„Jungfräulichkeitstests“ in Indien: Wehrhafte Schwestern

In Südasien werden Frauen noch immer vermeintlichen Keuschheitsproben unterzogen. Zwei junge Inderinnen setzen sich jetzt öffentlich zur Wehr.

Eie Braut stiicht in einer Gruppe von Frauen bei einer Massenhochzeit heraus

Eine Braut bei einer Massenhochzeit in Indien Foto: Francis Mascarenhas/reuters

MUMBAI taz | An ihrem Hochzeitstag waren sie noch in rot-goldene Gewänder gehüllt. Doch kurz darauf zerbrach die Fassade. „Meine Schwiegermutter hat mich nach der Hochzeit zwei Tage lang gequält. Mein Ehemann hat versucht, mich an der Decke zu erhängen“, erzählte kürzlich die 22-jährige Megha Kailas Gumane aus dem westindischen Kolhapur einer Reporterin der Times of India.



Der Grund war, dass der „Jungfräulichkeitstest“ der Braut nach der Hochzeitsnacht nicht – wie von ihrer neuen Familie gewünscht – positiv ausgefallen war. Das Bettlaken war am Morgen danach nicht blutig. Das gab ihren Schwiegereltern das vermeintliche Recht, sie zu misshandeln und sie wie ihre ebenfalls frisch eingeheiratete Schwester auf die Straße zu setzen.

Denn wenn eine Frau nicht blutet, wird angenommen, dass sie vorehelichen Sex hatte. Davor sollen die Schwiegereltern eine Mitgift gefordert haben. 

Dass Megha so offen darüber spricht, was ihr widerfahren war, ist keine Selbstverständlichkeit. Denn sie wurde gedemütigt und mit dem Tod bedroht.

Doch sei jetzt das Schlimmste passiert, sagt sie, und sie hätte nichts mehr zu verlieren. „Mein Mann sagte, ich soll nach Hause gehen, wenn ich Selbstwertgefühl hätte. Oder mich umbringen“, sagt sie einem öffentlichen Video.

Nicht das erwünschte Ergebnis beim „Bettlaken-Test“

Doch die Schwestern ließen das nicht stillschweigend auf sich sitzen. Sie fordern Gerechtigkeit und zeigten die brutale Praxis bei der Polizei an. Von dem „Bettlaken-Test“ wussten die beiden, 22 und 19 Jahre alt, nichts, als sie Ende November innerhalb ihrer Kaste mit den Brüdern Sandip (32) und Surmit (27) Kanjarbhat verheiratet wurden. Wenig später annullierte sogar der Gemeinderat die Ehen, was eigentlich nicht rechtens ist.


Nach der Anzeige wurde die Unterkunft der Schwestern von mehreren Personen mit Steinen beworfen. Meghnas Ex-Mann, ein Soldat, wurde nach dem Vorfall verhaftet. Doch die Frauen bekamen auch Zuspruch und Beistand von So­zi­al­ar­bei­te­r:in­nen der Nichtregierungsorganisation MANS, den Rechtsstreit zu führen. Megha sucht nun nach einer Ausbildungsmöglichkeit als Kosmetikerin, ihre Schwester will auf eine Polizeiakademie.

Männer, soziale Benachteiligung und Kastensystem

„Wir sind hier, um diese mutigen Mädchen zu unterstützen. Aber es liegt in der Verantwortung der Männer, diese Art von Praxis zu stoppen“, sagt Vivek Tamaichikar. Er hat eine Aufklärungskampagne in der Gemeinde der Kanjarbhat-Kaste gestartet. „Das Kastensystem ist sehr stark dafür verantwortlich, dass diese Vorfälle passieren“, erklärt er, auch wenn sie illegal sind.

So etwas passiere zwar auch in anderen Gemeinschaften, doch eben häufiger in jenen, die benachteiligt sind, wie in diesem Fall bei der Stammesgemeinschaft Kanjarbhat, sagt Tamaichikar. 

Der westindische Bundesstaat Maharashtra, in dem sich der Vorfall ereignet hat, war der erste, der 2016 ein Gesetz gegen gesellschaftlichen Ausschluss aufgrund von Religion oder Brauchtum verabschiedet hat.

Vergehen werden mit Gefängnis von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe von umgerechnet bis zu 1.000 Euro geahndet. Auf dieses Gesetz berufen sich nun die Frauen.

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