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Kampf um US-ForschendeFlucht aus Trumpland

Die Trump-Regierung will die Wissenschaft in den USA drastisch beschneiden. Davon könnten auch deutsche Unis profitieren.

Widerstand gegen Trump: In Harvard wird die Wissenschaftsfreiheit verteidigt Foto: Adam Gray/imago

Berlin taz | „Freunde von mir haben schon LinkedIn- und Instagram-Posts gelöscht, in denen sie sich scheinbar Trump-kritisch geäußert haben“, sagt Felix Fellner, Ende 20. Dann erzählt der internationale Studierende die Geschichte einer Freundin. Bei der Einreise in die USA sei ihr Handy kontrolliert worden, man habe „vor ihren Augen Whatsapp geöffnet und im Verlauf nach dem Stichwort Trump gesucht.“

Fellner studiert Public Policy an der Harvard Kennedy School in Cambridge und heißt eigentlich anders, ursprünglich kommt er aus Deutschland. Die derzeitige Situation in den USA sei mit einer starken Unsicherheit verbunden, erzählt er am Telefon. „Ich glaube, viele empfinden das Klima für Internatio­nals gerade als sehr feindselig, nicht im persönlichen Umfeld, sondern von administrativer Seite.“ Von Bekannten wisse er, dass manche inzwischen nach dem Uni-Abschluss zum Arbeiten lieber zurück in ihre Heimatländer gehen.

Die USA zählen seit Langem zu den beliebtesten Bildungsstandorten weltweit – auch wegen ihrer riesigen öffentlichen Forschungsetats. Doch das könnte sich bald ändern. Seitdem Donald Trump Anfang des Jahres wieder Präsident wurde, setzt die Regierung massive Kürzungen im Bildungssektor um. Neben Stellenabbau in öffentlichen Forschungseinrichtungen bringt vor allem die Einstellung von Förderungen die Universitäten und somit auch die Studierenden in Bedrängnis.

Im Mai diesen Jahres eskalierte der Streit zwischen Trump und der US-Eliteuniversität Harvard im Bundesstaat Massachusetts. US-Heimatschutzministerin Kristi Noem hatte angeordnet, die Zertifizierung für Austausch- und Gaststudierendenprogramme aufzuheben. Harvard durfte demnach keine ausländischen Studierenden mehr aufnehmen. Bereits Eingeschriebene sollten sich, so Noem, „andere Universitäten suchen“.

Die Universitätsleitung klagte und konnte per einstweiliger Verfügung einen Stopp der Anordnung bewirken, jedoch nur vorläufig. Es folgte ein Hin und her. Trump drohte mit dem Ende staatlicher Finanzierung; ein Versuch, Harvard-Studierenden die Einreise zu verbieten, scheiterte Anfang Juni an einer ebenfalls vorläufigen gerichtlichen Blockade.

Die USA unter Trump

Im November 2024 gewann Donald J. Trump zum zweiten Mal eine Präsidentschaftswahl in den USA und amtiert seit Januar 2025 als 47. Präsident. Er treibt den Umbau öffentlicher Einrichtungen und einen Kurswechsel in der Außenpolitik voran.

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Columbia-Uni knickt ein

Der Streit ist beispielhaft für Trumps Feldzug gegen die amerikanischen Bildungseinrichtungen. Die renommierte New Yorker Columbia-Universität knickte – anders als Harvard – schon zuvorkommend ein. Sie kam Trumps Forderungen nach, umfassende Auflagen umzusetzen. Etwa, die Nahost-, Südasien- und Afrikastudien unter akademische Zwangsverwaltung zu stellen und der Fakultät die Kontrolle zu entziehen.

Todd Wolfson, Präsident der American Association of University Professors (AAUP), bezeichnete den Schritt als „den wohl größten Eingriff in die akademische Freiheit, die Redefreiheit und die institutionelle Autonomie, den wir seit der McCarthy-Ära erlebt haben“. Trump begründet seine Maßnahmen immer wieder mit der Eindämmung von Gewalt und Antisemitismus auf dem Campus. Kri­ti­ke­r:in­nen sehen darin eher Manöver in seinem Krieg gegen die „woken“ Wissenschaften und eine innenpolitische Botschaft an die eigene Wählerschaft – man tue was gegen die Eliten und ihren Nachwuchs.

Jüngstes Ziel der US-Regierung: die Einreise sämtlicher ausländischer Studierender zu erschweren. Ende Mai hatte Außenminister Marco Rubio verkündet, dass US-Botschaften weltweit auf unbestimmte Zeit keine Termine für die Visa-Vergabe mehr anböten. Das bedeutet: Internationale Studierende, die schon längst die Zusage einer US-Uni für ein Auslandssemester oder Forschungsaufenthalt in der Tasche haben, müssen jetzt bangen. Für zwölf Länder gilt seit Montag zudem ein generelles Einreiseverbot. Ein Teil der Maßnahmen trifft auch For­sche­r:in­nen und Studierende aus Deutschland, die wie Fellner nach Harvard möchten.

Wie viele genau betroffen sind, ist kaum zu ermitteln. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD), über den im vergangenen Jahr insgesamt 2.600 Studierende und For­sche­r:in­nen in den USA waren, weiß aber von solchen Fällen. Unter den rund 230 DAAD-Stipendiat:innen, die pünktlich zum Wintersemester Anfang September in die USA einreisen wollen, haben einige aktuell noch keinen Botschaftstermin – und damit kein Visum. Ob sie wie geplant einreisen können, steht in den Sternen.

Solidarität mit US-Unis

DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee nennt die Einreisepolitik einen „Rückschritt für die internationale Wissenschaftsmobilität“. Damit setze die US-Regierung eine Politik der Abschottung im Wissenschaftsbereich fort, die sich gegen internationale Kooperation und die Interessen vieler Hochschulen im Inland richte. Tatsächlich sind die Studiengebühren für viele US-Unis wichtige Einnahmequellen. Unter den Harvard-Studierenden etwa hat mehr als ein Viertel keine US-Staatsbürgerschaft.

Eine klare Empfehlung, jetzt wegen Trump nicht mehr in den USA zu forschen, will Mukherjee aber auf keinen Fall abgeben. Auf Anfrage der taz sagte er: „Wir sehen, dass sich die Bedingungen in den USA verändert haben – etwa durch strengere Visa-Regelungen, gesellschaftliche Polarisierung und das teils disruptive Vorgehen der US-Regierung gegenüber Hochschulen“.

Für ein starkes transatlantisches Bündnis brauche es aber auch in Zukunft Menschen in Deutschland, die in den USA gelebt, studiert und geforscht haben. Deshalb ermutige der DAAD Studierende, Promovierende und Wissenschaftler:innen, die Chancen für Austausch und Zusammenarbeit zu nutzen. Deutschland müsse jetzt solidarisch an der Seite der US-Hochschulen stehen.

Mukherjee vermutet, dass die „Strahlkraft“ des Standortes USA aber abnehmen dürfte. „Junge Wis­sen­schaft­le­r:in­nen aus vielen Ländern haben lange selbstverständlich in Richtung USA geschaut – das könnte sich durch die aktuelle Politik ändern“. Für den Wissenschaftsstandort Deutschland sei das eine große Chance. Erste Anzeichen dafür nimmt der DAAD bereits wahr. In der Außenstelle New York gingen derzeit sehr viele Anfragen dazu ein, wie man ins deutsche Hochschulsystem wechseln könne.

Profitieren deutsche Unis?

Dass sich derzeit viele Wis­sen­schaft­le­r:in­nen in den USA mit einer Flucht aus Trumpland beschäftigen, bestätigt eine aktuelle Umfrage des britischen Wissenschaftsmagazins Nature. Demnach sehen sich drei von vier Befragten wegen der Trump’schen Politik nach Jobs in anderen Ländern um. Prominente Wissenschaftler wie der Historiker Timothy Snyder, bekannt für seine Holocaust- und Faschismusforschung, haben bereits angekündigt, die USA zu verlassen. Snyder arbeitet künftig in Kanada. Auch Deutschland bemüht sich zurzeit um US-amerikanische Spitzenforscher:innen.

Die Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, internationale Wis­sen­schaft­le­r:in­nen mit einem „1.000 Köpfe-Programm“ für sich zu gewinnen. Deutschland soll „attraktives Zielland“ und „sicherer Hafen“ für Forschende aus aller Welt sein. Nach dem Wunsch der Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) sollen die Humboldt-Stiftung sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die viel Erfahrung mit internationalen Stipendienprogramme haben, auch das „1.000 Köpfe-Programm“ umsetzen. Auf taz-Anfrage teilte eine Ministeriumssprecherin mit, das Programm werde „zeitnah“ starten.

„Diese Stellen sind nur wenige und kommen nur für akademische Superstars in Frage“, sagt Patricia Stokes der taz. Sie ist Assistenzprofessorin an der Ohio University und forscht zu Women’s, Gender and Sexuality Studies. In den 1990er hat sie eine Zeit lang in Berlin gelebt.

Der Vater ihrer Kinder ist Deutscher, ihre Söhne sind Doppelstaatler. Auch sie selbst habe sich bereits erkundigt, wie sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten könne, „falls die Lage in den Vereinigten Staaten richtig hässlich wird“. Ein Kipppunkt wäre für Stokes die Verhaftung von Pro­fes­so­r:in­nen mit US-Staatsbürgerschaft aufgrund ihrer Ansichten und ihrer politischen Einstellung.

Deutlich höhere US-Löhne

Von einem echten Braindrain nach Deutschland sei derzeit jedoch noch nicht zu sprechen. Dazu dürften auch finanzielle Beweggründe beitragen. Gehälter an US-Universitäten sind um ein vielfaches höher als in Deutschland. Laut Daten der Pro­fes­so­r:in­nen­or­ga­ni­sa­ti­on AAUP verdienten ordentliche Professorinnen und Professoren in den USA im Jahr 2024 durchschnittlich 161.000 US-Dollar, etwa 141.000 Euro. In Deutschland waren es laut dem Deutschen Beamtenbund je nach Bundesland nur etwa 90.000 Euro, bei höherem Steueraufkommen.

In Ohio hat Patricia Stokes gehört, dass bereits einige Kol­le­g:in­nen bestimmte Themen von ihren Lehrplänen streichen – aus Angst vor der sogenannten „Senate Bill One“. Das kommende Gesetz, das Strafen bei unausgewogener Besprechung bestimmter Kontroversen androht, besonders im Bereich Gender und Diversität, ist kein Projekt der US-Bundesregierung, sondern des republikanisch dominierten Senats des Bundesstaates.

Felix Fellner, der deutsche Harvard-Studierende mit anderem Namen, möchte trotz allem in den USA bleiben. Auch, dass seine bereits eingeschriebenen Kommilitonen freiwillig abwandern, glaubt er nicht – zu attraktiv sind die Vereinigten Staaten noch immer als Bildungsstandort. Er kann sich aber vorstellen, dass sich junge Menschen, die sich parallel an Eliteunis in Großbritannien oder Frankreich bewerben, eher für diese entscheiden – oder bei einer Zusage in den USA die Entscheidung aufschieben, solange es dort keine Planungssicherheit gibt.

Die Repression gegen Harvard nehme er inzwischen mit Galgenhumor. Kürzlich habe er bei einem Picknick eher zufällig ein T-Shirt des MIT getragen, das Massachusetts Institute of Technology ist ebenfalls eine Eliteuni. Auf Nachfrage eines Freundes nach dem Grund sagte er scherzhaft: Wenn jetzt Agenten der Einwanderungsbehörde ICE kämen, werde er vielleicht nicht abgeschoben.

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17 Kommentare

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  • Die werden nicht kommen, weil:

    - Gehälter zu niedrig



    - Steuern und Abgaben zu hoch



    - Verwaltung aus dem 19ten Jahrhundert



    - Zu wenig Englisch Kenntnisse bei Staat und Gesellschaft.

  • Also wie 1933 ff nur umgekehrt :)

    So richtig glauben kann ich das nicht.

  • Die werden genau wenig kommen wie die ganzen anderen Fachkräfte, die man seit 20 Jahren anlocken will, weil die exzessive Steuerbelastung jeden Hochqualifizierten abschreckt, der sich das Land aussuchen kann. Die gehen dann eher in die Schweiz oder nach GB.

    • @Juleischka :

      Wenn man in San Francisco wohnt, zahlt man auch ganz ordentlich Steuern.

    • @Juleischka :

      Aha, die Steuerbelastung, die wird es sein, denn die lässt sich ja nicht mit höheren Gehältern aus dem Weg räumen.

      Dass der Rassismus in Deutschland noch einmal viel hartnäckiger ist, und es nicht einmal die vergleichsweise großen Milleus gibt, die mit Differenzerfahrungen zumindest so umgehen können, dass sich das bekannte Identity-Patchwork ergibt, wird sicherlich keine Rolle spielen.

  • taz: Bei der Einreise in die USA sei ihr Handy kontrolliert worden, man habe „vor ihren Augen Whatsapp geöffnet und im Verlauf nach dem Stichwort Trump gesucht.“

    Das hat nichts mehr mit einem 'freien und demokratischen Land' zu tun, so etwas gibt es nur in diktatorischen Ländern.

  • Wir sollten jetzt also dringend die Attraktivität der europäischen Universitäten erhöhen. Einen solchen Brain-Drain, von dem wir profitieren können, hatten wir das letzte Mal bei der Eroberung von Konstantinopel. Auch damals begaben sich byzantinische Gelehrte in großer Zahl nach Westeuropa und beflügelten Wirtschaft und Wissenschaft.

  • Seinen wir ehrlich. Kaum jemand wird nach Deutschland kommen. Die Person rechts auf dem Bild würde Dobrindt nicht mal reinlassen...

    Und wer kann schon deutsch?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Deutsch ist ohnehin auf dem Weg die Sprache der hiesigen Alten zu sein.

      Die Ironie ist dabei dass die tonangebenden us-amerikanischen Gesellschaftswissenschaften gegen Ethnozentrismus und die Idee einer neutralen Sprache argumentieren, nur um dann selbst US-Leitkultur und Dominanz der Anglosphere zu etablieren.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Gut, dann sind wir mal ehrlich.

      Dobrindt ist CSU.

      Die Klientel, um das es hier geht, würde Dobrindt jederzeit begrüßen.

      Die müssten nicht mal Deutsch können.

      Sind ja keine Asylbewerber.

      München hat nicht umsonst den Wohlstand, den es hat.

      Aber die Leute werden nicht kommen.

      Wird ja auch im Artikel deutlich.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wie kommen Sie darauf dass die Person rechts auf dem Bild nicht in der Lage ist ein ordentlichen Antrag auf ein Visum zu stellen?



      Diese Haltung ist zutiefst rassistisch.

      Reflektieren Sie bitte einmal ihre Einstellung zu Schwarzen Menschen.

  • Ach was! - un ma hett sich‘s denge kenne - wa!



    Die Leich - is noch nicht kalt - un gleich …



    Leichenfledderei - is so ziemlich oberallerletzte



    Unterste Schublade - Gellewelle&Wollnich •



    Empfehle sojet Hartmäuligindolente



    & Alexis Sorbas von Nikos Kazantzakis.



    (Hat auch Brudermörder gedreht)

  • Schon mal versucht, die Verwaltung einer deutschen Uni dazu zu bringen, Englisch zu sprechen und zu schreiben?

    • @Suryo:

      Ja, und es ist kein Problem.



      Jedenfalls kein größeres. Es gibt natürlich auch Formulare, denen man auch auf Deutsch kaum folgen kann.



      Es gibt keine Uni mehr, die nicht auf Internationalisierung setzt.

      • @fly:

        Da kann ich aus eigener Erfahrung widersprechen.

        “Amtssprache in Deutschland ist deutsch, wir müssen das also nicht auf Englisch anbieten” - wohlgemerkt, wir sprechen hier von der Verwaltung und nicht von der Lehre oder dem Studentenwerk.

  • "Die Bundesregierung verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, internationale Wis­sen­schaft­le­r:in­nen mit einem „1.000 Köpfe-Programm“ für sich zu gewinnen. Deutschland soll „attraktives Zielland“ und „sicherer Hafen“ für Forschende aus aller Welt sein. (...) "Diese Stellen sind nur wenige und kommen nur für akademische Superstars in Frage", sagt Patricia Stokes der taz. Sie ist Assistenzprofessorin an der Ohio University und forscht zu Women’s, Gender and Sexuality Studies"



    Eben. Das 1.000-Köpfe-Programm ist kein 'Macht hoch die Tür, die Tor macht weit', es geht hierbei um Top-Wissenschaftler, Professoren, etc - nicht den gemeinen Studenten.



    Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Frau Bär bzw ihr Ministerium unter den 1.000 Köpfen relativ wenig bis null aus einem 'Fachbereich' wie "Women’s, Gender and Sexuality Studies" eingeplant haben... - nur so ein Gefühl

    • @Farang:

      Man wird Herr oder Frau Professor nur schwer in dem deutschen Besoldungsrecht unterbringen können, wenn die Topleute 300k mit 25% Einkommensteuer gewohnt sind. Aber es geht….



      Und um die Studierenden muss man sich keine Sorgen machen, die dürften jetzt schon kommen und sparen wahrscheinlich dabei sogar.