt er nicht – zu attraktiv sind die Vereinigten Staaten noch immer als Bildungsstandort. Er kann sich aber vorstellen, dass sich junge Menschen, die sich parallel an Eliteunis in Großbritannien oder Frankreich bewerben, eher für diese entscheiden – oder bei einer Zusage in den USA die Entscheidung aufschieben, solange es dort keine Planungssicherheit gibt.
Die Repression gegen Harvard nehme er inzwischen mit Galgenhumor. Kürzlich habe er bei einem Picknick eher zufällig ein T-Shirt des MIT getragen, das Massachusetts Institute of Technology ist ebenfalls eine Eliteuni. Auf Nachfrage eines Freundes nach dem Grund sagte er scherzhaft: Wenn jetzt Agenten der Einwanderungsbehörde ICE kämen, werde er vielleicht nicht abgeschoben.
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