Kadyrow in Tschetschenien: Sieger mit Protzgehabe
Ramsan Kadyrow, Herrscher über Tschetschenien, macht gern kurzen Prozess mit Kritikern. Trotzdem wurde er jetzt wiedergewählt.

Das muss in den Ohren Kadyrows wie Hohn klingen. Denn mit Homosexuellen, die es in Tschetschenien angeblich gar nicht gibt, pflegt er kurzen Prozess zu machen. Sie werden entführt, in Haft gefoltert und manchmal auch ermordet. Orchestriert wird diese Menschenjagd von den „Kadyrowzy“ – einer paramilitärischen Einheit, die dem 44-Jährigen direkt untersteht und im rechtsfreien Raum agiert – quasi freie Hand hat.
Das gilt auch für Kadyrow selbst. Seit März 2006 Regierungschef in Tschetschenien, wurde Kadyrow am 2. März 2007 auf Vorschlag von Russlands Staatschef Wladimir Putin zum Präsidenten gewählt. Der Deal lautete: Wiederaufbau sowie Sicherheit und Stabilität in dem durch zwei Kriege gegen Russland verheerten Land. Im Gegenzug sollte Kadyrow nach Gusto schalten und walten dürfen.
Grassierende Korruption als weiteres Markenzeichen
Das tat und tut er, wobei die Frage ist, ob ihn der Kreml noch unter Kontrolle hat. Schwerste Menschenrechtsverletzungen sind in Tschetschenien an der Tagesordnung. Zahlreiche Morde sollen auf Kadyrows Konto gehen, der seit 2014 bzw. 2017 bei der EU und den USA auf der Sanktionsliste steht. Unter den Opfern sind neben Tschetschenen im Ausland auch die bekannte tschetschenische Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa, die 2009 bestialisch umgebracht wurde.
Ein weiteres Markenzeichen der Herrschaft Kadyrows ist eine grassierende Korruption. So wohnt die Zweitfrau des gläubigen Muslims (Polygamie ist in Russland gesetzlich verboten) in einem Palast im Zentrum der Hauptstadt Grosny, der einen Wert von umgerechnet mehr als 4 Millionen Euro haben soll. So manches Sümmchen dürfte wohl von der nach Kadyrows 2004 ermordeten Vater Achmed benannten Stiftung kommen, in die Angestellte, Beamte sowie Unternehmer zwangseinzahlen müssen. Mit einem Vermögen von umgerechnet 70 Millionen Euro (2019) ist sie die wohlhabendste in ganz Russland.
Bei den Wahlen in Russland in der vergangenen Woche wurde in Tschetschenien auch über das Staatsoberhaupt abgestimmt. Ramsan Kadyrow, der einem bizarren Personenkult frönt, erhielt offiziellen Angaben zufolge 99,7 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent – Spitzenwerte in der Russischen Föderation. Ruslan Kutajew, tschetschenischer Aktivist und ehemaliger politischer Gefangener, merkte an: „Das war eine Botschaft an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Sie lautet: „Außer Kadyrow existiert niemand in Tschetschenien.“
🏳️⚧️ SHANTAY. YOU PAY. 🏳️🌈
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Informationen auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich aber leisten kann, darf einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geflüchtetenhilfte mit Tauschaktion
Hamburgs Linke hebelt Bezahlkarte aus
Reaktionen zu Klöckners taz-Vergleich
„Medienpolitische Version der Hufeisentheorie“
Bayrischer Regelungswahnsinn
Chipsverbot nach 20 Uhr
Debatten um Religionsunterricht
Religiöse Bildung für alle
Kein Exit für Nazis!
Angehörige fordern Ausschluss Zschäpes von Ausstiegsprojekt
Klöckner setzt taz mit Nius gleich
Die taz hat News für Klöckner