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Judenhass im JugendfußballTatort Fußballplatz

Sie haben übelste antisemitische Drohungen ausgestoßen und den Hitlergruß gezeigt: Zwei A-Junioren wurden in Berlin nun für zwei Jahre gesperrt.

Gerade die Fußballer des jüdischen TuS Makkabi sind oft antisemitischen Attacken ausgesetzt Foto: imago/Kirchner-Media

Berlin taz | Berlin, 13. November, ein Fußballspiel der A-Junioren. Ein 18-Jähriger des Bezirksligisten CFC Hertha 06 brüllt in Richtung der gegnerischen Mannschaft vom jüdischen TuS Makkabi Berlin: „Ich verbrenne euch und eure dreckige Fahne, ihr Bastarde, so wie die Deutschen das mit euch gemacht haben.“ Ein anderer Spieler zeigt den Hitlergruß.

Das Sportgericht des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) hat die beiden Junioren nun verurteilt: zwei Jahre vollständiger Ausschluss aus dem organisierten Fußball. Es ist „die schärfste Individualsanktion, welche die Rechts- und Verfahrensordnung des BFV vorsieht“, heißt es im Urteil. Ihr Verein muss zudem 1.500 Euro Strafe zahlen. Das Team des CFC Hertha 06, das zunächst suspendiert war, darf zwar wieder auflaufen, allerdings wird ein zwischenzeitlich verpasstes Spiel als verloren gewertet, darüber hinaus werden drei Punkte abgezogen. Gegen das Urteil können die Vereine Einspruch einlegen.

Das Sportgericht hat keinen Zweifel, dass hier „schwere Fälle diskriminierenden Verhaltens, darunter antisemitische Äußerungen und Gesten“ vorlagen. „Das ist eine Lüge“, sagt allerdings Ergün Çakır zu den Vorwürfen. Er ist Präsident des CFC Hertha 06 und Vater eines betroffenen Spielers. Ja, sein Sohn habe die Spieler von Makkabi beschimpft, gibt er zu, aber nicht mit solchen Hasstiraden, nicht mit diesen Worten. „Der Junge ist aufgeflippt, aber man muss doch fragen, wieso“, man habe ihn doch die ganze Zeit beleidigt.

Dass nun sein Sohn und ein anderer Spieler seines Vereins so hart bestraft wurden, hält Çakır für falsch. „Die Jungs sind 17, 18 Jahre alt. Man sollte diese Kinder nicht in dieser Art provozieren“, führt er aus. „Man muss ihnen helfen und sie nicht in eine Ecke treiben.“

Schuld an der Eskalation trägt für Çakır der Schiedsrichter, der zu jung sei und kein Fingerspitzengefühl besessen habe. Dass sein Sohn auch den Unparteiischen beleidigt hat, nachdem der ihm Rot zeigte, steht auch in dem Urteil: „Fick dich, du Hurensohn-Bastard, du bist doch von den Juden gekauft.“

Zwei Drittel aller Makkabi-Fußballer waren Ziel von Antisemitismus

Sonderbericht des Schiedsrichters

Von dieser und den anderen antisemitischen Beleidigungen und Drohungen hätten weder er selbst noch etwa 30 andere CFC-Anhänger etwas mitbekommen, sagt Çakır. Die Spieler und die Anhänger des TuS Makkabi haben diese Rufe aber zweifelsfrei gehört. Auch der Schiedsrichter hat sie im „Sonderbericht“, den er für den Verband anfertigte und der der taz vorliegt, mitgeschrieben.

Nach dem Spiel „stand ein Jugendlicher in Zivil ca. drei Meter neben dem Schiedsrichter“, heißt es dort. „Er schien sichtlich aufgebracht über die ausgerollte Israel-Fahne zu sein, die TuS Makkabi für ein Mannschaftsfoto aufgehängt hatte. Äußerst aggressiv schrie er der Gastmannschaft quer über den Platz entgegen: ‚Ich ficke euer Land und eure Fahne, ihr Hurensöhne.‘“ Später habe eine Zuschauerin gerufen: „Verpisst euch doch einfach, ihr Drecksvolk. Immer gibt es Stress mit euch. Immer provoziert ihr.“ Der Schiedsrichter vermerkt auch dies in seinem Bericht.

Hertha-06-Präsident Çakır sagt: „Wenn Makkabi so provoziert, dann werden die hier nie beliebt sein.“ Was er Provokation nennt, ist das Zeigen einer Israel-Flagge, Çakır nennt sie im Gespräch „Judenfahne“.

„Mit Hertha 06 hatten wir schon häufiger Probleme“, heißt es bei Makkabi. Doch das, was ihre A-Junioren erleben mussten, ist ein „Vorfall, den wir so noch nicht erlebt haben“.

Das will etwas heißen. In Berlin gibt es RIAS, die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Die erfasst auch solche judenfeindlichen Vorfälle, die unter der Schwelle des Strafrechts liegen. „Ähnlich wie im Rest der Gesellschaft ist das Dunkelfeld nicht gemeldeter Vorfälle im Fußballbereich riesig“, sagt Benjamin Steinitz von RIAS. „Seit 2015 wurden uns 28 antisemitische Vorfälle in Berliner Stadien bekannt. Fast jeder dritte antisemitische Vorfall auf Berliner Fußballplätzen richtete sich gegen Makkabi-Spieler oder Fans eines Makkabi-Vereins.“

Eine Studie des Soziologen Lasse Müller von 2021 fand heraus: 39 Prozent der Mitglieder des Dachverbandes Makkabi Deutschland waren schon von einem antisemitischen Vorfall betroffen. Im Fußball sind es sogar zwei Drittel. Und 38 Prozent der Makkabi-Mitglieder gaben an, sich unwohl zu fühlen, wenn sie außerhalb des Trainingsplatzes Makkabi-Kleidung tragen. Ein Teilnehmer der Studie: „Bin mit Makkabi-Klamotten mein Handy reparieren gegangen. Nachdem ich die Quittung bekommen habe, auf der eigentlich meine Adresse stehen sollte, stand anstatt meiner Adresse ‚Holocauststraße‘.“

Das Urteil des BFV-Sportgerichts wird von Makkabi gelobt, auch wenn man sich wenig Illusionen macht. Und Benjamin Steinitz begrüßt die Sanktionen, „weil sie deutlich machen, dass antisemitische Äußerungen empfindliche Konsequenzen haben können“.

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14 Kommentare

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  • " „Der Junge ist aufgeflippt, aber man muss doch fragen, wieso“, man habe ihn doch die ganze Zeit beleidigt."

    "„Er schien sichtlich aufgebracht über die ausgerollte Israel-Fahne zu sein, die TuS Makkabi für ein Mannschaftsfoto aufgehängt hatte."

    Mit (Landes)Fahnen ,nationalen und politischen Symbolen etc.,greift man schnell in die Büchse der Pandora.



    Ich kann nachvollziehen ,nicht entschuldigen(!), warum ein Vater seinen Sohn verteidigt,auch wenn dieser Mist baut. Wenn sich allerdings der Sohn durch eine Fahne dermaßen persönlich provoziert fühlt, wäre auch das erzieherische Konzept des Vaters in Frage zu stellen.

    Anderseits frage ich mich was die Fahne eines anderen Staates bei einem Spiel zwischen zwei einheimischen Mannschaften zu suchen hat. Was für Regeln gelten denn bezüglich Flagge zeigen beim Berliner Fußball-Verband?



    Kann man auch Palästina- und Iranfahnen oder die Farben der stolzen Türkei als Hintergrund zum Fotoshooting aufhängen? Fragen über Fragen.

    • @Mustardmaster:

      Die Farben der stolzen Türkei kann man sogar als einheimische Mannschaft im Vereinswappen haben:



      de.wikipedia.org/w...C3%BC_M%C3%BCnchen



      Es gab auch schon Anfeindungen gegen Türkgücü München, allerdings hat noch kein gegnerischer Spieler nach dem Abpfiff mehrfach in Richtung Türkgücü den Hitlergruß gezeigt. Das hat eine andere Qualität. Das hat damit zu tun, daß der Clubpräsident und Vater, dessen Reaktion Sie nachvollziehen können, die Fahne im Gespräch als "Judenfahne" bezeichnet. Ich kann da gar nix nachvollziehen.

  • Komisch dass der Präsident noch Präsident ist.

    • @sachmah:

      Der Präsident wird - nehme ich an - gewählt und ist die Person, die die Clubmitglieder richtig finden und von der sie sich vertreten lassen wollen. Vermutlich finden ihn die nach wie vor gut. Wer soll ihn absetzen?

  • Dem Herta Präsidenten fehlen offensichtlich die Voraussetzungen für einen fairen diskrimnierungsarmen Umgang mit seinen Mitmenschen, im besonderen Maße mit Fussballkameraden jüdischen Glaubens. Es ist beschämend, dass solche Menschen einem Traditionsclub vorstehen.

    • @Faz:

      "Es ist beschämend, dass solche Menschen einem Traditionsclub vorstehen."

      Antisemitismus ist auch Tradition,die wesentlich weiter als 1906 zurück reicht.



      ;-)



      Und ein nicht ganz unwesentliche Teiel der Herthaanhänger -egal ob Vereinsmitglieder oder nicht-waren noch nie für ihre Feinfühligkeit bezüglich der Themen Rassismus ,Antisemitismus usw. bekannt.

  • Allein nach den hier veröffentlichten Äußerungen des Clubpräsidenten zu urteilen: Der Fisch stinkt vom Kopf, Apfel/Stamm, Herr/Gescherr usw.

    zum Antisemitismus aus und in muslimischem Kontext der empfehlenswerte Podcast der "Dauernörgler": dauernoergler.org/...t-ihn-leider-doch/

  • Ein Bericht über muslimischen Antisemitismus (wenn auch nicht klar ausgesprochen) in der TAZ! Wow!

    • @Emsch:

      Guten Morgen.



      Darf ich fragen, warum es Ihnen so wichtig ist, hier das "muslimische" hervorzuheben?

    • @Emsch:

      Einfach nein.

      Sie wissen den Hintergrund nicht.



      Der einzige bekannte Name ist ein türkischer, und die Türkei ist offiziell ein laizistisches (!) Land und inoffiziell ziemlich gespalten.

      In der im Artikel verlinkten Studie finden Sie auch klare Hinweise darauf, dass gerade bei familiärem Bezug zu der Türkei die Religion kein Erklärungsfaktor für Antisemitismus ist.

      Fazit: Sie lesen rein, was Sie wollen - es könnte so sein, aber es könnte eben auch genauso gut anders sein.

      Gerade bei so sensiblen Themen sollte man doch mehr Vorsicht walten lassen, als einfach mit halbgaren Schlussfolgerungen um sich zu werfen.

      (www.zeit.de/gesell...eutschland-studie)

      • @hoax:

        Halten wir uns mal an den offensichtlichen Fakten fest: Der Verein CFC Hertha 06 hat ein massives Antisemitismusproblem.

        Mal sehen, ob daran gearbeitet wird.

  • Das ist schon mutig, gerade in Berlin in einem jüdischen Fußball-Club zu kicken.

    • @gyakusou:

      Wo, außer in Westdeutschland, ist das nicht mutig?

      • 6G
        652797 (Profil gelöscht)
        @sachmah:

        Im Ruhrpott oder Frankfurt am MAin ist es nicht besser als Berlin.