Justizminister reformiert Familienrecht: Gleichstellung für lesbische Mütter
Marco Buschmann (FDP) will das Familien- und das Abstammungsrecht reformieren. Es soll der Vielfalt heutiger Familienformen Rechnung tragen. Die taz hat die Eckpunkte exklusiv.
Den ersten Teil dieser Reform, die Änderungen im Unterhaltsrecht, hatte der Justizminister bereits im Sommer vorgestellt. In den kommenden Wochen will sein Ministerium zwei weitere Eckpunktepapiere vorlegen: eines zum Abstammungsrecht und eines zum Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht. Der taz liegen beide Dokumente bereits vor.
Das Abstammungsrecht
Das erste Eckpunktepapier betrifft das Abstammungsrecht. Es geht also um die Frage, wer rechtliche Mutter und wer rechtlicher Vater eines Kindes ist.
Traditionell gilt in Deutschland die Grundregel: Die Frau, die das Kind geboren hat, ist immer Mutter, und der Mann, mit dem sie verheiratet ist, wird automatisch rechtlicher Vater (selbst wenn ein anderer Mann biologischer Vater ist).
Seit 2017 können aber auch zwei Frauen heiraten. Mit Hilfe einer Samenspende können auch sie Kinder bekommen, die sie gemeinsam aufziehen wollen. Auch hier gilt natürlich, dass die gebärende Frau Mutter ist, ihre Ehepartnerin wurde dagegen bisher nicht Mitmutter. Der Automatismus, der für Ehemänner gilt, ist für lesbische Ehefrauen bisher nicht vorgesehen. Um Mitmutter zu werden, muss die Partnerin das Kind bisher adoptieren, mit aufwändiger Prüfung durch das Jugendamt.
Das will Justizminister Buschmann endlich ändern. Die mit der Geburtsmutter verheiratete Frau soll automatisch Mitmutter werden. Ist ein lesbisches Paar nicht verheiratet, soll die nicht-eheliche Partnerin der Geburtsmutter das Kind einfach anerkennen können. Eine Stiefkindadoption, die ja eigentlich für Kinder vorgesehen war, die in eine neue Beziehung mitgebracht werden, ist bei gemeinsam geplanten Kindern künftig also nicht mehr erforderlich.
Die zweite Neuerung im Abstammungsrecht
Als zweite große Neuerung im Abstammungsrecht ist die Einführung von Elternschaftsvereinbarungen geplant. Hier sollen die Beteiligten vor der Geburt des Kindes vertraglich klären, wer neben der Geburtsmutter das zweite rechtliche Elternteil sein soll.
Ein praktischer Anwendungsfall könnte sein, dass sich ein lesbisches und ein schwules Paar zusammentun. Sie könnten vereinbaren, dass neben der Geburtsmutter der schwule Samenspender rechtlicher Vater wird. Allerdings soll das Dogma des deutschen Familienrechts bestehen bleiben, dass ein Kind nur zwei rechtliche Eltern haben kann und nicht drei oder vier, wie es hier ja durchaus naheläge.
In einer Elternschaftsvereinbarung kann auch negativ geregelt werden, wer nicht rechtlicher Vater sein soll. Wenn etwa ein unverheiratetes (lesbisches oder heterosexuelles) Paar mit Hilfe eines Samenspenders ein Kind bekommen möchte, könnte mit diesem vereinbart werden, dass er definitiv nicht rechtlicher Vater wird. Stattdessen könnte der Partner respektive die Partnerin der Geburtsmutter als Vater oder Mitmutter vereinbart werden.
Für schwule Paare bringen Buschmanns Eckpunkte keinen Durchbruch, weil in der Regel (Ausnahme: Transmänner) beide Partner keine Kinder gebären können und sie deshalb eine Leihmutter benötigen. Derzeit ist die Leihmutterschaft in Deutschland aber verboten. Ob zumindest die altruistische (also unbezahlte) Leihmutterschaft erlaubt wird, berät eine Regierungskommission, die ihren Bericht bald vorlegen soll.
Das Sorge- und Umgangsrecht
Die Reform des Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrechts soll der Vielfalt heutiger Familienformen Rechnung tragen: Trennungsfamilien sollen dabei unterstützt werden, die Betreuung ihrer minderjährigen Kinder besser zu organisieren. Nichtverheiratete Elternpaare, Patchwork- und Regenbogenfamilien sollen gestärkt werden. Außerdem soll der Schutz vor häuslicher Gewalt verbessert und das Adoptionsrecht liberalisiert werden.
Ausgeweitet werden soll das „kleine Sorgerecht“. Damit sollen bis zu zwei Personen, die nicht die rechtlichen Eltern eines Kindes sind, sorgerechtliche Befugnisse bekommen. Das können zum Beispiel die neue Partnerin des Vaters sein oder der private Samenspender, die dann über Angelegenheiten des täglichen Lebens mitentscheiden dürfen.
Für getrennte Elternpaare sind neue Betreuungsregeln vorgesehen. Erstmals soll das Wechselmodell gesetzlich geregelt werden. Bisher gilt das sogenannte Residenzmodell, nach dem ein Kind nach der Trennung bei einem Elternteil, meist der Mutter, lebt. Das Wechselmodell sieht nun vor, dass Kinder nach der Trennung in beiden Haushalten der Eltern leben. Die Familiengerichte sollen das Wechselmodell anordnen können, heißt es im Eckpunktepapier. Das Kindeswohl soll aber zentraler Maßstab für die Anordnung bleiben.
Das Wechselmodell wird vor allem von der FDP favorisiert. Unter Expert*innen ist es jedoch umstritten. Eine Studie der Universität Marburg ergab im Jahr 2021, dass das Wechselmodell vor allem dann funktioniert, wenn die Eltern trotz ihrer Trennung kooperativ miteinander umgehen und das Kind zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat.
Ist beides gegeben, wirkt sich das positiv auf das Kind aus. Expert*innen haben bei einem gerichtlich angeordneten Wechselmodell allerdings die Sorge, dass das zwanghafte Pendeln zwischen zwei Eltern-Wohnungen Kinder in Loyalitätskonflikte bringen kann.
Mehr Schutz vor häuslicher Gewalt
Das Eckpunktepapier sieht außerdem endlich einen besseren Schutz vor häuslicher Gewalt in Umgangs- und Sorgeverfahren vor. Erstmals wird dabei auch Partnerschaftsgewalt explizit aufgenommen: Die Gerichte sollen künftig systematisch ermitteln, wenn es Anhaltspunkte für häusliche Gewalt gegenüber dem Kind und/oder gegenüber dem anderen Elternteil gibt.
Ein gemeinsames Sorgerecht soll nicht nur bei Gewalt gegenüber dem Kind, sondern auch bei Partnerschaftsgewalt regelmäßig nicht in Betracht kommen. Damit greift das Eckpunktepapier eine zentrale Forderung der Istanbul-Konvention auf, jenem Abkommen des Europarats, das Gewalt gegen Frauen bekämpfen soll. Deutschland hat die Konvention 2017 ratifiziert.
Allerdings haben verschiedene Organisationen den Gesetzgeber immer wieder dafür gerügt, dass die hiesige Gesetzeslage und die Rechtspraxis Frauen nicht genug vor häuslicher Gewalt schütze. Das liegt laut Expert*innen auch daran, dass vielen Familienrichter*innen die Expertise im Umgang mit häuslicher Gewalt fehlt.
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung hatte daher vorgesehen, dass Familienrichter*innen einen Fortbilungsanspruch zum Thema bekommen sollen. Der steht im Eckpunkte-Papier nicht drin.
Das Eckpunktepapier sieht auch neue Regeln für das Adoptionsrecht vor. So sollen künftig auch unverheiratete Paare und Paare in eingetragenen Lebenspartnerschaften ein fremdes Kind adoptieren dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen